Vielen Frankfurtern flatterte Anfang Januar ein Brief von der Stadt ins Haus: Sie müssten ihre Vorgärten entsiegeln oder umbauen. Startschuss eines Streits - wegen einer Vorgartensatzung aus dem Jahr 1977.

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Ärger um Frankfurter Vorgartensatzung

Boykin Reynolds steht in seinem zugepflasterten Vorgarten in Frankfurt
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Boykin Reynolds läuft durch seinen Vorgarten im Frankfurter Stadtteil Sachsenhausen. Ein Großteil des Vorgartens besteht aus Büschen, die gerade die ersten grünen Blätter bekommen, und einem akkurat gepflegten Rasen. Daneben: eine Einfahrt aus quadratischen Steinplatten.

20 Quadratmeter, die heute Probleme machen

2007 hatte Reynolds diese Einfahrt um 20 Quadratmeter erweitert - damit neben dem Auto seiner Nachbarin auch seines Platz hat. "Ich sehe ein, dass ich hier nicht alles machen kann, nur weil es mein Besitz ist. Aber das waren nur minimale Veränderungen. Ich finde es irgendwie unverständlich, dass das nach so vielen Jahren auf einmal so kritisch betrachtet wird."

Die Stadt Frankfurt hat dem 75-Jährigen Anfang Januar einen Brief geschickt, so wie vielen anderen Hausbesitzern auch. Darin stand, sie müssten ihre Vorgärten entsiegeln oder umbauen, da sie gegen geltendes Recht verstießen. Der Streifen, den Reynolds damals seitlich an die Einfahrt gepflastert hat, müsse weg, so die Forderung.

Die Stadt beruft sich dabei auf die Vorgartensatzung aus dem Jahr 1977. Wenn der Aufforderungen nicht nachgekommen werde, könne die Bauaufsicht ein Verwaltungsverfahren einleiten, um die Vorgärteneigentümer zur Entsiegelung zu zwingen.

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Wozu eine Vorgartensatzung?

In der Frankfurter Vorgartensatzung ist geregelt, was als Vorgarten gilt und wie Eigentümerinnen und Eigentümer diesen nutzen dürfen. Es ist vorgeschrieben, dass Vorgärten abgesehen von Zugängen und Zufahrten gärtnerisch anzulegen und zu unterhalten sind. Stellplätze, Arbeits- oder Lagerflächen sind nur in Ausnahmen erlaubt.

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Mehrere Vorgartenbesitzer betroffen

Wie Reynolds geht es vielen Frankfurtern, viele melden sich bei Haus und Grund, einem Verband, der Hausbesitzer berät. Der Vorsitzende Gregor Weil berichtet von "noch skurrileren Fällen", in denen die Hausbesitzer noch nicht einmal für die versiegelte Fläche verantwortlich seien. "Teilweise haben sie das Haus geerbt, oder sie haben das Haus vor 30 Jahren gekauft und die Fläche war damals schon versiegelt."

In anderen Fällen gehe es um falsch abgestellte Mülltonnen, oder um Fahrradhäuschen, die im Vorgarten gebaut wurden. Wenn die aktuellen Vorgartenbesitzer diese unwissend übernommen haben, haben sie laut Weil möglicherweise Anspruch auf eine rückwirkende Kaufpreisminderung. Ansonsten versuche er, zwischen Stadt und Hausbesitzern zu vermitteln.

Stadt: "Entsiegelung und Begrünung"

Weil hält die Forderungen der Stadt an die Vorgartenbesitzer für nicht angemessen und nicht zeitgemäß. Die Stadt Frankfurt selbst entgegnet auf den Vorwurf: "Die Regelungen (aus dem Jahr 1977, Anmerkung der Redaktion) wurden nicht überarbeitet, aber die Rahmenbedingungen werden in jedem Einzelfall geprüft und berücksichtigt, zum Beispiel im Hinblick auf die gestiegene Anzahl der erforderlichen Mülltonnen."

Zudem sei es so, dass die Regelungen von damals - mehr Grün, weniger Beton - auch heute noch gut passten. "Angesichts der Anpassung an den Klimawandel wird bei allen städtischen Planungen für die öffentlichen Räume und Plätze ein besonderes Augenmerk auf Möglichkeiten der Entsiegelung und Begrünung gelegt", teilt die Stadt in einer Stellungnahme mit.

Boykin Reynolds steht in seiner Auffahrt auf dem Teil, der entsiegelt werden muss

Weil fordert Überarbeitung

Diese Ziele unterstützt Gregor Weil von Haus und Grund, und dennoch findet er, dass die Vorgartensatzung überarbeitet werden müsse. "Hinsichtlich Wärmepumpen, Fahrradstellplätzen und auch Kfz-Stellplätzen. Wir wollen die E-Mobilität fördern, die Autos müssen irgendwo stehen."

Auch Boykin Reynolds würde gerne sein Auto weiterhin vor seinem Haus abstellen können - das wird dann vielleicht aber eher auf einem Rasen stehen.

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