Eine mystische Figur in blau angelehnt an den Hinduismus zwinkert und hält den Zeigefinger vor den Mund.

Das ZDF Magazin Royale berichtet über die Sekte Bhakti Marga mit Sitz in Hessen. Im Mittelpunkt steht Guru Vishwananda. Der hr hatte in einer investigativen Doku und einem Podcast über Missbrauchsvorwürfe von Sekten-Aussteigern berichtet. Seitdem laufen Rechtsstreitigkeiten, bei denen der hr zuletzt erfolgreich war.

Der Guru der internationalen Sekte Bhakti Marga mit Sitz in Hessen war am Freitag Thema im ZDF-Magazin Royale, hier geht es zur Sendung. Der Hessische Rundfunk hatte im Jahr 2022 über die Sekte berichtet und befindet sich seitdem in rechtlichen Auseinandersetzungen mit Mahadeosingh Komalram, der sich als Guru „Swami Vishwananda“ nennt.

"Just Love?": Mutmaßlich Betroffene schildern Übergriffe

Mutmaßlich Betroffene schildern in der Dokumentation "Just Love" und im gleichnamigen Podcast Übergriffe innerhalb der Sekte. Außerdem erzählen Sekten-Aussteiger von zunächst positiven Erfahrungen, aber auch von Schattenseiten, die sie in der pseudohinduistischen Glaubensgemeinschaft erlebt haben. Der Guru bestreitet die Vorwürfe.

Das Hamburger Landgericht hatte in mehreren einstweiligen Verfügungen verschiedene Punkte der Berichterstattung untersagt, der Podcast ist derzeit in gekürzter Version zu hören. Der Film ist aktuell nicht abrufbar. Die untersagten Aussagen sind so wichtig, dass der Film nach unserer Auffassung ohne sie nicht funktioniert – deswegen ist der Film noch in Gänze offline. Der hr geht auf Grundlage des jüngsten Erfolges nun auch gegen die einstweilige Verfügung gegen die TV-Doku vor.

Guru Vishwananda bestreitet die Vorwürfe

Bei MeToo-Berichterstattung hören Journalisten oft, wenn es kein strafrechtliches Urteil zu einer Tat gibt, dürften wir nicht berichten. Das stimmt so nicht. Als Journalisten berichten wir über den Verdacht auf Missstände und Machtmissbrauch, das ist eine der Kernaufgaben unseres Jobs. Es ist unbequem und birgt das Risiko von Rechtsstreit, aber es ist notwendig.

Investigative Recherche bedeutet immer, Dinge herauszufinden, die andere lieber verschweigen wollten. Und Machtmissbrauch, das zeigen viele Me-Too-Recherchen, lässt sich oft gar nicht mit Mitteln des Strafrechts definieren. Es kann etwas moralisch verwerflich sein, das nicht verboten ist.

Warum es Verdachtsberichtserstattung braucht

Wir berichten deswegen - nach Abwägung – auch, wenn es sich um einen Verdacht handelt. Die sogenannte Verdachtsberichterstattung unterliegt dabei klaren Regeln. Denn für Beschuldigte kann es rufschädigend sein, wenn mutmaßlich Betroffene Vorwürfe erheben. Für Opfer ist es wichtig, dass sie gehört werden, gerade wenn ein Täter mehr Macht und Einfluss hat als sie selbst. Wenn der Täter das Opfer zum Schweigen bringen kann.

 Für "Just Love" haben unsere Interviewpartner*innen eidesstattliche Versicherungen vorgelegt. Wir haben monatelang recherchiert, waren vor Ort, haben umfassend Belege gesammelt. Der Guru hat ebenfalls eidesstattliche Versicherungen vorgelegt und bestreitet die Vorwürfe. Er wurde vom hr mit den Vorwürfen konfrontiert und hat über seinen Anwalt Stellung bezogen. Das gilt es abzuwägen.

MeToo: Aussage gegen Aussage?

