Oliver Glasner

Der Ausbruch von Frankfurts Trainer Oliver Glasner in Berlin zieht weitere Kreise. Nun wird er angezählt, über ein Ende der Zusammenarbeit und mögliche Nachfolger spekuliert - den Leistungen des Trainers wird das nicht gerecht.

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Sauer und einsilbig: Glasners PK nach dem Spiel in Berlin

Oliver Glasner auf der PK nach Union - Eintracht
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In Zukunftsfragen verweist Oliver Glasner gerne auf einen italienischen Kollegen. Der Trainer von Eintracht Frankfurt sieht im Fall von Claudio Ranieri einen Beleg für die unberechenbare Dynamik im Trainergeschäft. Ranieri hatte 2016 Leicester City sensationell zum Meistertitel geführt. Einige Monate später wurde er entlassen.

Allein die vergangenen drei Monate geben Aufschluss, wie sich auch in Bezug auf Glasner der Wind drehen kann. Zum Jahresende diskutierte man rund um die Eintracht allerhand Spielerofferten, weniger die Zukunft des Trainers. An dieser Stelle stand nach dem letzten Spiel in Mainz: Es "werden noch früh genug in diesem Winter Transferspekulationen um Kamada, N'Dicka oder Lindström die Idylle im Stadtwald stören. Dabei wird es für Frankfurt im kommenden Jahr vor allem darauf ankommen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit aufkommenden (internationalen) Begehrlichkeiten für den wichtigsten Mann im Klub (Glasner) abzuwehren."

Eintracht erinnert an die frühen Neunziger

Die Begehrlichkeiten wurden spätestens öffentlich, als Glasner Anfang März in einem Interview von Offerten aus England berichtete. Die Abwehr: Nur ein paar Tage später berichteten verschiedene Medien von einem Vertragsangebot der Eintracht an Glasner mit finanziell verbesserten Bezügen. Der Trainer erbat sich Bedenkzeit. Nach seiner Wutrede in Berlin vom Wochenende aber hat sich die Stoßrichtung in der Öffentlichkeit verändert.

Die FR fragt: "Wie lange soll das noch gutgehen mit Oliver Glasner und Eintracht Frankfurt?" Das Portal Sport1 schreibt: "Die Geduld mit Glasner ist trotz guter Arbeit und großer Erfolge endlich, weitere verbale Fehltritte sollte es nicht mehr geben." Und die Sport-Show "At Broski" fragte ihre User gar: "Ist Glasner so noch tragbar?" Die Bild brachte gleich eine potenziellen Nachfolger ins Spiel. Eine Meldung, die die Hessen sogleich dementierten.

Glasners Zukunft bei der Eintracht über den Sommer hinaus - erst ein untergeordnetes Thema, dann ein drängendes, nun ein gar obsoletes? Erst berauschender Fußball und Taumel, nun Machtkämpfe auf allen Ebenen, Ermittlungen gegen den Präsidenten und schließlich die Trainerdebatte - Eintracht Frankfurt erinnert in dieser Saison beinahe an die frühen Neunziger. Auch wenn er eben das vermeiden wollte, wird nun anscheinend alles Gesagte gegen Glasner verwendet.

Glasner ist nicht ganz unschuldig

Er mag daran nicht ganz unschuldig sein. So amüsant und einnehmend der Trainer über Fußball parlieren kann, so bestimmend und deutlich kann er im Gespräch auf seinen Standpunkten beharren. Der von Vorstand Markus Krösche proklamierten Verteidigung des Champions-League-Platzes vier entgegnete er jüngst in diversen Interviews pikiert mit der Gegenfrage: "Wie oft hat sich Eintracht Frankfurt in der Geschichte über die Bundesliga für die Champions League qualifiziert?" Dabei war Krösches Vorgabe verständlich mit Blick auf die finanziellen Unterschiede zwischen Königsklasse und Europa League. Aufgrund der keineswegs übermächtigen Konkurrenz um Union Berlin und Freiburg erschien Platz vier im Winter mehr als machbar.

Noch im vergangenen Jahr waren Krösche und Glasner unisono in die Offensive gegangen. Vor dem Auswärtsspiel in Barcelona hatten beide noch mit dem Brustton der Überzeugung verkündet: "Wir fahren dahin und schlagen die." Jetzt begründet Glasner seine Zurückhaltung bei den Zielen auch mit den Unwuchten im Kader. Kritiker halten ihm vor, das Ensemble nicht voll ausgeschöpft und die Neagtivspirale nicht aufgehalten zu haben. Der Wutausbruch von Berlin wird sogar als offener Affront gegen Team und Vorstand gewertet.

Opfer seines eigenen Erfolgs

Nur, zur Wahrheit gehört auch: Glasner hatte sich zuvor wie eine "Löwenmama" vor seine kritisierte Mannschaft geworfen, die Defensive mit allerhand Statistiken öffentlich starkgeredet. Fehlende Ideen für ein Defensivkonzept kann man ihm wahrlich nicht anlasten, so oft wie er Spieler wie Kristijan Jakic neu erfand oder auch die Formation anpasste. Seine Wutrede entsprang der Emotion und keinem Kalkül, sonst hätte er wohl kaum vor dem Spiel die Zusammenarbeit mit Krösche über alle Maßen gelobt. Die Forderungen nach Spielern wie Faride Alidou oder Lucas Alario mögen nun opportun sein, mit den Leistungen der beiden in den öffentlichen Trainingseinheiten sind sie aber wahrlich nicht zu begründen.

Und in puncto fachlicher Fähigkeiten wird Glasner immer noch eher unter- als überschätzt. Die Erwartungshaltung, die er jetzt beklagt, hat er selbst erst möglich gemacht. Die Spielzüge in Barcelona oder bei den Heimsiegen im Herbst entsprangen seinen Schachzügen, er ließ durch seine Spielweise und die neue Rolle von Daichi Kamada die Offensive mit ihren blitzschnellen Angriffen erst aufblühen.

Drei Klubs, drei Mal Champions League

Einen besseren Trainer müsste die Eintracht erst mal finden. Es ist kein Zufall, dass Glasner drei Mal in kurzer Zeit drei verschiedene Mannschaften in die Champions League führte - und darunter mit Linz, Wolfsburg und Frankfurt wahrlich keine Dauergäste in der Königsklasse. Und es ist auch kein Zufall, dass sich genau deswegen internationale Spitzenklubs wie Tottenham mit ihm beschäftigen. In England sind sie Wutausbrüche von großen Trainern über Wenger oder Ferguson bis Klopp oder Mourinho sowieso gewöhnt - dagegen wirkte Glasners Ausbruch fast schon zurückhaltend.