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Wieso der TC Laubach eine Rollstuhltennis-Abteilung hat

Hier ist Dirk Köhler, Hessenmeister im Doppel.

Vor fünf Jahren hatte der TC Laubach ein Problem: Mitgliederschwund. Dann hat sich der Sportverein aus Mittelhessen für Menschen mit Behinderung geöffnet – und ist jetzt einer von wenigen hessischen Vereinen, die Rollstuhl- bzw. Paratennis anbieten.

Dirk Köhler ist ein sportbegeisterter Mensch. Früher war Basketball sein Lieblingssport, heute ist es Tennis: Er ist jede Woche auf den Tennisplätzen am "Froschloch" in Laubach (Gießen) und jagt dabei die Bälle übers Netz. Das Besondere: Dem 54-Jährigen fehlt ein Bein – er sitzt beim Tennis im Rollstuhl. "Als ich von der Chance erfahren habe, hier Tennis zu spielen, bin ich direkt hergekommen", erinnert sich Köhler. Er ist seit einem Jahr Mitglied beim TC Laubach. Hier wird sogar schon seit 2018 Rollstuhltennis gespielt. Die Regeln sind fast genauso wie beim normalen Tennis, nur darf der Ball zweimal pro Feld aufkommen.

TC Laubach bietet inklusiven Tennissport an

Der Arbeitsvermittler aus Pohlheim hat insgesamt 26 Jahre beim RSV Lahn-Dill professionell Rollstuhl-Basketball gespielt, ist auch viermal bei den Paralympics angetreten. Mit dem sportlichen, stahlverstärkten Rollstuhl kann er daher bestens umgehen – selbst, wenn er dabei auch noch einen Schläger richtig halten muss. "Auch mit Corona war es ideal, mit Tennis anzufangen. Das geht im Freien und man braucht keine zehn Leute in der Halle – so wie beim Basketball“, sagt Köhler.

Der 54-Jährige sieht aber ein Problem: Oft sei es so, dass Rollstuhlfahrer nicht auf Tennisplätze dürfen – weil es heißt, dass sie die Asche kaputt machen. "Klar, hinterlasse ich Spuren. Aber das machen Fußabdrücke auch – und die kann man genauso gut glattstreichen und wegwischen, wenn man wässert. Die Plätze bleiben ganz", hält Köhler dagegen. Dennoch: Bis vor kurzem war der TC Laubach der einzige Verein in ganz Mittelhessen, der inklusiven Tennissport anbietet.

Noch bieten zu wenig Vereine Para-Tennis an

Seit April gibt es aber einen ersten Nachahmer: den TC Wetzlar. Und damit schließt sich ein bisschen der Kreis – denn den ersten Versuch, diesen Sport im Mittelhessen zu etablieren, gab es in den 90er-Jahren, ebenfalls in Wetzlar. Der RSV Lahn-Dill hatte damals nur für wenige Jahre Rollstuhltennis im Repertoire. Das sei dann in den frühen 2000ern aufgrund von Spielermangel eingestellt worden, erzählt Jörg Fink. Auch er hat von Basketball auf Tennis umgesattelt. "Tennis ist weniger leistungsorientiert und eine Sportart, die man auch noch in einem gesetzteren Alter machen kann. Daher ist es schön, dass es in Mittelhessen diesen Behindertensport wieder gibt."

"Das Thema Para-Tennis wächst, aber es gibt nur sechs oder sieben Vereine in Hessen, die explizit Training für Menschen mit Behinderung anbieten", erklärt Nico Porges vom Hessischen Tennisverband (HTV). Rollstuhl-Tennis wird auch in Wiesbaden, Kelkheim, Vellmar oder Seeheim angeboten. Beim TC Seeheim im Odenwald spielt auch Porges' Tochter, die querschnittsgelähmt ist – auch deshalb hat der HTV-Geschäftsführer sich vorgenommen, die allerersten hessischen Rollstuhltennis-Meisterschaften zu organisieren. So ein Turnier gab es bis in diesem Jahr nämlich noch nicht.

