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Kläranlagen-Finanzierung sorgt für Ärger in Nordhessen

Klärwerk

Vor 20 Jahren beschlossen, 2019 fertiggestellt - jetzt gibt's die Rechnung: Für die Sanierung der Kläranlage in Sontra sollen Neueigentümer zahlen, auch wenn der Vorbesitzer das bereits getan hat.

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Ärger um Abwasseranlagen

hessenschau vom 05.01.2023
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Seit Dezember bekommen Grundstückbesitzerinnen und -besitzer in Sontra (Werra-Meißner) Post von der Stadt. Sie sollen zum Teil mehr als 10.000 Euro für die Sanierung der Kläranlage und Hochbehälter bezahlen. Obwohl die Stadtverordneten diese Sanierung schon vor 20 Jahren beschlossen hatten, werden die Käuferinnen und Käufer erst jetzt zur Kasse gebeten.

Der Grund: Die Kläranlage wurde erst 2019 fertiggebaut, so dass die Beiträge jetzt vollständig fällig werden. Insgesamt neun Million Euro müssen die Eigentümer mitfinanzieren. Viele haben schon vor Jahren den Großteil bezahlt, sie müssen nur noch den Rest begleichen. Hohe Summen kommen vor allem auf die Menschen zu, die ihr Haus nach 2013 gekauft oder geerbt haben: sie alle müssen jetzt den vollen Betrag bezahlen – auch wenn das der Vorbesitzer bereits getan hat. Die Stadt kassiert hierbei nicht doppelt, denn der alte Grundstückseigentümer bekommt seine Beiträge zurück.

Neubesitzer zahlen, Vorbesitzer bekommen ihr Geld zurück

Melanie Harms ist von der Regelung betroffen. Sie hat vor zwei Jahren einen alten Hof gekauft und erst jetzt erfahren, dass sie Beiträge für eine kommunale Abwassersanierung entrichten muss, die vor 20 Jahren begonnen hat. Ein Betrag, den sie nicht eingeplant hat.

Neben den Sanierungskosten für ihren alten Hof kämen jetzt circa 1.700 Euro für einen Hausanschluss dazu, den es schon seit etlichen Jahren gibt, erzählt Harms. Auch wenn das Geld fast vollständig von den Vorbesitzern bezahlt wurde, kann sich die Betroffene die Beiträge nicht anrechnen lassen. Dafür hätten ihr die Vorbesitzer diese schriftlich mit einem Vertrag abtreten müssen.

Auch das Heimatmuseum betroffen

Auch andere Eigentümer, die ihre Grundstücke in den vergangenen zehn Jahren gekauft haben, sind von den Kosten überrascht worden. So wie Michael Stein aus Ulfen, einem Stadtteil von Sontra. Er hat vor ein paar Jahren einen Hof geschenkt bekommen und ihn mit vielen Mitstreitern zu einem Heimatmuseum umgebaut. Jetzt sind 2.300 Euro fällig. Der Stadt wirft er vor allem ein schlechtes Timing vor: "Ich weiß aus Gesprächen, dass die Leute sparen müssen", sagt Stein. Und jetzt komme in dieser "ungünstigen Situation" eine Schlussabrechnung, "die ja schon früher hätte erfolgen können".

Ein weiterer Vorwurf der Grundstücksbesitzer: Viel zu wenig Information für ein Projekt, das vor 20 Jahren beschlossen wurde. Doch Bürgermeister Thomas Eckhardt (SPD) hält das Vorgehen der Stadt für transparent. Man habe zwar nicht noch einmal alle 4.000 Haushalte angeschrieben, aber ausreichend Informationen veröffentlicht und darin erklärt, was auf die Bürgerinnen und Bürger zukomme. Und das, bevor die Beitragsbescheide versandt wurden.

Anspruch auf die Beiträge verjährt 2024

Den Frust im Ort kann Eckhardt zum Teil verstehen, zumal der Start für die Baumaßnahme in der Vergangenheit läge. Auch hätten Eigentümer in Einzelfällen ihre Rückforderungen geltend gemacht, so dass der Neueigentümer somit komplett veranlagt werde.

Doch die Stadt hat wenig Spielraum und muss die Beiträge jetzt kassieren. Die Verwaltung stehe unter Druck, da der Anspruch auf die Beiträge in 2024 verjähre, so Eckhardt. So würde der Stadt ein finanzieller Schaden entstehen, der auch mit Konsequenzen verbunden wäre.

Neues Gebührenmodell für die Zukunft

Und so bekommen Grundstückseigner in Sontra in diesen Tag Post von der Stadt – mit einer unerwarteten Rechnung. Die einen müssen viel, andere weniger zahlen. Die Beträge beliefen sich zum Teil auf zehn Euro, reichten aber auch in den fünfstelligen Bereich, berichtet Bürgermeister Eckhardt. Man habe sogar einen Bescheid von insgesamt 16.000 Euro versenden müssen.

Ein neues Gebührenmodell soll zukünftig Ärger vermeiden. Die Bürgerinnen und Bürger zahlen permanent für die kommunale Abwasserentsorgung, so dass es nicht zu teuren Nachzahlungen kommen soll. Doch das hilft Betroffenen wie Melanie Harms und Michael Stein nicht – sie müssen den fehlenden Beitrag nun zahlen.

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