Heimlich gefilmt, öffentliche Diagnosen Arztpraxen verstoßen gegen Datenschutz
Beim hessischen Datenschutzbeauftragten sind im vergangenen Jahr so viele Beschwerden wie noch nie eingegangen. Über eine halbe Million Euro an Bußgeldern wurde verhängt. Ins Visier gerieten gleich mehrere Arztpraxen.
Der hessische Datenschutzbeauftragte Alexander Roßnagel hatte im vergangenen Jahr alle Hände voll zu tun. 2.141 Meldungen von Datenschutzverletzungen bedeuteten einen neuen Höchststand, wie Roßnagel am Dienstag in seinem Jahresbericht mitteilte. Im Vergleich zum Vorjahr legte die Zahl der Beschwerden damit um elf Prozent zu.
Inklusive Nachfragen, Beratungen und Unterstützung von Verantwortlichen stieg das Aufkommen im Jahr 2024 um zehn Prozent auf 7.892 bearbeitete Vorgänge.
Videokamera in einer Wanduhr
Die meisten Verstöße fänden aus Unkenntnis statt, erklärte Roßnagel. "Wenn wir aufzeigen, wie eine datenschutzgerechte Datenverarbeitung möglich ist, wird dies überwiegend unmittelbar umgesetzt", führte er weiter aus. Ohnehin sei es meist nur um kleinere Fälle gegangen, die schnell geklärt werden konnten.
Zu größeren Verstößen kam es laut Roßnagel vor allem in Arztpraxen. So hätten Praxen etwa als Reaktion auf negative Online-Rezensionen Klarnamen von Patienten veröffentlicht sowie Diagnosen und Befunde ins Internet gestellt. In einer anderen Praxis wurde der Empfangsbereich heimlich mit einer Videokamera in einer Wanduhr überwacht.
Roßnagel berichtete weiter von einem Praxismanager, der Patientenakten mit nach Hause genommen und dort bei einer Feier für andere Partygäste einsehbar aufbewahrt habe. Zudem habe der Mann Fotos der Akten per WhatsApp mit seiner Lebensgefährtin ausgetauscht.
Verwarnungen, Anweisungen und Geldstrafen
In derartigen Fällen gab es 2024 laut dem Datenschutzbeauftragten 55 Verwarnungen, 13 Anweisungen und 47 Geldstrafen. 545.000 Euro wurden verhängt. "Wir gehen jeder Beschwerde nach und stellen festgestellte Verstöße ab", bekräftigte Roßnagel.
Wie es mit der Datenaufsicht weitergeht, ist derweil unklar. Die neue Bundesregierung plant, die Datenschutzaufsicht zu reformieren und sie bei der Bundesdatenschutzbeauftragten zu bündeln. So steht es zumindest im Koalitionsvertrag von CDU und SPD.
Roßnagel: Zentralisierung bringt Nachteile
Roßnagel kritisierte dies. Betroffene hätten in diesem Fall Nachteile, die Anlaufstellen wären schwerer zu erreichen - sie lägen statt in Wiesbaden dann etwa in Köln. Außerdem haben allein in Hessen vergangenes Jahr mehr Beratungen stattgefunden als in der Bundesbehörde, wo es nur etwa 150 gewesen seien.
Weiter sagte Roßnagel, es müssten beim Bund 400 bis 500 zusätzliche Stellen geschaffen werden, damit dieser die bisherige Arbeit der Landesdatenschutzbeauftragten übernehmen könnte. Derzeit gebe es rund 400 Stellen, aber nur circa 300 Beschäftigte bei der Bundesdatenschutzbeauftragten. Dies wäre Roßnagel zufolge kein Schritt in Richtung Entbürokratisierung.
Vorschlag: Bundesdatenschutzbeauftrage soll koordinieren
Der bessere Weg wäre es, wenn die Bundesdatenschutzbeauftragte stattdessen eine Koordinationsaufgabe übernähme. Denn wenn die gesamte Wirtschaft sich an sie wenden würde, wären das nach Schätzungen des Juraprofessors 70.000 Beschwerden jährlich, die derzeit auf die 16 Bundesländer aufgeteilt seien.
Datenschutzanliegen seien hochindividuell und daher sehr aufwendig zu bearbeiten. Schon jetzt gebe es in allen Bundesländern darum eine hohe Überlast an Beschwerden.