Mitgliederzahlen des TC Laubach steigen

An Pfingsten war es dann so weit: 24 Spielerinnen und Spieler nahmen in Seeheim an der Hessenmeisterschaft teil, darunter vier Kinder - und Dirk Köhler vom TC Laubach. Der Mittelhesse holte dort den Titel im Doppel mit seiner zugelosten Partnerin Linda Wagemann aus Erlangen. Köhler möchte seinen Titel verteidigen – und darf sich daher darüber freuen, dass Porges vorhat, das Turnier im nächsten Jahr, ebenfalls an Pfingsten, zu wiederholen. Ebenfalls in Seeheim: "Wir haben hier die besten Plätze, sind barrierefrei und haben viele ehrenamtliche Helfer im Verein, die mit anpacken wollen – daher wird der Veranstaltungsort nicht geändert."

"Es war eine tolle Veranstaltung. Irgendwann muss man mal damit anfangen, denn sonst fängt niemand damit an", sagt Köhler. Das gilt offenbar nicht nur für Wettbewerbe, sondern auch für das Etablieren von Behindertensport in einem Verein. "Unser Tennisverein war von den Mitgliederzahlen her vor fünf Jahren ziemlich am Boden. Da haben wir nicht lange überlegt und uns eben für Mitglieder mit Handicap geöffnet", blickt Dirk Oßwald zurück. Neben seinem Ehrenamt beim TC Laubach ist er Leiter der Lebenshilfe in Gießen und hat daher beruflich mit Menschen mit Behinderung zu tun.

Mitglieder sehen durch Inklusion eine große Bereicherung

Vollständig barrierefrei sind die Tennisplätze am Laubacher "Froschloch" zwar noch nicht, es gibt keinen befestigten Weg zu den Plätzen und noch keine Rampe, mit der man die Stufe zur Rotasche einfach überqueren kann. "Deswegen gab es auch im Vorfeld Gegenwind im Verein, aber wir haben einfach angefangen und damit die Zweifel ausgeräumt. Und natürlich sind wir dabei, die Anlage Schritt für Schritt barrierefrei zu gestalten", so Oßwald. Die enge Verbindung von Lebenshilfe und Sportverein wünscht sich HTV-Geschäftsführer Porges auch für andere Standorte im Para-Tennis.

Der TC Laubach möchte mit gutem Beispiel vorangehen. Von dem ehemaligen Profi-Sportler Köhler, über geistig behinderte Tennisspieler, bis hin zu einem siebenjährigen Mädchen im Rollstuhl, das begeistert den Schläger schwingt, ist so ziemlich alles dabei. Sehr zur Freude von Karl-Heinz Kotzian. Er ist seit über 30 Jahren im Verein und sieht durch die Inklusion eine große Bereicherung: "Sie werden nie die größten Tennis-Spieler, aber darum geht's auch nicht. Denn wenn man sieht, mit wie viel Spaß sie hier herkommen: Sie integrieren sich - und das ist entscheidend!"

Ein geeigneter Rollstuhl kostet etwa 2.500 Euro

Ein für den Sport geeigneter Rollstuhl ist übrigens so verschweißt, dass der Fahrende auch ja nicht beim Tennis spielen runterfällt. Kostenpunkt: etwa 2.500 Euro. Die professionelle Ausführung von Dirk Köhler kostet sogar fast das Doppelte. "Viele Krankenkassen unterstützen aber die Anschaffung der Geräte. Sport ist eben auch Therapie", erklärt Köhler. Die Barriere liegt also weniger bei der Anschaffung des Rollstuhls als vielmehr bei dem Angebot an Vereinen.

Auch HTV-Geschäftsführer Porges weiß: "Man wird keinen unmotivierten Para-Sportler erleben. Die meisten sind einfach nur dankbar, dass sie Sport machen können und an einer Vereinskultur teilhaben können." Diese Teilhabe wird beim TC Laubach auch weiterhin gefördert: Am 11. September ist ein Talenttag im Behindertensport geplant. Von 9:30 bis 15:30 Uhr kann jeder am "Froschloch" Basketball, Rugby und natürlich Tennis im Rollstuhl ausprobieren.

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