Legendärer Tonnentritt Wie Carsten Lakies mit nur einem Einsatz zur Bundesliga-Legende wurde

Nur elf Minuten spielte Carsten Lakies aus Kassel einst für Bayern München. Eine Bundesliga-Legende ist er dennoch geworden. Auch wenn er das anfangs gar nicht mitbekommen hat.

Carsten Lakies
Carsten Lakies im Spiel gegen Freiburg Bild © Imago Images
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Carsten Lakies und die berühmte Klinsmann-Einwechslung

Carsten Lakies still
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Wenn Carsten Lakies seinen Rollkoffer öffnet, verbirgt sich darin ein echtes Stückchen Bundesligageschichte. Zwischen Trikots von Hessen Kassel, dem OSC Vellmar, Hertha BSC oder dem SV Darmstadt 98, die Lakies in seiner Karriere trug, findet man auch ein Trikot des FC Bayern München, rot-blaue Steifen, Saison 1996/97, Nummer 14. "Das Skandaltrikot. Der Tonnentritt. Mit allen Unterschriften. Das war mein erster Bundesligaeinsatz", lacht Lakies.

Vier Bundesligaspiele hat das Kasseler Urgestein Lakies in seiner Vita stehen, doch trotz der überschaubaren Anzahl kommt er in praktisch jeder Dokumentation über die Geschichte der Bundesliga vor. Denn ihm verdankt die Liga einen ihrer denkwürdigsten Momente. Es läuft die 80. Minute im Spiel der Bayern gegen den SC Freiburg, und weil Trainer Giovanni Trapattoni mit der Vorstellung seines Superstars Jürgen Klinsmann nicht einverstanden ist, wechselt er ihn aus. Majestätsbeleidigung und ein Tiefpunkt im ohnehin schon schwierigen Verhältnis zwischen Kapitän und Trainer.

Lakies: "Ich habe mir keinen Kopf gemacht"

Besser macht die Sache für Klinsmann auch nicht, dass Lakies für ihn das Feld betreten wird, seines Zeichens Vertragsamateur. Und während dieser abklatscht und auf den Platz läuft, um seine ersten Bundesligaminuten zusammeln, tritt hinter ihm der fuchsteufelswilde Klinsmann laut fluchend ein Loch in eine Werbetonne. "Ich bin reingekommen, habe mit dem Jürgen abgeklatscht, das war's. Ich habe noch einen Knall gehört, aber mir keinen Kopf gemacht. Bei 64.000 Zuschauern hörst du ständig irgendwas."

Jürgen Klinsmann
Kannst du in die Tonne treten: Jürgen Klinsmann ist wütend Bild © Imago Images

Aber dieser Knall hallt nach, der legendäre Tonnentritt ist geboren, die Bilder von Klinsmann, dessen rechter Fuß in der Sanyo-Werbetonne steckt, gehen um die Welt. Und Lakies ist plötzlich Teil der Ligageschichte. Spricht er heute darüber, merkt man ihm die emotionale Verbundenheit noch immer an, Lakies hat zahlreiche Fotos von seinem Einsatz, die er gerahmt hat. Für den jungen Kasselaner ist es das Highlight seiner Karriere, für den in die Jahre gekommenen ebenfalls noch immer. "Es war mein dritter Einsatz auf der Bank. Es stand 0:0, Klinsmann hatte nicht getroffen und war nicht so glücklich in seinen Aktionen. Dann kam der Ruf von der Bank", erinnert er sich.

Lakies: "Zuerst hat der Lothar auf mich eingequatscht"

Und ist anschließend im Tunnel. Ein weiteres Bild zeigt Lothar Matthäus, der Lakies an der Seitenlinie energisch Anweisungen gibt. "Zuerst hat der Lothar auf mich eingequatscht. Im Endeffekt hört man da aber kaum zu. Klar, das ist der Rekordnationalspieler, eine Ikone. Aber man ist in dem Moment total fokussiert und will auf den Platz", erinnert sich Lakies. "Dann kam Trapattoni und hat mir noch ein paar Worte mit auf den Weg gegeben. 'Du machst die Tore', sagte er. Habe ich leider nicht."

Aber er ist nah dran, seine elf Minuten Einsatzzeit haben es in sich. "Es ging gut los, ich hatte gleich ein, zwei gute Aktionen", sagt er. Kurz vor Schluss hat Lakies dann sogar den Siegtreffer auf dem Kopf, aber sein Kopfball streicht über das Tor, es bleibt beim 0:0. "Kopfbälle waren meine Kernkompetenz. Den hätte ich gerne reingemacht, aber war halt nicht so."

Lakies: "Die Truppe war sensationell"

Vielleicht wäre Lakies‘ Karriere bei den Bayern dann anders verlaufen, noch ein zweiter, dritter, vierter, wer weiß, wie viele Einsätze hinzugekommen. Wobei es für den 25-Jährigen, der vor der Saison von Darmstadt 98 kam, im mit Stars gespickten Kader des Rekordmeisters freilich nicht einfach war, überhaupt auf Minuten zu kommen. "Die Truppe war sensationell. Das ging los mit Oli Kahn im Tor, dann hattest du Thomas Helmer, Lothar Matthäus, Mehmet Scholl, Didi Hamann, Christian Nerlinger, vorne drin Klinsmann, Rizzitelli, Jancker. Das war grandios."

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Carsten Lakies
Carsten Lakies: So brachte mir Trap die Ballannahme neu bei Bild © hr
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Das Jahr bei den Bayern ist für Lakies dennoch kein verlorenes, schon kurz nach seiner Ankunft darf er mit den Profis ins Trainingslager, im Laufe der Saison stößt er fest zu den Profis. Nach den Einheiten schiebt er mit den anderen jungen Spielern Extraschichten, lernt von Maestro Trap höchstpersönlich noch einmal das Ballstoppen. "Das hatte mir vorher ja niemand gezeigt. Trap kam an und sagte: 'Lakies, der Ball isse keine Motorrad. Isse Feder.' Ab dem Zeitpunkt konnte ich es", lacht Lakies.

Lakies: "Vor 20.000 Leuten zu feiern, war schon geil"

Nach einem Jahr, elf Minuten Einsatzzeit und einer weltbekannten Szene zieht Lakies weiter zu Hertha BSC, wo noch drei weitere Bundesliga-Einsätze dazukommen. Anschließend spielt er unter anderem für Waldhof Mannheim, Karlsruhe und den SV Darmstadt 98, bevor es ihn wieder in die nordhessische Heimat zieht, wo er für Vellmar und den KSV Baunatal kickt.

Die Saison 1996/97 ist übrigens trotz des Zwists zwischen Klinsmann und Trap, trotz des 0:0 gegen den Tabellenletzten aus Freiburg ein absoluter Erfolg. Kapitän und Trainer vertragen sich wieder, Klinsmann entschuldigt sich gar bei Lakies, und am vorletzten Spieltag werden die Bayern Meister. Eine Woche später steht Lakies auf dem Rathausbalkon und reckt die Schale in den Himmel. "Vor 20.000 Leuten zu feiern, war schon geil."

Die Tonne steht seit einigen Jahren übrigens im Bayern-Museum, samt Bild des Nordhessen. Aus dem Bayern-Spieler ist mittlerweile ein Fan geworden, Lakies fährt zu fast allen Heimspielen des FCB. Die Tonne besucht hat er aber noch nie.

Redaktion: Stephan Reich und Sven Litzenberg

Sendung: hr-fernsehen, hessenschau Sport,

Quelle: hessenschau.de