Neues Sicherheitszentrum in Darmstadt Die ESA führt den Kampf gegen Cyberangriffe aus Hessen

Immer häufiger, immer ausgeklügelter: Auch die ESA sieht sich immer wieder mit Cyberangriffen konfrontiert. Um ihre milliardenschwere Infrastruktur im All zu schützen, hat die europäische Raumfahrtorganisation ein Cyber-Sicherheitszentrum in Darmstadt aufgebaut.

Zwei Frauen sitzen vor Bildschirmen im neuen Cyber Security Operations Centre bei der Esa.
Zwei Mitarbeiterinnen sitzen an Bildschirmen im neuen Cyber Security Operations Centre bei der ESA. Bild © picture alliance/dpa | Boris Roessler

Knapp 30 Satelliten steuert die ESA vom Raumfahrtkontrollzentrum ESOC in Darmstadt aus durch das Weltall. Ihr Gesamtwert: mehrere Milliarden Euro. Was, wenn auch nur einer davon in die Hände von Hackern gelangen würde? Die Folgen, nicht nur für die ESA, wären weitreichend:

"Keine Erdbeobachtungen, keine Satelliten-Navigation, keine Kommunikation mit ihnen", zählt Markus Rückert, Leiter der IT-Infrastruktur für Missionsoperationen am ESOC, auf. "Im schlimmsten Fall könnte ein Satellit auch zur Kollision gebracht werden, was dann weitere Probleme für den ganzen Orbit bedeuten könnte."

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Den Kampf gegen Cyberkriminelle führt die ESA aus Hessen

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Bis zu 42 Milliarden "unerwünschte Interaktionen" im Monat

Noch klinge dieses Szenario weit hergeholt. Aber im Sicherheitsmanagement sei das mangelnde Vorstellungsvermögen oft der größte Feind, so Rückert. "In Zukunft, mit zunehmender Kommerzialisierung des Weltraums, müssen wir auch auf so etwas achten."

Schon jetzt sieht sich die ESA mit zahlreichen Angriffen konfrontiert: Nach eigenen Angaben zählt sie bis zu 42 Milliarden "unerwünschte Interaktionen" pro Monat: Versuche, in die Systeme zu gelangen oder sie zu stören.

"Cyberkriminelle rüsten auf"

Wie viele davon eine echte Bedrohung darstellen, will die ESA nicht offenbaren. Bisher habe man alle Angriffe abwehren können. Doch: "Die Cyberkriminellen rüsten immer mehr auf – und für uns ist es von existenzieller Bedeutung, dass wir immer einen Schritt voraus sind", sagt Rolf Densing, ESA-Direktor für den operativen Betrieb.

Die ESA hat deshalb vor einigen Jahren die Notwendigkeit erkannt, sich in Sachen Cybersicherheit neu aufzustellen. Das Ergebnis: das neue Cyber Security Operation Center (C-SOC) im europäischen Raumflugkontrollzentrum (ESOC) in Darmstadt.

"Der Verkehr zwischen unseren Bodenstationen und den Satelliten im All geht genau hier durch unser ESOC durch. Und das ist der Flaschenhals, wo man ansetzen könnte", erklärt Densing die Gefahr bei der Vorstellung des C-SOCs am Dienstag.

Direkter Kontakt zu Kontrollräumen

Von außen betrachtet ist der Raum - angesichts seiner Bedeutung für die ESA - wenig spektakulär: recht klein, fensterlos, mit wenigen Schreibtischen und zwei großen Bildschirmen an der Wand, darauf eine Weltkarte und zahlreiche Diagrammen.

An einem Ende befindet sich eine Schiebetür aus Glas. Sie führt zum Network Operation Centre (NOC) - dem Raum, von dem aus das weltweite Netz der Bodenstationen kontrolliert wird.

Diese direkte Verbindung ist wichtig, wie der Chef von Projektmanager Rückert, Octave Procope-Mamert, erklärt. Denn für die ESA stellte sich die Herausforderung: Raumfahrtexpertise und Cybersicherheitswissen müssen zusammengebracht werden. Manchmal mache es aus Sicherheitsgründen vielleicht Sinn, ein System abzuschalten, so Procope-Mamert. "Aber dann muss man genau verstehen: Was hat das für Konsequenzen?"

Die Experten im C-SOC beobachten und analysieren die eingehenden Informationen, unterstützt von Automatisierungen identifizieren sie sicherheitsrelevante Ereignisse. Das Team besteht aus einem gutem Dutzend Mitarbeiter, immer zwei sind zeitgleich vor Ort.

"Manchmal suchen wir die Nadel im Heuhaufen, manchmal auch den Heuhaufen", so Rückert. Entdecken sie eine echte Bedrohung, besprechen sie sich mit den Kolleginnen und Kollegen im NOC, wie die Antwort darauf ausfallen soll.

Fünf Jahre Entwicklungszeit

Zudem können die Sicherheitsexperten auf die Expertise ihrer Kolleginnen und Kollegen in Belgien zurückgreifen. Dort ist am Europäischen Weltraumsicherheits- und Bildungszentrum (ESEC) in Redu der zweite Standort des C-SOC entstanden. Der Fokus liegt hier auf Systemen der Unternehmens-IT wie E-Mail oder Cloud-Dienste. Doch im Ernstfall unterstützen sie sich gegenseitig, zudem können die Belgier im Falles eines Systemausfalls in Darmstadt einspringen.

Seit fünf Jahren laufen die Arbeiten zur Entwicklung und zum Aufbau der beiden Lagezentren. 19 europäische Unternehmen waren den Angaben zufolge daran beteiligt. Die Kosten sollen bis Ende 2026 rund 26 Millionen Euro betragen, dazu kommen Betriebskosten in Höhe von rund zwei Millionen Euro pro Jahr.

KI soll helfen

Die Höhe dieser Investitionen scheint bei den Millardensummen, die die Satellitenflotte wert ist, gering. Zudem, so betont Densing, gehe es auch um das Vertrauen der Unternehmen. Die Raumfahrtinfrastruktur werde zunehmend integraler Bestandteil der europäischen Wirtschaft und Gesellschaft. Unternehmen seien zunehmend auf Satelliten und weltraumgestützte Dienste angewiesen.

Auf dem neu geschaffenen C-SOC will sich die ESA aber nicht ausruhen. Es soll stetig weiterentwickelt werden, um den Cyberkriminellen auch weiterhin einen Schritt voraus zu sein. So strebt Rückert zum Beispiel an, Künstliche Intelligenz besser einzubinden. Damit soll vorab besser gefiltert werden, welche verdächtigen Ereignisse tatsächlich sicherheitsrelevant sind. Noch klappt das laut Rückert nicht so gut - es gebe zu viele Fehlalarme.

Sendung: hr-fernsehen, hessenschau,

Quelle: hessenschau.de