Bruce Springsteen & The E Street Band in Frankfurt Erhebt euch!

Eine Mischung aus Predigt, Protest und Party: Bruce Springsteen & The E Street Band liefern im Frankfurter Waldstadion einen denkwürdigen Auftritt. Der Boss gibt sich schonungslos – gegen sich selbst und US-Präsident Trump.

Bruce Springsteen (M) and The E Street Band spielen im Olympiastadion zur Europatournee 2025.
Bruce Springsteen (Mitte) und die E-Street-Bandmitglieder Jake Clemons (links) und Steven Van Zandt (Das Foto stammt vom 11. Juni aus dem Berliner Olympiastadion). Bild © picture alliance/dpa | Annette Riedl

Dunkle Jeans, Hemd, Weste und Krawatte: Schon sein Outfit lässt erahnen: Bruce Springsteen ist nicht nur zum Spaß hier. Eine knappe Begrüßung auf Deutsch und schon geben Springsteen und die E Street Band mit ihrem ersten Song des Abends den Ton vor.

There’s a war outside still raging (Draußen herrscht noch immer Krieg) heißt es in No Surrender, einem Stück aus dem Jahr 1984, das damit aktueller denn je erscheint. Springsteen selbst befindet sich seit einigen Wochen in einem verbalen Kleinkrieg mit dem US-Präsidenten – spätestens, seit Donald Trump ihn als Reaktion auf Kritik an seiner Politik als völlig überbewertet und "dumm wie ein Stein" bezeichnet hat.

Den Namen "Trump" nimmt Springsteen an diesem Abend kein einziges Mal in den Mund. Doch es braucht keine Fantasie, um zu erahnen, wen er meint, wenn er etwa in House Of A Thousand Guitars von seiner 2020er-Platte Letter To You singt: The criminal clown has stolen the throne – der kriminelle Clown hat den Thron gestohlen.

Wie ein roter Faden

Nach Manchester, Lille, Marseille, Liverpool, Berlin und Prag markiert Frankfurt an diesem Mittwochabend den siebten Stopp seiner Europatournee. Passender könnte der Name der Tour nicht gewählt sein: Land Of Hope And Dreams (Land der Hoffnung und Träume).

Wird im gleichnamigen Song aus dem Jahr 2001 ein Bild der Vereinigten Staaten gezeichnet, in denen jeder noch so Hoffnungslose seine Chance auf den "American Dream" erhält (This train carries saints and sinners, this train carries losers and winners - Dieser Zug befördert Heilige und Sünder, dieser Zug befördert Verlierer und Gewinner), werden die USA für viele Menschen in Donald Trumps zweiter Amtszeit zum "Land Of Broken Dreams", dem Land der geplatzten Träume, wenn man so will.

Zitat
This train carries saints and sinners, this train carries losers and winners Zitat von Bruce Springsteen
Zitat Ende

Dagegen begehrt Springsteen auf, der Konflikt zieht sich wie ein roter Faden durch das Konzert. So wie Springsteen schon seit über 50 Jahren seinem Heimatland mit all seinen Schwächen und Problemen den Spiegel vorhält, so sind seine Erzählungen von Nostalgie, Sehnsucht, geplatzten Träumen und unerfüllter Liebe doch stets geprägt von einem unerschütterlichen Glauben an die Hoffnung. No retreat, baby, no surrender: Kein Zurückweichen, kein Aufgeben, das ist auch das Credo des Abends.

Bruce Springsteen singt in ein Mikro, Nahaufnahme
Mangelnder Einsatz ist Bruce Springsteen bei seinen Konzerten nicht vorzuwerfen. Bild © picture alliance/dpa | Annette Riedl

"Steht an unserer Seite"

Wie schon bei seinen vorherigen Konzerten spricht Springsteen immer wieder über die Zustände in seiner Heimat; speziell den Umgang mit Demonstranten, die gegen die Abschiebepolitik der Regierung auf die Straße gehen. "Sie setzen das amerikanische Militär auf Amerikas Straßen ein, basierend auf Unwahrheiten über eine ausländische Invasion", sagt er.

In Los Angeles protestieren seit Tagen Menschen gegen den harten Migrationskurs von Präsident Trump und Abschieberazzien der Einwanderungsbehörde ICE.

Trump hatte in diesem Zusammenhang gesagt, er werde "nicht zulassen, dass eine amerikanische Stadt von einem ausländischen Feind überfallen und erobert wird". Die US-Regierung mobilisierte 4.000 Soldaten der Nationalgarde und 700 Marineinfanteristen der regulären Streitkräfte - gegen den Willen des Gouverneurs von Kalifornien.

Weitere Informationen

Ausgezeichnet auf allen Ebenen

Bruce Springsteen ist 20-facher Grammy-Sieger, Oscargewinner und Träger der höchsten zivilen Auszeichnung der USA, der Presidential Medal of Freedom. Und das ist nur eine Auswahl der Ehrungen, die der Mann aus New Jersey im Lauf seiner Karriere erhielt.

Ende der weiteren Informationen

Springsteen fordert sein Publikum in Frankfurt auf: "Erhebt eure Stimmen, steht an unserer Seite gegen Autokraten und lasst die Freiheit siegen!" Die Zuschauer quittieren das mit Jubel und Applaus. Haben Springsteen und die E Street Band nach Schätzung ihres Gitarristen Steven Van Zandt aufgrund ihres politischen Engagements die Hälfte ihrer Fans verloren, so steht ihr Frankfurter Publikum an diesem Mittwoch geschlossen hinter ihnen.

