Heimliche Vorführung von "Republika Srpska" in Frankfurt Ein Feel-Good-Movie für serbische Nationalisten

Gegen den neuesten Film des serbischen Regisseurs Boris Malagurski regt sich europaweit Widerstand. Der Vorwurf: nationalistische Propaganda und Völkermord-Leugnung. Viele Kinos haben geplante Vorführungen abgesagt. In Frankfurt war der Film jetzt dennoch zu sehen.

In einem großen abgedunkelten Raum wird ein Filmausschnitt auf eine Leinwand projiziert. Zu sehen ist ein Mann mit einem weißen Hemd im Vordergrund. Im Hintergrund eine orthodoxe Kapelle. Neben ihm weht eine rot-blau-weiße Fahne.
Statt im Cinemaxx in Offenbach wurde der Film nun in einem Hotel in Frankfurt aufgeführt. Bild © hr/Danijel Majic

Seinem Publikum begegnet Boris Malagurski mit einem steten Lächeln. Selbst wenn er eher beunruhigende Neuigkeiten hat. "Vor einer halben Stunde war die Polizei hier", erläutert der serbisch-kanadische Regisseur den rund 100 Besucherinnen und Besuchern im Kolping-Saal des Frankfurter Mainhaus-Hotels. "Einen Moment lang sah es wirklich so aus, als würde es heute keine Vorführung geben." Der Grund sei ein anonymer Anruf gewesen: "Angeblich sollte hier ein verbotener Film gezeigt werden."

Im Publikum werden ungläubig die Köpfe geschüttelt, vereinzelt lachen Menschen auf. Jeder im Raum weiß, dass der Film, der an diesem Montagabend gezeigt werden soll, nicht verboten ist - aber hochgradig umstritten. Der 34-jährige Regisseur Malagurski lässt sein Publikum nur kurz im Ungewissen: "Wir haben ihnen dann die Hintergründe erläutert. Jetzt stehen wir quasi unter dem Schutz der Polizei", verkündet er schmunzelnd.

Kinos sagten Vorführungen ab

Über den Hintergrund sind die Zuschauerinnen und Zuschauer im Bilde. Andernfalls säßen sie nicht hier. Ursprünglich sollte Malagurskis neuester Film "Republika Srpska - Kampf für die Freiheit" nämlich tatsächlich im Kino laufen. Eine für den 22. Oktober geplante Aufführung im Cinemaxx in Offenbach wurde jedoch ebenso abgesagt wie weitere geplante Termine in Stuttgart, Düsseldorf, Dortmund sowie in zahlreichen Städte in der Schweiz und Österreich.

Dass die Kinos reihenweise Rückzieher machen, ist auf eine Boykott-Kampagne vorwiegend junger bosnischer Aktivisten zurückzuführen. Darin wird Malagurski vorgeworfen, in seinem bisherigen Werk serbisch-nationalistische Propaganda zu verbreiten und vor allem Kriegsverbrechen - allen voran den Völkermord in Srebrenica - zu verharmlosen.

Schon der Titel des Films stellt aus Sicht der Aktivistinnen und Aktivisten eine Provokation da. "Republika Srpska" bezeichnet jenen bosnischen Landesteil, der inzwischen fast ausschließlich von Serben bewohnt wird, nachdem im Krieg der 1990er Jahre die nicht-serbische Bevölkerung systematisch vertrieben wurde.

"Nun will der Film dieses Gebilde als Resultat eines Kampfes für die Freiheit darstellen", sagt Selma Jahić, Überlebende des Völkermords von Srebrenica und Mitinitiatorin des Boykottaufrufs, "dabei hat vieles, was zu ihrer Entstehung beigetragen hat, auf Völkermord, Vertreibung und Vergewaltigung basiert."

Regisseur Boris Malagurski in Frankfur bei der Vorführung des Films "Republika Srpska"
Gut 100 Zuschauerinnen und Zuschauer hieß Boris Malagurski in Frankfurt willkommen. Bild © hr/Danijel Majic

Kritiker bekamen den Film nicht zu sehen

"Wie will man denn einen Film kritisieren, den man gar nicht gesehen hat?", fragt Malagurski, der früher für die russischen Staatsmedien RT und Sputnik arbeitete. Er betont, dass er Kritikerinnen und Kritiker dazu aufgerufen habe, seine Filmvorführungen zu besuchen, um sich ein eigenes Bild zu machen. Er verstecke sich nicht. "Journalisten etwa, die sich für den Film wirklich interessieren, können ihn sehen. Doch mir scheint, die meisten Journalisten wollen sich nicht in das Thema vertiefen."

