Sternenkind und Regenbogenbaby Wie eine Familie mit der Trauer um ein Kind lebt
Angelina und Adrian Burghardt mussten den Tod ihres neugeborenen Sohnes verarbeiten. Ein Jahr später bekommen sie erneut ein Kind – und lernen, mit ihrer Trauer zu leben.
Der kleine Leonard aus Bad Vilbel ist drei Monate alt und ein sogenanntes Regenbogenbaby. So nennt man Kinder, die Eltern bekommen, nachdem sie bereits ein Kind verloren haben - entweder im Laufe der Schwangerschaft, während der Geburt oder kurz danach.
Der Regenbogen als Symbol für die Verbindung zwischen Erde und Himmel, oder aber als Symbol für Ruhe nach einer turbulenten Zeit, einem Sturm.
Diesen Sturm haben Leonards Eltern Angelina und Adrian Burghardt vor fast zwei Jahren erlebt, als ihr Sohn Ludwig nur sechs Stunden nach seiner Geburt starb. Ludwig wird für immer Leonards großer Bruder sein – auch wenn er nie so groß werden konnte wie sein kleiner Bruder jetzt schon ist.
Ludwig, das Sternenkind
Im Herbst 2022 haben Angelina und Adrian Burghardt aus Bad Vilbel geheiratet. In die Ehe bringt Angelina aus einer früheren Beziehung ihre Tochter Loreley mit, für die Adrian schnell zur festen Vaterfigur wird. Um das Familienglück zu vervollständigen, wünschen sie sich ein weiteres Kind. Angelina wird schnell schwanger.
Zunächst verläuft die Schwangerschaft unauffällig, doch in der 36. Woche erleidet Angelina einen vorzeitigen Blasensprung. Im Krankenhaus wird Sohn Ludwig per Kaiserschnitt geboren – mit schweren Komplikationen. Wegen Sauerstoffmangels hat Ludwig einen Hirnschaden erlitten.
Am 12. August 2023 stirbt Ludwig nur sechs Stunden nach der Geburt im Arm seiner Eltern. "Ich hab nie seine Augen wirklich gesehen, wie sie geöffnet waren", erinnert sich Mutter Angelina Burghardt.
Neue Hoffnung nach dem Verlust
Trotz des traumatischen Erlebnisses entscheiden sich die Burghardts, an ihrem Kinderwunsch festzuhalten. So schlimm der Verlust für sie ist, Angelina möchte sich von diesem Ereignis nicht definieren lassen. Sie möchte das Klischee der gebrochenen Frau nicht erfüllen.
"Im Grunde ist es immer eine Entscheidung. Ich kann jetzt entscheiden, dass das Ereignis mein Leben kaputt macht oder ich kann entscheiden, ob das Ereignis mein Leben wertvoller macht", sagt Angelina Burghardt.
In den folgenden Monaten stellt sie ihr Leben neu auf: Sie beginnt ein Masterstudium, gründet ein Unternehmen und schreibt einen Ratgeber für andere betroffene Sternenkind-Eltern, um ihre Erfahrungen weiterzugeben. Sie wird nochmal schwanger und erleidet eine Fehlgeburt, aber der Kinderwunsch bleibt.
Schwanger nach dem Trauma
Im Mai 2024 wird sie dann wieder schwanger, neun Monate nach Ludwigs Tod. Trotz der Freude überschattet auch Unsicherheit diese Zeit. "Das war quasi ein Hoffen von Woche zu Woche", sagt sie, wenn sie an die emotional belastende Zeit zurückdenkt.
Sie habe nur von einer Untersuchung zur nächsten denken können, so Burghardt. Unterstützt wird sie in dieser Zeit unter anderem von ihrer Hebamme Gisela Schneider.
Die Sorgen der werdenden Mutter kann die Hebamme in der Zeit sehr gut verstehen: "Das war ja auch ein Trauma. Und es ist normal, weil man bei einer neuen Schwangerschaft ein Stück weit in dieses Trauma zurück muss", so Schneider. Ihre Aufgabe sei es, ihre Patientinnen da durch zu begleiten.
Schneider setzt dabei auf die sogenannte Bindungsanalyse – eine Methode, die Schwangere dabei unterstützen soll, bereits im Mutterleib eine emotionale Verbindung zum Kind aufzubauen.
In begleiteten Entspannungssitzungen soll die werdende Mutter innerlich in Kontakt mit dem Baby treten, um trotz schwieriger Erfahrungen Vertrauen und Nähe zuzulassen. Angelina Burghardt sagt, ihr haben die Sitzungen geholfen, positiver an diese neue Schwangerschaft heranzugehen.
Wenn Väter in der Trauer unsichtbar bleiben
Ihr Mann Adrian sei immer am meisten für sie da gewesen, so Burghardt. Während das soziale Umfeld der beiden stets bemüht gewesen sei, Angelina Burghardt zu unterstützen, fühlte sich ihr Mann in seiner Trauer oft übersehen. "Die Rolle des verwaisten Vaters ist nicht da. Sie ist nicht definiert", sagt er rückblickend.
Er wäre natürlich sehr gerne auch mal gefragt worden, wie es ihm geht, aber das sei nicht passiert. Dabei sei auch für ihn der Verlust von Ludwig ein prägendes Erlebnis gewesen. Verarbeitet habe er den Tod nicht, sagt Adrian Burghardt.
Er spricht davon, ihn integriert zu haben - in seinen Alltag und sein Leben. "Er ist ja trotzdem mein Sohn und und das soll gar nicht verarbeitet werden. Ich würde mir manchmal sogar wünschen, ich denk noch öfter an ihn, noch öfter als täglich", so Burghardt.
Die Sorgen und Unsicherheiten seiner Frau in ihrer Schwangerschaft konnte er nachvollziehen. Manchmal habe sie ihn nachts geweckt und wollte reden, manchmal nur in den Arm genommen werden.
Ein Baby bringt neues Glück
Am 21. Januar 2025 kommt schließlich Sohn Leonard zur Welt – gesund, per geplantem Kaiserschnitt. "Das war einfach ein ganz normaler, langweiliger, geplanter Kaiserschnitt. Es ist alles so gelaufen wie aus dem Lehrbuch", freut sich Angelina Burghardt. Mit Leonard in ihrem Leben fühlt sich die Familie vollständig an.
Auch Ludwig bleibt Teil ihres Lebens und der Familie. Im August würde er zwei Jahre alt werden. Die Erinnerung an ihn ist Teil des Alltags – auch für die sechsjährige Schwester Loreley, die häufig nach ihrem kleinen Bruder fragt. Angelina und Adrian Burghardt haben gelernt, mit dem Verlust umzugehen.
Trotz allem: Adrian Burghardt würde sein Leben nicht anders haben wollen als so, wie es jetzt ist. "Natürlich ist der Tod von Ludwig da auch ein Baustein, auch wenn's ein ganz furchtbares Ereignis ist." Eintauschen würde er seine Söhne nicht gegeneinander.
"Die Dinge sind einfach so, wie sie eben sind. Und wenn's jetzt ne Pille gäbe, die Zeit zurückzudrehen – ich würd sie nicht nehmen. Weil es ist ja gut so, wie es heute ist", so Burghardt.