Kayvan Soufi-Siavash auf einer Demonstration im Jahr 2014 - damals nannte er sich noch Ken Jebsen

Der Verschwörungsideologe Ken Jebsen tourt durchs Land: Am Mittwoch hat er in den Räumen des katholischen Kolpingwerks in Bensheim einen Vortrag gehalten. Dessen Vorstand wollte nicht "zensieren" - distanzierte sich dann aber.

Videobeitrag

Video

Verschwörungsideologe Ken Jebsen tritt in Bensheim auf

Reporter bei Demonstranten
Ende des Videobeitrags

Ken Jebsen hat seinen Künstlernamen abgelegt und nutzt jetzt wieder seinen bürgerlichen Namen Kayvan Soufi-Siavash. Auch sonst sei manches neu, behauptet einer der prominentesten Verschwörungsideologen Deutschlands: Er habe sich "transformiert", macht Videos unter Titeln wie "Kayvan, zurück als er selbst" und will sich statt angeblich "ausgewogenem Journalismus" künftig mehr der "Motivation" und zwischenmenschlichen Themen widmen.

Das scheint nicht mehr als die Strategie vom alten Wein in neuen Schläuchen zu sein: Soufi-Siavash tourt mit einem Vortrag durch Deutschland, in dem er über "Propaganda" und "Erpressung" aufklären will. Am Mittwoch ist er in Bensheim (Bergstraße) aufgetreten.

Distanzierung - aber keine Absage

Soufi-Siavashs Vortrag fand statt in den Räumen des katholischen Kolpingwerks, ein Sozialverband, der nach eigenen Angaben solidarisches Handeln fördern will. Am Dienstag hatte der Vorstand des Bensheimer Kolpingwerks, Josef Rösch, dem hr noch mitgeteilt, er sei für die Meinungsfreiheit und wolle niemanden "zensieren", solange es keine Saalschlachten gebe oder Waffen eingesetzt werden.

Am Mittwoch kam dann eine weitere Stellungnahme, in der sich die Kolpingsfamilie Bensheim von den Inhalten der Veranstaltung doch noch distanzierte: "Unser ehrenamtliches Engagement fußt auf Toleranz, solidarisches Miteinander und Förderung der Gemeinschaft", heißt es darin. Man sei sich der "Dimension der Inhalte" nicht bewusst gewesen, die durch Soufi-Siavash bei der Veranstaltung vermittelt würden.

Vorstandsmitglied Ruth Hille erklärte am Mittwochabend in der hessenschau, Rösch habe die Vermietung im Alleingang vorgenommen. Die übrigen Vorstandsmitglieder hätten erst aus der Presse davon erfahren.

Sie sei deshalb von ihren Ämtern zurückgetreten, so Hille. "Für mich hat es Grenzen, wenn es um Meinungsfreiheit und Demokratie geht. In unseren Räumlichkeiten ist nicht alles möglich, ich stehe da nicht hinter der Meinung unseres Vorsitzenden."

Einnahmen sollen gespendet werden

Vorstand Rösch argumentierte mit dem rechtskräftigen Mietvertrag und teilte mit, die Einnahmen der Veranstaltung von 350 auf 500 Euro aufzustocken und einem sozialen Zweck zukommen zu lassen, der sich für demokratische Bildung einsetze. Zukünftig würden Mietanfragen sensibel geprüft.

Am Dienstag hatte Rösch noch auf die Frage, ob zur Meinungsfreiheit auch antisemitische Verschwörungstheorien zähle, geantwortet, Antisemitismus gebe es schon seit 200 Jahren, und wenn jemand etwas dagegen habe, könne er am Mittwoch zur Veranstaltung kommen und etwas dagegen sagen.

Ausverkaufter Saal - 170 Gegendemonstranten

Soufi-Siavashs Vortrag am Mittwoch war im Adolph-Kolping-Saal des Kolpinghauses angesetzt, dort finden mehr als 250 Zuhörer Platz. Die Tickets waren auf der Buchungsseite "Krasser Guru" ausverkauft, der Ticketpreis lag bei 27 Euro - dazu gab es eine "Tagesfördermitgliedschaft" in einem Verein von Soufi-Siavash. Rund 170 Gegner von Soufi-Siavash demonstrierten vor der Veranstaltung vor dem Kolpinghaus.

Gegner von Ken Jebsen demonstrieren vor dem Kolpinghaus in Bensheim

Soufi-Siavash ist als RBB-Radiomoderator unter dem Namen Ken Jebsen bekannt geworden und hatte seine eigene Sendung, KenFM. 2011 wurde er entlassen und bewegte sich seitdem immer stärker in verschwörungsideologischen Zirkeln.

Weil er Falschinformationen zur Corona-Pandemie verbreitete, sperrte Youtube seinen Kanal im Herbst 2020. Im Jahr 2021 wurde der Kanal KenFM vom Berliner Verfassungsschutz als Verdachtsfall eingestuft.

Mit dem Auftritt von Soufi-Siavash ist Bensheim zum zweiten Mal in nur wenigen Monaten Veranstaltungsort eines prominenten Verschwörungsideologen. Doch anders als Anfang des Jahres, als der umstrittene Historiker Daniele Ganser mehrfach im Bürgerhaus auftrat, hatte die Stadt nach hr-Informationen diesmal einen Riegel vorgeschoben und dafür gesorgt, dass Soudi-Siavash keinen Mietvertrag fürs Bürgerhaus bekam.

