Es sind schwere Zeiten für das Lebensmittelhandwerk. Corona-Nachwehen, hohe Energiepreise und der Nachwuchsmangel zwingen viele Bäckereien und Metzgereien zum Schließen. Hinzu kommt die große Konkurrenz durch Supermärkte.

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Metzgereien in der Krise

hessenschau von 16:45 Uhr
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Ob frische Brötchen, leckeren Kuchen oder das gute Stück Fleisch – all das haben viele Menschen früher oft klassisch beim Bäcker oder Metzger gekauft. Heute dagegen erledigen die meisten ihre Einkäufe nicht mehr in einzelnen Fachgeschäften, sondern lieber gesammelt im Supermarkt.

Was für Verbraucherinnen und Verbraucher entspannt ist, ist für das Lebensmittelhandwerk belastend. Das zeigt sich an den Zahlen des Bäckerei-Landesinnungsverbandes: 327 Bäckereibetriebe sind demnach aktuell noch Mitglied der Innung in Hessen. Zur Jahrtausendwende lag die Zahl dagegen noch bei über 1.200.

Dieser Strukturwandel zeichne sich bereits seit mehreren Jahrzehnten ab, erklärt der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks. Das Kaufverhalten der Menschen habe sich entwickelt, weg vom Tante-Emma-Laden hin zu größeren Ketten. Discounter bieten günstige Preise für ein großes Angebot. Besonders für unabhängige Betriebe sei es schwierig, mitzuhalten.

2022: Einer von zehn Bäckern geschlossen

Doch nicht nur der Strukturwandel sei Schuld an der schwierigen Lage der Branche, sagt der Verband. Die Gründe für die Schließungen sind vielfältig. Die Corona-Krise hat vielen Betrieben zugesetzt, nicht alle Geschäfte haben die finanziellen und personellen Einbußen überstanden.

Zudem hat die Energiekrise bereits Spuren hinterlassen: Für viele Betriebe waren die hohen Kosten nicht mehr tragbar. Knapp elf Prozent der hessischen Bäckereien des Innungsverbandes haben im vergangenen Jahr geschlossen - also eine von zehn. Diese starke Reduktion lässt sich nicht mehr am Strukturwandel festmachen, so der Bäckerei-Innungsverband Hessen. Die Schließungen seien ein Resultat der Krisen.

Weniger Lehrlinge, weniger Meister

Auch der Fachkräftemangel ist für das Lebensmittelhandwerk ein großes Thema, bestätigt der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks. Eine ganze Generation von Bäckerinnen und Bäckern gehe in den Ruhestand, Nachfolger zu finden sei schwierig. "Die Leute müssen nicht nur backen - 50 Prozent ihrer Zeit verbringen sie mit Verwaltungskram. Da haben viele auch einfach keine Lust drauf", erklärt ein Sprecher der Landesinnung Hessen.

Ausbildungsplätze bleiben demnach in den vergangenen Jahren vermehrt unbesetzt. Während es vor 20 Jahren noch über 400 neu unterzeichnete Ausbildungsverträge pro Jahr gab, ist der Wert inzwischen auf ein Drittel gesunken, wie der Sprecher berichtet. Daraus entwickle sich für die Bäckereien ein nachhaltiges Problem: Weniger Lehrlinge ergeben langfristig auch weniger Bäckermeister. Und die braucht es, um einen Betrieb zu leiten.

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Auch den hessischen Metzgereien geht es schlecht

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Metzgereien vor ähnlichen Problemen

Neben den Bäckereien haben es zunehmend auch Metzgereien schwer. Auch sie leiden unter hohen Energiekosten und Personalmangel, berichtet der Deutsche Fleischerverband. Außerdem sei es auch im Metzgereihandwerk eine große Herausforderung, Betriebsnachfolgerinnen und -nachfolger zu finden.

Das hat Folgen, wie die Zahlen des Verbands zeigen: 100 handwerklich arbeitende Betriebe hat Hessen von 2021 auf 2022 verloren. Das entspricht einem Rückgang um 19 Prozent in nur einem Jahr.

Abgrenzung zum Handel fehlt

Das trifft auch Unternehmen mit langer Geschichte, wie das von Metzger Thomas Reichert. Sein Großvater hatte den Betrieb 1935 gegründet, im Januar hat Reichert die letzte seiner drei Fillialen in Frankfurt geschlossen. Vor allem städtische Metzgereien hätten es schwer, sagt Reichert, weil die regionalen Mastbetriebe und Schlachthöfe fehlen.

"Das macht sie letztendlich, was die Bezugsquellen angeht, gemein mit dem Handel", erklärt Reichert. "Wenn Sie den Kunden nicht mehr erklären können, wo ihre Tiere herkommen, sind Sie irgendwann nicht mehr als jemand wahrnehmbar, der ein Alleinstellungsmerkmal hat." Ländlichen Filialen ginge es besonders dann besser, wenn hinter dem Betrieb eine eigene Schlachtstätte oder ein Landwirtschaftsbetrieb stünde.

Mit dem Angebot vieler Supermärkte könne eine Metzgerei oft nicht mithalten, muss Reichert anerkennen. Die steigende Anzahl an Fleischersatzprodukten habe dagegen keinen Einfluss auf sein Geschäft gehabt, sagt er.

Wege aus der Krise?

Die Schwierigkeiten im Lebensmittelhandwerk sind vielfältig, die Lösungsansätze sind es ebenfalls. Für kleine Geschäfte kann die Eingliederung in größere Unternehmen eine rettende Option sein - sich also beispielsweise einer regionalen oder überregionalen Kette anzuschließen.

Andere Betriebe versuchen, ihr Handwerk durch bessere Bedingungen, wie zum Beispiel neue Arbeitszeitmodelle, attraktiver zu machen. Und wieder andere sind in ihrer Gegend so fest verwurzelt, dass sie einen treuen Kundenstamm und vorerst wenig zu befürchten haben.

Außerdem muss eine Schließung nicht direkt das berufliche Aus bedeuten. So sieht es auch Fleischer Thomas Reichert: Er will sich nun auf seinen Catering- und Event-Betrieb konzentrieren.

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