Brüder Grimm Festspiele in Hanau "Rapunzel" feiert Premiere mit Häkelzopf
Ein sechs Meter langer Zopf aus 1.000 Metern Häkelgarn ist das prominenteste Requisit im Hanauer Amphiteater. Doch er ist nicht die einzige Besonderheit in dem Familienstück "Rapunzel". Ein Probenbericht.
"Rapunzel, lass dein Haar herunter!", hallt es durchs Hanauer Amphitheater. Als die Zauberin die lang erwarteten Worte ruft, ist die Anspannung im Zuschauerraum zu spüren. Aus dem Fenster des haushohen Turms blickt Rapunzel und wartet darauf, ihren Zopf herabzulassen.
Auf einem der Zuschauerplätze der ersten großen Probe sitzt Marion Glatzel-Reuss. Sie ist eine der 50 Freiwilligen, die in den vergangenen Monaten geholfen haben, eben jenen Zopf zu häkeln.
Hilfsaktion "Ein Zopf für Hanau" gestartet
Die Maskenabteilung hatte die Befürchtung, den sechs Meter langen Kunstzopf nicht rechtzeitig gehäkelt zu bekommen, ohne die anderen vier Inszenierungen zu vernachlässigen. Deshalb starteten die Brüder-Grimm-Festspiele Anfang April die Aktion "Ein Zopf für Hanau", um Handarbeitsbegeisterte um Unterstützung zu bitten.
Der Hilferuf aus Hanau stieß auf große Resonanz. Mehr als 1.200 Menschen aus dem ganzen Land meldeten sich bei den Festspielen, die daraufhin 50 Teilnehmerinnen und einen Teilnehmer auslosten.
"Als ich das im Internet gelesen hatte, war mein erster Gedanke: Da möchte ich mitmachen!", erinnert sich Marion Glatzel-Reuss aus Rodenbach (Main-Kinzig). Zu ihrer großen Freude wurde die Hessin ausgelost und häkelte Anfang Mai auf der heimischen Couch an mehreren Abenden einen sechs Meter langen Zopf aus braunem Garn.
Über 1.000 Meter Garn verarbeitet
Wiebke Wenzel, Maskenbildnerin der Festspiele, setzte diesen und 60 weitere Wollstränge schließlich zu einem sechs Meter langen Zopf zusammen. Für diesen wurden insgesamt mehr als tausend Meter Garn verhäkelt. "Das war die Hauptaufgabe, die uns die Freiwilligen abgenommen haben", sagt sie erleichtert.
In rund 20 Stunden Arbeit hat Wenzel den Zopf dann mit bunten Blüten verziert, die von weiteren Freiwilligen gehäkelten worden waren und per Post nach Hanau geschickt wurden.
Nachdem Regisseurin Adisat Semenitsch von der außergewöhnlichen Hilfsaktion erfuhr, baute sie das Häkeln kurzerhand ins Stück ein. "Das ist etwas Persönliches, was uns mit den Zuschauern verbindet", betont sie. So häkeln Rapunzel und der Prinz in mehreren Szenen um die Wette, um Rapunzels Turmzimmer mit bunten Häkelblumen zu verschönern.
Häkel-Härtetest bestanden
Dann kommt endlich der Höhepunkt der Häkelaktion - und zugleich der Härtetest: Rapunzel lässt ihren sechs Meter langen Zopf hinab in die Tiefe. Sowohl die Zauberin, als auch in einer späteren Szene der Prinz packen das künstliche Haarteil wie ein Kletterseil und krabbeln den Turm hinauf.
"Ganz toll und faszinierend", staunt währenddessen Marion Glatzel-Reuss im Zuschauerraum. "Toll, ein Teil dieser Aufführung zu sein – wenn auch nur ein kleiner, ein paar Meter langer", sagt sie stolz.
Der gemeinschaftlich gehäkelte Zopf von Rapunzel hat seinen Härtetest bestanden, das hat diese Hauptprobe gezeigt. In insgesamt 18 Vorstellungen muss er nun seine Spannkraft beweisen.