Fast drei Stunden voller Hits

Wer in das fast ausverkaufte Waldstadion gekommen ist, um abseits der politischen Lage eine gute Zeit zu verbringen, kommt auch auf seine Kosten. The River, Badlands, Thunder Road oder Born to Run, um nur einige seiner erfolgreichsten Hymnen zu nennen, quetscht Springsteen in den fast dreistündigen Abend, der so kurzweilig ist, dass er sich höchstens halb so lang anfühlt.

Seine jüngeren Studioalben wie Letter to You (2020) und das Coveralbum Only the Strong Survive (2022) finden in der Setlist weniger Anklang, doch die meisten der angereisten Zuschauer können das verschmerzen. Sie stammen aus der Generation der unsterblichen Alben Born to Run (1975), Darkness on the Edge of Town (1978) oder Born in the U.S.A (1984). Die Generation Z feiert Nina Chuba auf dem Hessentag, und das ist völlig okay.

Eine Audienz beim Boss

Welchen Status Springsteen bei den dreistellig zahlenden Zuschauern hat, zeigt sich exemplarisch beim Song Promised Land, als der 75-Jährige auf Tuchfühlung mit der ersten Reihe geht: Eine Zuschauerin packt seine Hand und küsst sie mit fast ungläubigem Blick. Eine Audienz beim Boss, und das mitten in Frankfurt.

Man muss nicht gläubig sein, um von diesem Konzert, das als eine Mischung aus Predigt, Protest und Party daherkommt, tief bewegt und mit einem Gefühl der Hoffnung den Heimweg anzutreten. Dafür braucht es, um im Springsteen-Vokabular zu bleiben, nur den Human Touch, das Menschliche.

Es schadet aber auch nicht, wenn Springsteen das Publikum auffordert: "Lasst uns beten" und die Background-Sängerinnen und Sänger in City of Ruins immer wieder skandieren: Come on, rise up! Erhebt euch!

Zum Ende dürfen alle glänzen

Springsteen selbst tut das, was er seit Jahrzehnten tut: Er performt, als wäre jeder Abend sein letzter: Mal aufgedreht bis in die Spitzen des ergrauten Haars, schweißgetränkt und schonungslos gegen den eigenen Körper, dann wieder fast regungslos mit gesenktem Blick und glasigen Augen. Man nimmt ihm jede Emotion ab.

Seine kratzige Stimme hat mittlerweile zwar an Kraft verloren, wie sich etwa beim 1980er-Klassiker The River zeigt. Böse Zungen würden allerdings behaupten, dass das beim erfahrungsgemäß ausbaufähigen Sound im Waldstadion kaum ins Gewicht fällt.

Glänzen dürfen aber auch die anderen: wie Saxofonist Jake Clemons, der in der E-Street-Band die Rolle des 2011 zu früh verstorbenen Clarence "Big Man" Clemons einnimmt, seines Onkels. Oder auch Gitarrist Van Zandt, dessen Solo in Murder Inc. stimmungsmäßig zu den Höhepunkten des Abends zählt. Den erwähnten Eindruck einer Predigt lässt Van Zandt - mehr Pirat denn Pastor - übrigens mit seinem Outfit aus Kopftuch, Säbel-Ohrringen und viel nackter Brust vergessen.

Nils Lofgren, Bruce Springsteen und Steven Van Zandt auf einer Bühne nebeneinander
Old but Gold: Springsteen (Mitte) und seine E-Street-Band-Veteranen Nils Lofgren (li.) und Steven Van Zandt. Bild © Imago / Berlinfoto

Viel Springsteen und ein bisschen Bob Dylan

Weil die Konzerte von Springsteen und der E-Street-Band grundsätzlich Überlänge haben, trifft das auch auf die Zugabe zu, die am Mittwoch ganze sieben Lieder umfasst, darunter Evergreens wie Dancing in the Dark, Bobby Jean oder das unvermeidliche Born in the U.S.A.

Im finalen Akt bedient sich Springsteen dann aus der Songkiste eines anderen unsterblichen Vertreters des Rock 'n' Roll. Er covert Bob Dylans Chimes of Freedom (Glocken der Freiheit), eine Protesthymne aus dem Jahr 1964, die laut Springsteen "eines der größten, jemals geschriebenen Lieder über Freiheit" ist.

Darin heißt es: For the countless confused, accused, misused, strung-out ones and worse - Für die zahllosen Verwirrten, Beschuldigten, Missbrauchten, Ausgebrannten und noch Schlimmeres. Es sind zwar nicht Springsteens Worte, aber sie treffen doch den Kern der Botschaft, für die dieser Abend auch in Erinnerung bleiben wird: Come on, rise up! Erhebt euch!

Weitere Informationen

Setlist: Bruce Springsteen & The E Street Band in Frankfurt

  • No Surrender
  • Land Of Hope And Dreams
  • Death To My Hometown
  • Lonesome Day
  • My Love Will Not Let You Down
  • Rainmaker
  • Atlantic City
  • Trapped
  • The Promised Land
  • Hungry Heart
  • The River
  • Youngstown
  • Murder Inc.
  • Long Walk Home
  • House Of A Thousand Guitars
  • City Of Ruins
  • Because The Night
  • Wreckin' Ball
  • The Rising
  • Badlands
  • Thunder Road
  • Born In The U.S.A
  • Born To Run
  • Bobby Jean
  • Dancing In The Dark
  • Tenth Avenue Freeze-Out
  • Twist And Shout
  • Chimes Of Freedom
Ende der weiteren Informationen
Sendung: hr1,

Quelle: hessenschau.de