 Im Fall von MeToo-Berichterstattung und Fällen von Machtmissbrauch stehen wir dabei oft vor einer besonderen Schwierigkeit: Wenn zwei Personen in einem Raum waren und es keine Zeugen des Vorfalls gibt, steht am Ende oft Aussage gegen Aussage. Besteht ein öffentliches Interesse, können wir berichten, sofern wir ausgewogen sind und den Beschuldigten mit den Vorwürfen konfrontieren. Wir brauchen aber auch Belege, um einen Mindestbestand an Beweistatsachen zu erfüllen, wie es juristisch heißt.

Im Fall der investigativen Recherche zu "Just Love" haben wir im Kernpunkt des Verdachts des sexuellen Missbrauchs von Sektenmitgliedern durch den Guru die Anforderungen an die Verdachtsberichterstattung eingehalten: Der hr war deswegen vor dem Oberlandesgericht Hamburg zuletzt im Februar in der Auseinandersetzung über zwei Punkte im Podcast, bei denen wir in Berufung gegangen sind, vollständig erfolgreich.

 Im Podcast werde ausgewogen und differenziert berichtet, lobte das Gericht. Guru Vishwananda sei ausreichend konfrontiert worden zu den Vorwürfen. Im Podcast sind immer wieder Stellungnahmen von Vishwanandas Anwalt zu hören.

Hamburger Oberlandesgericht bestätigt Auffassung des hr

Außerdem stimmte das Gericht in einem zentralen Punkt unserer Einschätzung zu: Dass mehrere Personen unabhängig voneinander von ähnlichen Übergriffen berichten, erfüllt im Fall von "Just Love" den notwendigen Mindestbestand an Beweistatsachen. Das ist zentral: Denn dass es mehrere Männer gibt, die uns unabhängig voneinander von ähnlichen Übergriffen und Mustern erzählten, war für uns der Anlass, überhaupt zu berichten.

 Im Podcast "Just Love" nehmen alle Folgen aufeinander Bezug. Das Oberlandesgericht Hamburg wies darauf hin, dass entsprechend bei einzelnen Aussagen der Kontext aller Folgen berücksichtigt werden muss. So wie es wichtig ist, was am Anfang einer Buchseite erzählt wird, wenn es um einen Satz in der Mitte der Seite geht.

Einer der Gründe, warum die Rechtsstreitigkeiten nach mehr als zwei Jahren noch nicht abgeschlossen sind, ist, dass eine Vielzahl von Aussagen einzeln juristisch angegriffen wurde und das Hamburger Landgericht dazu einstweilige Verfügungen erlassen hat. Im Rechtsstreit müssen wir nun teils um jeden einzelnen Satz kämpfen, das dauert, aber es lohnt sich.

Juristisch weiterkämpfen

Der hr wird nach dem richtungsweisenden Erfolg in der Berufung vor dem Oberlandesgericht weiter juristisch um die noch untersagten Passagen in Film und Podcast kämpfen. Dabei geht es uns darum, dass die Öffentlichkeit von den Vorwürfen erfährt – denn nur dann kann sich jeder und jede am Ende selbst eine Meinung bilden.

Seit der Veröffentlichung melden sich aus dem In- und Ausland Menschen beim hr, die negative Erfahrungen mit Bhakti Marga gemacht haben und die etwa in Sorge um Angehörige sind, die in die Sekte geraten sind. Das bestärkt uns darin, weiterzumachen. Der Podcast ist trotz einiger Kürzungen weiterhin abrufbar. Der Film wird es hoffentlich bald auch wieder sein.

Künstlerische Illustration in rot-gelb-grün-leuchtenden Farben mit einem intergrierten Bild des Gurus Vishwananda. Im roten Bereich des Bildes sut auf den zweiten Blick eine Hand zu sehen.
Weitere Informationen

Just Love? Podcast und Dokumentation des hr

Alle sechs Folgen des Podcasts "Just Love" gibt es in der ARD-Audiothek und überall, wo es Podcasts gibt.

Idee und Recherche zu "Just Love": Sonja Süß und Marlene Halser
TV-Dokumentation: Sonja Süß, Peter Gerhardt
Podcast: Marlene Halser, Stefan Bücheler, eine Produktion vom hr zusammen mit hauseins
Redaktionelle Leitung: Sabine Mieder, Andreas Rippl, Wolfhard Kahler, Eberhard Nembach

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