Tatsächlich beziehen sich die Aufrufe zum Boykott auf einem im Juli veröffentlichten Trailer und vor allem auf Malagurskis bisheriges Schaffen. In einem seiner früheren Filme etwa behauptete er, dass es Quellen gäbe, wonach im ostbosnischen Srebrenica - wo nach dem Fall der Stadt im Sommer 1995 mehr als 8.000 unbewaffnete Bosniaken von der Armee der Republika Srpska massakriert wurden - nicht mehr Bosniaken als Serben umgekommen seien. Eine längst widerlegte Falschbehauptung, die Malagurskis Film unwidersprochen stehen lässt.

"Wer seine alten Werke und seine Interviews kennt, braucht nicht mal eins und eins zusammenzuzählen, um zu wissen, worum es in diesem Film geht", sagt Selma Jahić.

Nationalistisches Märchen

Wer sich ein eigenes Bild machen möchte, muss zu einer der regulären Vorführungen. Diese finden mittlerweile in deutlich kleineren Räumlichkeiten statt. Den genauen Ort erfahren die Inhaber eines vorab erworbenen Tickets erst einige Stunden vor Veranstaltungsbeginn.

In Frankfurt haben am Montagabend rund 100 Menschen den Weg ins Mainhaus-Hotel gefunden, das üblicherweise Konferenzen beherbergt. Malagurski präsentiert sich vor der Filmvorführung als leicht pausbäckiger Sunnyboy, der im karierten Sakko ein wenig an einen Entertainer aus einer 1950er-Jahre-Fernsehshow erinnert. Er bedankt sich bei den Anwesenden für ihren Besuch sowie beim Serbischen Kulturzentrum Offenbach für die Unterstützung. Der Verein wird später auf hr-Anfrage allerdings erklären, mit der Organisation des Abends nichts zu tun gehabt zu haben.

"Dies ist eine Möglichkeit, unsere Geschichte zu erzählen", eröffnet der Regisseur die Vorführung. Was folgt, ist tatsächlich eine Geschichte - im Sinne eines nationalistischen Märchens.

Landschaften, Pathos, Geschichtsmythen

Ästhetisch erinnert "Republika Srpska" an einen Reisefilm. Ein Erzähler führt die Zuschauer durch bosnische Städte und Landschaften, die in Weitwinkel- und Drohnenaufnahmen präsentiert werden. Zwischendurch darf der aus Bosnien stammende serbische Regisseur immer wieder vermeintliche Weisheiten wie "Serbe zu sein bedeutet frei zu sein, und das ist, was andere an uns stört".

Landschaft und Pathos sind derweil nur der Hintergrund, vor dem Malagurski seine Version der Geschichte der Serben in Bosnien und Herzegowina ausbreitet. Die Geschichte eines unterdrückten Volkes, dass nur durch militärischen Widerstand und Selbstorganisation seine Existenz und Identität bewahren konnte.

Die serbische Republika Srpska wird darin als Ergebnis dieses Jahrhunderte währenden Abwehrkampfs gegen übermächtige Feinde (Türken, Österreicher, Kroaten, Bosniaken) dargestellt und als Garant für das Überleben der Serben in Bosnien. Um seine bunte Erzählung in Schwarz-Weiß durchhalten zu können bedient sich Malagurski eines Tricks, der sein bisheriges Schaffen kennzeichnet: großflächigen Auslassungen.

Filmvorführung "Republika Srpska" von Boris Malagurski in Frankfurt
Ein Film, der sich viel mit Geschichte befasst, in dem aber kein einziger Historiker zu Wort kommt. Bild © hr/Danijel Majic

Die Verbrechen der anderen

Das Leid, das Serben vor allem im 20. Jahrhundert erfahren mussten, stellt Malagurski ausführlich dar. Unerwähnt bleiben derweil die zahlreichen Verbrechen, die im Namen des Serbentums begangen wurden. Von den Massakern an albanischen Zivilisten im Kosovo nach dessen Einverleibung in das serbische Königreich, über die Verbrechen der serbischen Tschetniks an der muslimischen Bevölkerung Ostbosniens im Zweiten Weltkrieg bis schließlich zur systematischen Vertreibung der nichtserbischen Bevölkerung aus den serbisch besetzten Gebieten Bosniens und Kroatiens in den 1990ern.

"Unser Film will den Fokus nicht auf Verbrechen legen", wird Malagurski später im Gespräch mit dem hr erklären. Es sei jedoch wichtig zu verstehen, dass im Ersten Weltkrieg ein Drittel der serbischen Bevölkerung umgekommen sei. "Serben waren Opfer eines furchtbaren Genozids im Zweiten Weltkrieg. Von den Leiden unter der österreich-ungarischen und osmanischen Besatzung ganz zu schweigen. Ist es denn falsch, wenn wir verlangen, dass unsere Opfer im Kampf gegen Okkupation und Kolonisation berücksichtigt werden?"

