U-Ausschuss zur Entlassungsaffäre Mansoori schlug Rheins Warnung in den Wind

Ein Untersuchungsausschuss im Landtag nimmt die Affäre um die Entlassung von Ex-Staatssekretärin Messari-Becker unter die Lupe. CDU-Ministerpräsident Rhein gibt als Zeuge Hinweise, wie sein SPD-Minister Mansoori allen viel Ärger hätte ersparen können.

Boris Rhein sitzt als Untersuchungsausschuss-Zeuge im Plenarsaal des Landtags und lächelt.
"Wünsche ihr alles Gute": Boris Rhein im Untersuchungsausschuss zur Entlassungsaffäre Bild © picture-alliance/dpa

Wie trennt man sich rechtlich sauber, politisch klug und menschlich stilvoll von einer Staatssekretärin, mit der man nicht mehr zusammenarbeiten will? Boris Rhein machte am Freitagnachmittag im Plenarsaal des Landtags deutlich, was er darunter versteht.

"Ich habe Frau Professor Messari-Becker als Fachfrau sehr geschätzt. Ich wünsche Ihr und Ihrer Familie alles Gute", erklärte der CDU-Ministerpräsident. Er fügte hinzu: Wenn das alles mal vorbei sei, würde er ihr das gerne auch in einem persönlichen Gespräch sagen. Dass die Bau-Professorin einen Ruf an die Karlsruhe Universität KIT erhalten habe, freue ihn sehr.

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In die Wissenschaft ist die 53-Jährige soeben zurückgekehrt, weil sie vor knapp einem Jahr vorzeitig als Wirtschafts-Staatssekretärin entlassen wurde. Und Rhein musste im Untersuchungsausschuss antreten, weil sein Vize-Regierungschef Kaweh Mansoori (SPD) bei der Trennung nicht nur seinen Ratschlag in den Wind schlug.

Entwurf löste Alarm aus

Rhein, aber auch Staatskanzleichef Benedikt Kuhn (CDU) und der Leiter des Ministerpräsidentenbüros sagten an diesem Nachmittag übereinstimmend aus: Sie alle warnten Mansoori vergeblich, die Entlassung im Juni 2024 mit einem öffentlich erhobenen Vorwurf zu verbinden. Der Ministerpräsident bestätigte zudem: Auch sein Regierungssprecher empfahl das, nachdem er den Entwurf einer Pressemitteilung Mansooris sah.

Den 36 Jahre alten SPD-Politiker kümmerte das nicht: Als er die Entlassung kundtat, begründete er sie – ohne Details zu nennen – mit einem "nicht hinnehmbaren Fehlverhalten". Erst Wochen später räumte er im Landtag ein: Das hätte er besser bleiben lassen. Weil der SPD-Politiker sich aber nicht entschuldigte, beschloss die Opposition trotzdem eine Untersuchung der Vorgänge.

Schon früh hatte sich in Wiesbaden die Kunde von schweren Spannungen an der Spitze des Wirtschaftsministeriums verbreitet. Auf der einen Seite: Mansoori und sein Erster Staatssekretär Umut Sönmez, zwei Weggefährten aus Jusos-Zeiten. Auf der anderen: die parteilose Wissenschaftlerin.

Vor allem Sönmez sei mit der selbstbewussten Frau über Kreuz gewesen. Messari-Becker ist Mitglied im renommierten internationalen Think-Tank Club of Rome und aus Talkshows bekannte Politikberaterin. Was das Trio vor allem einte: Regierungserfahrung hatte keiner.

Rhein: "Trennung unvermeidlich", aber...

Der Ministerpräsident stellte nun zwar klar: Sei das Vertrauen zwischen einem Minister und einem Staatssekretär zerstört, sei auch eine Trennung "unvermeidlich". Eine Landesregierung müsse dann rasch handeln, weil ein Ministerium sonst nicht mehr effektiv geführt werden könne.

Dann erteilte Rhein seinem Minister, ohne ihn zu nennen, aber noch einmal Nachhilfe in Beamtenrecht: Weil das mit dem Vertrauen so wichtig sei, könne eine politische Beamtin eben ohne Angaben von Gründen in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden.

Auf öffentliche Vorwürfe zu verzichten – das hat Staatskanzleichef Kuhn nach eigenem Bekunden dem Wirtschaftsminister ebenso geraten. Auch Kuhn hatte demnach die Befürchtung, die von Mansoori geplante und dann auch verbreitete Pressemitteilung könne "medial und juristisch" ein Nachspiel haben. So kam es auch.

Der Beamtenrechtler Thorsten Masuch hatte sich als Sachverständiger zum Auftakt der parlamentarischen Aufarbeitung festgelegt: Mit der öffentlichen Beschuldigung habe Mansoori seine Fürsorgepflicht als Dienstherr eindeutig verletzt.

Der Bericht des Anstoßes

Im Kultusministerium lag vergangenen Sommer der Bericht eines Schulleiters vor, der sich von Messari-Becker in einem Elterngespräch über eine Abi-Prüfung ihrer Tochter unter Druck gesetzt fühlte. Mansoori nahm das zum Anlass, die Frau zu feuern, obwohl sie die Darstellung kategorisch bestreitet. Der Minister ließ - geduldet vom Kultusministerium und vermittelt von der Staatskanzlei - dazu seine Büroleiterin gleich mehrmals mit dem Lehrer telefonieren.

Die Stichhaltigkeit von Mansooris Anschuldigung bewerteten am Freitag im Landtag weder Rhein noch Kuhn. Letzterer sagte: Er habe sich gekümmert, weil es "potenziell" um das Ansehen der Landesregierung gegangen sei.

