Frust bei Rafael Borre

Die Champions-League-Reise von Eintracht Frankfurt endet mit Ausschreitungen, einer leeren Gästekurve und dem vorzeitigen Ende aller Träume. Von der früheren Magie ist in Neapel nichts zu spüren, am Ende überwiegt dennoch der Stolz.

Videobeitrag

Video

Die Eintracht-PK nach dem Spiel in Neapel

Glasner
Ende des Videobeitrags

Als durch die viel zu laut aufgedrehten Lautsprecher am Mittwochabend kurz vor Anpfiff "O sole mio" dröhnte und die neapolitanischen Fans ihre neapolitanische Sonne besangen, waren rund um Eintracht Frankfurt schon dicke Wolken aufgezogen. In den Katakomben des altehrwürdigen Stadio Diego Armando Maradona drehte sich alles um die Krawalle in der Stadt. Im Stadion bildete die verwaiste Gästekurve die ebenso traurige wie passende Kulisse für die anschließende Lehrstunde.

Die Eintracht verlor nach einem Doppelpack von Victor Osimhen und einem verwandelten Elfmeter von Priotr Zielinski völlig verdient mit 0:3 (0:1) gegen die SSC Neapel und schied damit sang- und klanglos im Achtelfinale der Champions League aus. Die Frankfurter Sonne, die in Europa so lange so besonders geglänzt hatte, ist erst einmal untergegangen.

Glasner reagiert gefasst

"Wir müssen akzeptieren, dass Neapel eine Nummer zu groß war für uns", fasste Frankfurts Trainer Oliver Glasner den Abend aus sportlicher Sicht passend zusammen. Der Eintracht fehlten gegen den kommenden italienischen Meister schlicht die Klasse und die Form, um auch nur annähernd in die Nähe eines Fußball-Wunders zu kommen. "Wir haben alles probiert, deshalb kann ich das akzeptieren."

Neapel zeigt Eintracht die Grenzen auf

Nun ist es definitiv keine Schande, gegen diese Mannschaft aus dem Süden Italiens auszuscheiden. Das Team des charismatischen Trainers Luciano Spalletti ist aktuell das vielleicht beste des gesamten Kontinents. Man kann der Eintracht auch nicht vorwerfen, nicht noch einmal alles versucht zu haben. Glasners Umstellung von Dreier- auf Viererkette und die Idee, mehr Offensivspieler für intensiveres Pressing aufzubieten, fruchteten und zeigten zumindest in großen Teilen der ersten Hälfte Wirkung.

Die Eintracht spielte nicht schlecht, die Eintracht hielt teilweise sogar sehr formidabel mit. Die Magie vergangener Tage, als die Hessen Barcelona erobert hatten oder in einem epischen Fight gegen West Ham ins Europa-League-Finale eingezogen waren, fehlte in Neapel dennoch komplett. "Das ist schon eine kleine Enttäuschung, wir hatten uns viel vorgenommen", so Kapitän Sebastian Rode.

Videobeitrag

Video

Rode: "Auf dem Niveau werden Fehler brutal ausgenutzt"

IV
Ende des Videobeitrags

Bei der Eintracht überwiegt der Stolz

Die Eintracht haderte, die Eintracht trauerte. Die alleinige Tatsache, offiziell zu den 16 besten Mannschaften Europas zu gehören, reichte dann aber aus, um die Laune aller Beteiligten wenige Minuten nach Abpfiff relativ schnell wieder aufzuhellen. "Wir können stolz sein auf dieses Champions-League-Jahr", urteilte Rode. Trainer Glasner ergänzte: "Ich bin sehr stolz auf das, was meine Mannschaft in der Königsklasse gezeigt hat." Widerspruch: unangebracht.

Der Rahmen ist unwürdig

Die furiose Reise der Hessen durch Europa, die ihren Höhepunkt beim Titelgewinn im vergangenen Mai in Sevilla hatte, endete in Neapel also mit einer Vollbremsung – und gleichzeitig unter unwürdigen Rahmenbedingungen. Dass sich die Spieler nach der Partie nicht vor einer vollbesetzten Gästekurve feiern lassen konnten und stattdessen etwas verloren über den Rasen stapften, ist und bleibt ein Unding.

Dass ein Spiel ohne Auswärtsfans die gesamte Stimmung trübt, war selbst im angeblichen Hexenkessel von Neapel deutlich hör- und spürbar. "Es ist schon sehr unglücklich, wie das alles gelaufen ist", kommentierte Rode den als Ticket-Verkaufsverbot getarnten Fan-Ausschluss. Klarer Verlierer in diesem Fall: der Fußball an sich.

Krawalle trüben das Gesamtbild

So schmerzlich die Fans der Eintracht im Stadion vermisst wurden, so sehr benahmen sie sich am Mittwoch allerdings auch außerhalb des Stadions daneben. Nachdem es bereits am Dienstag zu ersten Auseinandersetzungen zwischen beiden Fanlagern gekommen war, eskalierte die Situation am Mittwochnachmittag komplett.

Nach einem Zusammenstoß zwischen rund 250 Anhängern der Eintracht und 150 neapolitanischen Fans kam es zu Straßenschlachten mit der Polizei, in deren Folge mehrere Autos in Flammen aufgingen, Scheiben eingeschlagen wurden und Stühle durch die Luft flogen.  "Die einzige gute Nachricht ist, dass es keine schwerwiegenden Verletzungen gab", berichtete ein konsternierter Eintracht-Vorstand Philipp Reschke in einer kurzfristig einberufenen Presserunde noch vor Anpfiff im Stadion.

Eintracht hätte anderes Ende verdient gehabt

Klar ist: Ein friedliches und den Leistungen der Teams angemessenes Fußballfest, wie es die Fans der Hessen beispielsweise in Barcelona oder Lissabon zelebriert hatten, sieht anders aus und wäre angesichts der vorangegangenen Auftritte der Hessen auf der großen Bühne angebracht gewesen. Die Eintracht ist aktuell nicht mehr sie selbst. Die Eintracht hätte aber definitiv einen anderen Abschied aus der Königsklasse verdient gehabt. Es könnte ein Abschied für längere Zeit sein.