Tatsächlich geht es um mehr als Berücksichtigung. Der erzählerische Fokus mag auf etwas anderem liegen, doch der Film befasst sich ausführlich mit Verbrechen - denen der anderen. Bezeichnenderweise kommt in dem Dokumentarfilm, der so viel Wert auf geschichtliche Verortung legt, kein einziger Historiker zu Wort. Malagurski versichert allerdings, das während der Recherche Geschichtswissenschaftler konsultiert worden seien.

Völkermord wird nicht geleugnet

Es liege ihm fern, serbische Verbrechen zu leugnen, betont der Regisseur. Im Gegenteil würden im Film Verbrechen, die von Serben begangen wurden, verurteilt. Tatsächlich muss man feststellen, dass der Film auf den Völkermord von Srebrenica eingeht, diesen sogar als "nicht zu rechtfertigendes Verbrechen" bezeichnet. Eine Leugnung, wie sie Malagurski regelmäßig unterstellt wird, ist das nicht.

Die Gräueltaten serbischer Truppen im Sommer 1995 als das zu benennen, was sie waren, überlässt der Filmemacher indes lieber anderen. Statt seinen Erzähler von einem Genozid sprechen zu lassen, stellt dieser lediglich fest, dass das Massaker von Srebrenica vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag als solcher eingeschätzt wird.

"Das Gericht hat gesprochen und ich übermittle das, ohne es zu leugnen", sagt Malagurski. "Ich bin kein Jurist. Aber ich verstehe diese Unsicherheit nicht, die bestimmte Leute dazu bewegt, in jedem Gespräch über Bosnien immer zu fragen, ob in Srebrenica ein Genozid stattfand. Das ist eine bestimmte Form von Misstrauen, mit der ich mich nicht befassen will."

Das Gesamtbild nicht trüben

Eine Aussage, die typisch ist für Malagurski. Nicht seine Weigerung einen Völkermord als solchen zu benennen - in einem Film der mit klaren Schuldzuweisungen nicht geizt - ist das Problem, sondern die vermeintliche Obsession derer, die nachfragen. "Ich verurteile alle Verbrechen entschieden", sagt Malagurski, "ich kann sogar die Kritik annehmen, dass wir mehr über die Gräueltaten der serbischen Seite hätten sprechen können. Aber von Rechtfertigung oder Verharmlosung kann keine Rede sein."

Wie man Taten verurteilen kann, über die man erst gar nicht spricht, bleibt Malagurskis Geheimnis. Ebenso wie es sich mit der vermeintlichen Verurteilung serbischer Verbrechen in Bosnien verträgt, dass verurteilte Kriegsverbrecher wie Radovan Karadžić lediglich als Kämpfer für die Rechte der bosnischen Serben auftauchen.

Und so ist nur ebenso konsequent wie zynisch, dass große Teil des Films in Višegrad gedreht wurden. Die pittoreske ostbosnische Kleinstadt mit der weltberühmten osmanischen Brücke über den Fluss Drina, dient auffällig oft als Hintergrund für Malagurskis Erzählung. Dass in eben jener Stadt serbische Truppen bereits drei Jahre vor Srebrenica Hunderte von Bosniaken massakrierten, bleibt unerwähnt. Ebenso das in derselben Stadt ein "Vergewaltigungshotel" betrieben wurde, in dem gefangene bosniakische Frauen durch serbische Soldaten über Monate hinweg missbraucht wurden.

Das Publikum ist begeistert

Die Auslassungen sind Teil des Konzepts. "Republika Srpska" ist ein Feel-Good-Movie für serbische Nationalisten, der erst gar nicht versucht, sein Anliegen zu verstecken. Und er verfehlt seine Wirkung nicht. Am Ende der Vorführung in Frankfurt erntet Malagurski minutenlangen Applaus. Bei der anschließenden Diskussion überbieten sich Zuschauerinnen und Zuschauer mit Lobpreisungen. Ein Mann fordert, den Film in Schulen zu zeigen. Eine Frau erklärt, dass sie bei Malagurskis Filmen regelmäßig weinen müsse - vor Rührung.

Malagurski hat seinem Publikum die Geschichte erzählt, die es hören wollte. Geht es nach ihm, wird der Film demnächst in weiteren deutschen Städten zu sehen sein - wenn sich Räumlichkeiten finden.

Weitere Informationen

Sendung: hr-iNFO, 04.11.2022, 12 Uhr

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Quelle: hessenschau.de