War Opfern des Hanau-Attentats ein Notausgang verschlossen? Polizisten konnten ihn nach der Tat jedenfalls nicht öffnen, wie sie nun vor dem Untersuchungsausschuss des Landtags berichteten. Ein fehlender Tatortbefund wirft auch im Regierungslager Fragen auf.

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War Opfern des Hanau-Attentats ein Notausgang verschlossen?

Großaufnahme eines Aktenordners auf welchem steht: "#say their names" und "Hanau-Untersuchungsausschuss".
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Ob das Attentat von Hanau zu verhindern gewesen wäre, ist eine der zentralen Fragen, die Angehörige der Opfer nach mehr als zwei Jahren quält. Im Untersuchungsausschuss des hessischen Landtags geht es aber auch darum, ob zumindest einige Opfer hätten überleben können, wenn Polizei und Ordnungsamt Hanau besser oder einfach korrekt gearbeitet hätten.

Vor den Ausschussmitgliedern sagten am Montag gleich zwei Beamte: Sie hätten die Notausgangstür verschlossen vorgefunden, als sie unmittelbar nach dem Attentat die Arena Bar als einen der zwei Tatorte inspizierten.

Das stützt Befürchtungen von Überlebenden und Angehörigen in einem für sie zentralen Punkt. Wenn es eine Chance gab, vor den Schüssen des rassistischen Attentäters Tobias R. zu fliehen: An dem verbotenerweise geschlossenen Notausgang wurden sie zunichte gemacht.

Zweimal ging die Tür nicht auf

So sagte ein 36 Jahre alter Kriminalkommissar vor dem Untersuchungsausschuss: Er habe die Tür getestet, als er in der Mordnacht unter anderem eine Skizze vom Tatort anfertigte. Die Tür sei nicht aufgegangen. Dass es sich um einen Notausgang handelte, habe er zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht gewusst.

Eine 51 Jahre alte Polizeihauptkommissarin bekräftigte diese Darstellung. Sie sagte als Zeugin, sie habe am Tag nach dem Attentat die Tür kontrolliert - sie sei verschlossen gewesen. Die Beamtin war mehrere Stunden am Tatort in der Arena Bar gewesen - nach eigenen Worten vor allem als Ansprechpartnerin für die Spurensicherung und Rechtsmediziner.

Staatsanwaltschaft stellte Ermittlungen ein

Die Staatsanwaltschaft Hanau musste sich schon früh mit Vorwürfen befassen, die Notausgangstür sei lange vor der Tat nach baulichen Änderungen sogar absichtlich geschlossen und von innen nicht mehr ohne Schlüssel zu öffnen gewesen. Die örtliche Polizei habe das sogar geduldet, weil es ihr bei Razzien von Vorteil schien.

Weitere Ermittlungen hielt die Staatsanwaltschaft nach einer Prüfung des Sachverhalts nicht für angebracht, nach einer Beschwerde kam die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt zum selben Ergebnis. Es gebe keine wirklichen Anhaltspunkte für die Darstellung, Polizei oder Ordnungsamt Hanau hätten den verschlossene Notausgang geduldet oder gar gewünscht.

Man könne auch nicht sagen, ob zwei der Opfer durch einen geöffneten Notausgang hätten fliehen können. Unklar sei außerdem, ob die Tür wirklich verschlossen war oder einfach klemmte und bei stärkerem Drücken aufgegangen wäre. Die Frankfurter Rundschau hat gerade mehrere Aussagen und Hinweise gesammelt, die gegen die Theorie von der klemmenden Notausgang sprechen.

Üblicher Tatortbericht fehlt

Wenn die Linke am Montag in diesem Zusammenhang von "weiterem Polizeiversagen" sprach, lag das an der Aussage eines weiteren Beamten. Er hatte im Ausschuss berichtet, dass er und ein Kollege in der Tatnacht lediglich einen vorläufigen Tatortbefundbericht erstellten. Alle Türen zu prüfen, Schubladen zu öffnen und ihren Inhalt zu protokollieren – das alles habe er unterlassen, weil er auf eine nachfolgende gründlichere Tatortuntersuchung vertraut habe.

Über die Existenz eines späteren, detaillierteren Berichts konnte der Polizist nicht sagen. Die Linksfraktion bezeichnete es als skandalös, dass es offenkundig nach einem der blutigsten Terroranschläge in der Geschichte der Bundesrepublik lediglich eine "Inaugenscheinnahme" gegeben habe und nicht den üblichen ausführlichen Tatortbericht. Nach Meinung der Landtagsabgeordneten Saadet Sönmez hat sich der Verdacht erhärtet, dass der Notausgang verschlossen war. "Der Frage, wer dafür verantwortlich ist, muss nochmals nachgegangen werden."

Auch für die mit der CDU regierenden Grünen steht nach Angaben ihrer Obfrau Vanessa Gronemann fest: Der Notausgang war verschlossen. Auch ihr stellte sich die Frage, warum kein ausführlicher Tatortbefundbericht über die Arena Bar angefertigt worden sei. Das Attentat liegt inzwischen zweieinhalb Jahre zurück. Ein 43-jähriger Deutscher erschoss am 19. Februar 2020 neun Menschen aus rassistischen Motiven. Danach tötete er seine Mutter und sich selbst.

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