Trotz Widerstands von Eltern Hanau hält an umstrittenem Mahnmal für Anschlagsopfer fest
Ein Mahnmal zu Ehren der Opfer des rassistischen Anschlags von Hanau sorgt weiter für Unmut. Trotz Widerstands betroffener Familien, die sich gegen eine Nennung der Namen ihrer getöteten Kinder wehren, will die Stadt an den Plänen festhalten. Ein Vater droht mit juristischen Schritten.
Seit dem rassistischen Anschlag in Hanau ist "Say their Names" – "Nennt ihre Namen" – der Slogan, mit dem Angehörige und Unterstützer die Erinnerung an die neun Todesopfer der Mordnacht von 2020 wachhalten wollen. Welche Namen auf dem Mahnmal zu lesen sein werden, das die Stadt Hanau im Gedenken an das Attentat aufstellen will, ist allerdings zum Streitpunkt geworden.
Stadt bleibt dabei - trotz Widerstands
Die Familie des getöteten Hamza Kurtović und Emiş Gürbüz, die Mutter des getöteten Sedat Gürbüz, wehren sich gegen die Nennung der Namen auf dem städtischen Mahnmal. Die Stadt Hanau bleibt allerdings beim ursprünglichen Plan: Alle Namen sollen darauf vorkommen.
"Die Stadtgesellschaft gedenkt aller Opfer des rassistischen Anschlags und will, dass die Namen der Opfer auch noch in 50, 75 und 100 Jahren bekannt sind - es soll kein Name vergessen werden", teilte die Stadt nun mit. Es gebe zudem keine weiteren Eltern, die sich gegen die Namensnennung aussprächen.
Gürbüz: "Über mein Kind entscheide nur ich"
Während der diesjährigen Gedenkveranstaltung zum fünften Jahrestag des rassistischen Terroranschlags vom 19. Februar 2020 kam es im Beisein von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zu Vorwürfen an die Stadt. Emiş Gürbüz lehnte es dort bereits ab, dass der Name ihres Sohnes auf dem geplanten Mahnmal zu lesen sein wird: "Über mein Kind entscheide nur ich - niemand sonst."
Die Stadtverordneten reagierten verärgert und zogen die Konsequenz, "derlei Gedenkveranstaltungen" nicht mehr abzuhalten. "Das künftige Gedenken", so hieß es in einer Mitteilung, sei "in kleinerem Rahmen durchzuführen".
Kurtović prüft rechtliche Schritte
"Wir möchten das als Familie nicht", sagte Armin Kurtović, der Vater von Hamza Kurtović, am Montag dem hr. Nachdem der hessische Landtag den Abschlussbericht zum Untersuchungsausschuss vorgelegt hatte, der auf Versäumnisse hinwies, habe er das der Stadt schon gesagt. Auch dem Künstler des Mahnmals, Heiko Hünnerkopf, habe er diese Entscheidung mitgeteilt.
Ob er juristisch gegen die Verwendung von Hamzas Namen vorgehen kann, will Kurtović prüfen - moralisch wolle er auf jeden Fall weiter darauf pochen.
Für Kurtović ist es die Konsequenz aus dem Verhalten der Stadt: Er wirft Hanau vor, nicht ausreichend für Aufklärung gesorgt zu haben und nicht die nötige Verantwortung für Fehler zu übernehmen.
Verschlossener Notausgang, überlasteter Notruf
Zentral dabei ist die Frage, warum der Notausgang in der Arena Bar verschlossen war, in der sein Sohn und vier weitere Opfer starben. Und wie es dazu kommen konnte, dass in der Tatnacht der Notruf nicht funktionierte - als etwa Vili Viorel Păun den Täter im Auto verfolgte und gleichzeitig versuchte, die Polizei zu alarmieren.
Mehrfach wählte er die 110, aber niemand nahm ab. Păun wurde von dem Rassisten Tobias R. in seinem Auto erschossen.
Kurtović: "Aufklären und dafür geradestehen"
"Man muss aufklären und dafür geradestehen, das können die nicht", sagte Kurtović über die Stadt Hanau, "die sollen die Verantwortung übernehmen und sagen, 'wir haben Scheiße gebaut'". Aber Fehler seien nicht eingeräumt worden, und das obwohl sogar der Abschlussbericht des Untersuchungsausschussses im Landtag bestätigte, dass der Notausgang verschlossen war und das Notruf-System veraltet und überlastet.
Stattdessen würden sie sich noch brüsten mit dem Gedenken an die Opfer, sagte Kurtović dem hr. Er und andere Angehörigen haben in der Vergangenheit bei der Aufklärung Druck gemacht und auch selbst Hintergründe zur Tatnacht recherchiert.
So hatte Kurtović versucht, Ermittlungen zum Notausgang mit Anzeigen zu erzwingen - aber die Staatsanwaltschaft lehnte die Wiederaufnahme oder die Einleitung neuer Ermittlungen ab. Nun läuft laut Armin Kurtović ein Klageerzwingungsverfahren. Eine Anklage sei notwendig, um aufzuklären, welche Verantwortung die Stadt für Versäumnisse in der Tatnacht trage, sagte er.
Ort des Mahnmals umstritten
Hinterbliebene der Getöteten waren auch damit gescheitert, das Mahnmal an einem zentralen Ort, dem Marktplatz der Stadt, zu errichten. Die Stadtverordneten entschieden am Ende, den Ort des Gedenkens stattdessen am Kanaltorplatz zu errichten.
Von den jahrelangen Diskussionen um offene Fragen und die Konsequenzen aus der Mordnacht bleibt bei Armin Kurtović vor allem eines: Er ist enttäuscht von der Politik, die den Familien Aufklärung versprochen hatte. Als die Stadt auch seinem Sohn posthum die Ehrenplakette der Stadt Hanau in Gold verlieh, kam Kurtović nicht. Solche Auszeichnungen seien "heuchlerisch", sagt er - solange die Aufarbeitung nicht stattfinde.
Das Mahnmal, das die Namen der Ermordeten zeigt, wird vor dem zukünftigen "Haus für Demokratie und Vielfalt" stehen. "Wir haben den Angehörigen unsere Pläne erläutert und diskutiert, Argumente ausgetauscht", so Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD). Die Diskussionen um den Umgang mit dem Attentat und das Gedenken sind damit allerdings nicht beendet. 2026 soll das Mahnmal eröffnet werden.