Von weiteren Vorwürfen gegen seine Ex-Spitzenbeamtin, wie sie der Minister erst später in einem Gerichtsverfahren erhob, wussten zum Zeitpunkt der Entlassung nach deren Angaben weder der Ministerpräsident noch der Chef seiner Staatskanzlei. Mansoori und die SPD, aber auch die CDU, sehen mit den nachträglichen Anschuldigungen die Behauptung untermauert, die Bau-Professorin sei in dem Job nicht tragbar gewesen.

Ausspioniert oder belastet?

Die Oppositionsparteien Grüne und FDP, die den Untersuchungsausschuss initiiert haben, leiten daraus dagegen eine zweite schwere politische Sünde des Ministers Mansoori ab: Dieser habe der unliebsam gewordenen Frau nach dem Rufmord an ihr auch noch auf Steuerzahlerkosten durch Mitarbeiter und mit Hilfe von Parteifreunden wie dem Darmstädter SPD-Oberbürgermeister Hanno Benz hinterherschnüffeln lassen.

Das spielte am Freitag bei Zeugen aus der Darmstädter Stadtverwaltung eine Rolle. Es lief ähnlich wie vor dem Rauswurf mit dem Elterngespräch. Nur das Mansoori hier nachträglich behauptete: Messari-Becker habe ihre Position privat ins Spiel gebracht –diesmal, um das Bauvorhaben eines Nachbarn zu stoppen.

Anruf am Samstagvormittag

Die damalige Bauamtsleiterin sagte aus, sie habe Messari-Becker nach einem ersten Gespräch ihre Handynummer gegeben. Dass die damalige Staatssekretärin sie für ein zweites Gespräch an einem Samstagvormittag während des Shoppens angerufen habe, sei dann ungewöhnlich gewesen. Die Anruferin habe vorgebracht, die Aufstockung eines Nachbarn hätte nicht genehmigt werden dürfen.

Da sie eine "Person der Öffentlichkeit" sei, dürfe eine "Einblicknahme in ihr eigenes Grundstück" nicht erlaubt werden – so habe Messari-Becker argumentiert. Die Zeugin erteilte dem Anliegen nach eigenen Angaben mit dem Hinweis eine Absage, das Baurecht sehe keine Ausnahmen vor.

Die frühere Bauamtsleiterin sagte aber auch: Messari-Becker habe ihr nicht gedroht. Und dass Bürger bei ihr als Amtsleiterin nachhakten, sei üblich gewesen. Für sie schien die Sache mit der Absage auch erledigt.

CDU-Dezernent lieferte Munition

Der zuständige Darmstädter Dezernent, der CDU-Politiker Paul Wandrey, sagte dagegen: Er habe jene beiden Anrufe als "relativ unanständiges Vorgehen" empfunden. Aber auch er sah seinerzeit keinen Grund, irgendetwas zu unternehmen. Die Sache wurde ad acta gelegt.

Da blieb sie nicht: Eine Gedächtnisnotiz Wandreys über den Vorgang landete erst Monate später ganz plötzlich beim SPD-geführten Wirtschaftsministerium in Wiesbaden unmittelbar nach der Entlassung Messari-Beckers. Das Büro von SPD-OB Benz hatte die Notiz vom Baudezernenten angefordert, damit der Rathauschef sie an Mansoori weiterleiten konnte.

In ihr war fälschlicherweise von einer noch nicht erteilten Baugenehmigung die Rede, welche die Ex-Staatssekretärin habe verhindern wollen. Wandrey führte vor den Abgeordneten an: Dass seine Notiz bei Messari-Beckers früherem Chef Mansoori landen würde, habe er nicht gewusst – und er missbillige das.

Messari-Becker, die am Freitag nicht in der Ausschusssitzung war, wies die Vorwürfe gegen sie per Stellungnahme zurück. Sie habe nur um eine Prüfung der Bauausführung gebeten. Genehmigt war die Bauerweiterung längst – das bestätigte auch die Ex-Amtsleiterin. Ein Anwalt der Ex-Staatsekretärin sagte Ende 2024 im Interview mit hessenschau.de: Das Ministerium habe schon früh eine Schlammschlacht angedroht für den Fall, dass sich seine Mandantin wehre.

FDP beklagt "Genossenfilz"

Der FDP-Abgeordnete Oliver Stirböck bewertete das Vorgehen von Minister und Darmstadts OB als "Genossenfilz". Mansoori "und seine sozialdemokratischen Freunde" ließen nichts unversucht, um Messari-Becker öffentlich schlecht zu machen.

Grünen-Politikerin Kaya Kinkel sieht als erwiesen an: "Wirtschaftsminister Mansoori waren alle Mittel recht, um von seinem nachträglichen fehlerhaften Verhalten abzulenken." Er habe sowohl in der Bau- als auch in der Schulsache anhand fehlerhafter Protokolle gegen Messari-Becker agiert.

SPD-Ausschuss-Obfrau Lisa Gnadl dagegen befand, das "Gesamtbild vom problematischen Verhalten" der Ex-Staatssekretärin sei komplettiert worden. Die Bau-Professorin hab nachweislich "gleich mehrfach die Unwahrheit gesagt".

Für die CDU war nach dem Auftritt ihres Ministerpräsidenten besonders wichtig: Die Staatskanzlei habe die Entlassung Messari-Becker "ordnungsgemäß abgewickelt". So zog ihr Ausschussobmann Holger Bellino Bilanz.

Quelle: hessenschau.de