Mieterin von der Partei "Die Basis"

Um eine Anmietung der Räume in Bensheim für den Vortrag von Soufi-Siavash hat sich Vesna Ludwig gekümmert, sie ist im Vorstand der Partei "Die Basis" im Kreisverband Bergstraße. Die Partei steht der Querdenkerbewegung nahe.

Ludwig bestätigt dem hr auf Anfrage, dass sie sich um die Anmietung der Räumlichkeiten in Bensheim gekümmert hat. Sie bestätigte, dass am kommenden Freitag auch "Die Basis" das Kolpinghaus für eine Parteiveranstaltung gemietet habe.

Kolping Diözesenverband Mainz reagiert entrüstet

Am Dienstagnachmittag hatte es Kritik an der Vermietung des Kolpingsaals in Bensheim gegeben. Der Diözesanverband Mainz auf den hr-Bericht über die Veranstaltung in Bensheim: Mit Erschrecken habe man vom Auftritt von Soufi-Siavash erfahren, schreibt der Vorsitzende des Verbandes Thomas Isser.

Audiobeitrag

Audio

Ken Jebsen hält Vortrag in Räumen des Kolpingwerks

Ken Jebsen spricht auf einer Bühne in ein Mikrofon
Ende des Audiobeitrags

"Wir lehnen diese Vermietung an einen deutschlandweit bekannten Antisemiten und Corona-Leugner vehement ab", heißt es in der Stellungnahme. Der Namensgeber Adolph Kolping stehe für einen respektvollen Umgang, in dem weder Religion noch sexuelle Orientierung oder die Nationalität eine Rolle spiele.

In der Kolpingsfamilie könne aber jeder Diözesanverband seine Räume selbstständig vermieten, daher habe der Verband Mainz keine Handhabe im Fall von Bensheim.

Isser kritisiert auch die Vermietung an die Partei "Die Basis" und appelliert an die Verantwortlichen, "sich des Ausmaßes der Vermietung für den gesamten Verband bewusst zu sein". Er betont, "antisemitisches Gedankengut hat und wird niemals innerhalb des Kolpingwerks seinen Platz finden".

Karriere in der Verschwörungsszene

Was Soufi-Siavash alias Ken Jebsen in den vergangenen Jahren verbreitet, sei eindeutig demokratiegefährdend, heißt es von der Regionalstelle Süd des Beratungsnetzwerks Hessen für Demokratie und gegen Rechtsextremismus.

"Er vertritt antisemitische, transfeindliche und verschwörungsideologische Positionen", und das seit mehr als zehn Jahren, heißt es vom Beratungsnetzwerk. Er sei außerdem eine prominente Figur bei den Protesten gegen die Corona-Maßnahmen gewesen und habe dort Verschwörungsideologien zu Bill Gates und klassische antisemitische Ideen verbreitet.

Kritik an Kolpingwerk

Dass Soufi-Siavash jetzt in den Räumen des Kolpingwerks reden könne, das sich einem humanistischen Weltbild verpflichtet sieht, sei problematisch. Man erhoffe sich von Häusern und Trägern, dass sie sich auch bei Vermietungen deutlich gegen Demokratiefeinde und Verschwörungsideologen positionieren, sagt das Beratungsnetzwerk dem hr.

Allerdings gäbe es in letzter Zeit immer wieder die Schwierigkeit, dass Räumlichkeiten von öffentlichen Trägern an Personen aus der Szene vermietet würden.

Oft sei Unwissenheit der Vermieter ein Grund dafür, die Räume würden meist durch Dritte angemietet: "Entweder sind diese vor Ort bekannt und gelten dadurch als vertrauenswürdig oder sind Teil von Organisationen oder Parteien, die Anrecht auf öffentliche Räumlichkeiten haben."

Weitere Informationen

Kayvan Soufi-Siavash alias Ken Jebsen

Kayvan Soufi-Siavashs Karriere startete als Radiomoderator und Journalist, bekannt wurde er beim RBB mit der Sendung KenFM, wo ihm nach Antisemitismusvorwürfen gekündigt wurde. Soufi-Siavash, der sich damals Ken Jebsen nannte, wurde daraufhin mit seinen Verschwörungsideologien zum erfolgreichen Youtuber. Er bediente dabei klassische Narrative der Szene zum Terroranschlag am 11.September, zu Israel und zum Finanzmarkt. Während der Corona-Pandemie sprach er bei Querdenker-Demonstrationen und hetzte unter anderem gegen Bill Gates, der unter Querdenkern zum Symbol einer angeblichen Corona-Verschwörung geworden war. Nach eigenen Angaben ist Soufi-Siavashs Vater aus dem Iran.

Im ARD-Podcast "Cui Bono: WTF happened to Ken Jebsen?" wird die Geschichte erzählt, wie Soufi-Siavash zum wohl einflussreichsten Verschwörungsideologen Deutschlands wurde.

Ende der weiteren Informationen
Weitere Informationen Ende der weiteren Informationen