Friedhofstour mit dem Eintracht-Museum Leben und Sterben mit der Eintracht

Das Museum von Eintracht Frankfurt bietet Friedhofsrundgänge zu den Gräbern berühmter Eintrachtler an. Auf den Spaziergängen zeigt sich, was einen Verein ausmacht.

"Ein Hauch von Leben" steht auf einem grünen Wegweiser-Schild, das nach rechts zeigt. Der Wegweise steht auf einem Friedhof mit Gräbern und einer Allee.
Der Frankfurter Hauptfriedhof Bild © Imago Images
Audiobeitrag
Ende des Audiobeitrags

Richard Kreß ist gar nicht so leicht zu finden. "Hier links", sagt eine Teilnehmerin des Friedhofrundgangs, den das Eintracht-Museum ausrichtet, "Ich dachte, rechts", sagt Museums-Leiter Mathias Thoma, der die Führung organisiert. Kreß entzieht sich, wie er sich früher als Rechtsaußen den Abwehrspielern entzog. Also vorbei an Grabsteinen, Bänken, durch die Büsche, zurück auf den Hauptweg, dann liegt er da: Richard Kreß, Meisterspieler 1959 und Europacup-Finaltorschütze 1960, dunkelgrauer Grabstein, 1925 – 1996, mittig auf dem Grab frische rote Blumen.

"Eintracht - du bist mein Leben", heißt es in einem der Lieder, die die Fans der Eintracht in der Kurve singen. "Wir bleiben treu bis in den Tod", in einem anderen. Und tatsächlich geht es ja vielen Fans um nicht weniger, umweht die großen Fußballvereine ja mittlerweile etwas Spirituelles, ein Hauch Religiosität. Zugleich sind sie dynamische Gebilde, die von jenen geprägt sind, die sich darin engagieren. Spieler, Funktionäre, Fans: Sie sind genau genommen der Verein, einzelne Teile, die sich zu etwas Großem zusammenfügen. Und zu dem sie auch nach dem Tod noch gehören.

"Wir müssen mal zu den Spielern gehen"

"Wir bieten seit etwa 2008 Friedhofsführungen an", sagt Thoma. Etwa vier, fünf Mal im Jahr kann man mit kundigen Museums-Mitarbeitern über den Haupt- und auch den Südfriedhof gehen und die Gräber verstorbener Eintrachtler besuchen. "Sie sind daraus entstanden, dass bei der Eintracht sehr viel Wert auf die Würdigung historischer Erfolge gelegt wurde. Und dann saßen immer mehr Witwen da", sagt Thoma. "Richard Kreß hat die ganzen Würdigungen der 59-Meistermannschaft nicht mehr mitbekommen. Und dann haben wir gesagt: Wir müssen auch mal zu den Spielern gehen."

Knapp zehn Menschen haben sich an diesem heißen Sommertag auf dem Hauptfriedhof eingefunden. Die Tour umfasst nicht nur Gräber von ehemaligen Fußballern, sie bildet ein breites Spektrum des Vereinslebens ab. Erster Stopp ist das Grab von Ilse Bechthold, ehemalige Leichtathletin und hochverdiente Funktionärin. Gleich danach geht es zum Grab von Walter Kolb, ehemaliger Bürgermeister, der der Eintracht sehr verbunden war. Im Anschluss wird das Grab von Georg Poth besucht, Edel-Fan, Malermeister und Mäzen, den man auf diversen Fotos rund um die Meisterschaft 1959 findet.

Es wird das Leben gefeiert

Thoma kennt Geschichten und Anekdoten zu jedem Verstorbenen auf der Führung, erzählt sie charmant und mit dem nötigen Respekt, wie man über Freunde reden würde. Es wird der Menschen gedacht, es wird vor allem aber deren Leben gefeiert, sympathisch, fröhlich. "Wer den Todestag beachtet, dem schwant schon Böses", sagt Thoma am Grab von Poth. "An jenem Tag hat Schorsch Poth im Stadion das 0:7 gegen den KSC gesehen, die höchste Heimniederlage der Eintracht-Geschichte. Dann fuhr er nach Hause und der Schlag hat ihn getroffen."

Der Hauptfriedhof Frankfurt ist ein riesiges Gelände. 70 Hektar, Gräber aus 180 Jahren, Hauptwege, Nebenwege, Trampelpfade. Das Gelände ist so groß, dass die Wege Namen haben, damit man sich zurechtfindet: Ein Hauch von Leben, Gruftenweg, An der Eckenheimer Mauer, Ein Hauch von Leben II. Ein durch und durch friedvoller Ort, weitläufig, grün, ab und an rauschen die Blätter über einem, kurz wähnt man sich im Stadion, wenn ein Raunen durchs Publikum geht. Ruhe in Frieden steht hier und da, und es wirkt, als könne man das hier gut. Auch entdeckt man immer wieder Eintracht-Adler, die Menschen nehmen ihren Verein mit ins, oder zumindest ans Grab.

Debüttorschützen, Gründer, Fans

Nach einem Leben, das sie mit ihm bestritten haben. Etwa Fritz Becker, der erste Nationalspieler der Eintracht und der erste Torschütze der Nationalmannschaft überhaupt. Oder Albert Pohlenk, der Gründer der Eintracht, die damals noch Victoria hieß, und dessen Grab nur wenige Meter entfernt liegt. "Sein Ur-Enkel hat eine Dauerkarte", sagt Thoma. "Der kann im Stadion immer damit angeben, dass sein Ur-Großvater den Verein gegründet hat." Eine Familiengeschichte, die die Historie der Eintracht vom Anfang bis in die Gegenwart umspannt. Und damit besonders ist, aber eben auch exemplarisch steht: Die Fackel wird weitergetragen, Spieltag für Spieltag, Jahr für Jahr, Leben für Leben.

Vor den Führungen sorgen die Mitarbeiter des Museums dafür, dass die Gräber gepflegt sind, immer wieder melden sich – wie bei dieser Führung auch – dafür Freiwillige. Für zwei ehemalige Spieler hat der Verein gar die Pacht übernommen, damit die Gräber nicht eingeebnet werden. Denn natürlich sind viele dieser Menschen schon viele Jahrzehnte tot, auf anderen Grabsteinen auf dem Weg sieht man immer mal wieder Aufkleber mit dem Hinweis, dass die Pacht ausläuft. Wer kümmert sich dann? Auf Schalke und in Hamburg gibt es schon Vereins-Friedhöfe, auch Thoma wird immer wieder danach gefragt. Pläne dafür gibt es jedoch nicht. Das Interesse daran sicherlich.

"Vielleicht gehen wir hier mit rein. Nach uns guckt ja keiner", sagt Helga Stinka am Grab von Richard Kreß, dem letzten Stopp auf der Tour. Sie macht den Rundgang gemeinsam mit ihrem Mann Dieter Stinka, einer von noch vier lebenden Meistern von 1959. Am Grab seines ehemaligen Mitspielers entfernt er ein wenig Unkraut und wischt dann mit einem Taschentuch über den Grabstein. "Er war Rechtsaußen, ich war rechter Läufer", erklärt er einer anderen Teilnehmerin. Ein Fan aus der Schweiz hat eine Plakette aufs Grab gelegt, "Ein feiner Mensch mit Verstand und Können", steht darauf, und natürlich der Eintracht-Adler. Sogar in der Schweiz wird also noch an Kreß gedacht, und in Frankfurt sowieso. Thoma antwortet: "Wir gucken dann nach euch."

Quelle: hessenschau.de