Analyse Corona-Lage an Kliniken verschärft sich dramatisch

Der Corona-Herbst bringt die Krankenhäuser an ihre Grenzen: In der Inneren Medizin bestehen in Hessen fast flächendeckend Versorgungsengpässe. Möglicherweise kehrt die Landesregierung zu einer umstrittenen Anordnung zurück.
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Corona-Lage an Kliniken massiv verschärft

30 Prozent Krankenstand - und kein freier Platz mehr auf der Corona-Station: Was die Mitarbeiter des kleinen Kreisklinikums Groß-Gerau im Gespräch mit dem hr berichten, ist durchaus typisch: Die Corona-Herbstwelle hat die Klinik-Kapazitäten so gut wie erschöpft.
Von den 2.025 Betten auf Normalstationen, die in Hessen für Covid-Patienten vorgehalten werden, waren am Freitag nach Angaben des Sozialministeriums 1.922 belegt. Das seien 500 mehr gewesen als eine Woche zuvor. Weitere 169 Corona-Infizierte befanden sich demnach in intensivmedizinischer Behandlung. Auch dort sind also fast alle der insgesamt 190 für Covid-Kranke reservierten Betten belegt.
Corona-Welle schwappt auf andere Stationen über
Wie viele Kräfte Corona derzeit bindet, wird für die Kliniken zum gewaltigen Problem, auch jenseits der Corona-Stationen: Das Sozialministerium berichtet von "fast flächendeckenden" Versorgungsengpässen in der Inneren und Intensivmedizin. Im Rhein-Main-Gebiet und insbesondere in den Frankfurter Krankenhäusern bestünden zudem aktuell erhebliche Engpässe in der Neurologie, Urologie, Kinder- und Jugendmedizin, Geriatrie, aber auch in der Hals-Nasen-Ohrenheilkunde.
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Steigende Patientenzahlen einerseits, ein hoher Krankenstand beim Personal andererseits - wie viele Pfleger und Ärzte fehlen, landesweite Zahlen dazu gibt es keine.
Stationen in Darmstadt geschlossen
Auch in Darmstadt ist die Situation angespannt. Zwei Normalstationen des Krankenhauses mussten schon geschlossen werden, damit Ärzte und das Pflegepersonal im Covid-Bereich aushelfen können, wie der Lungenfacharzt Cihan Çelik in der hessenschau berichtet.
Mit einem Anstieg der Infektionen sei zu rechnen gewesen, schreibt Çelik auch auf Twitter - aber nicht in dieser Form. "Überraschend ist die Dynamik, die Geschwindigkeit und die Krankheitsschwere auf den Stationen, da es derzeit viele Alte und Vorerkrankte trifft." Diese Dynamik sei im bisherigen Pandemieverlauf beispiellos.
Wenn es so weitergehe, müssten zusätzliche Stationen geschlossen werden, glaubt der Lungenfacharzt. "Viele Patienten müssten weiter auf ihre wichtigen Behandlungen und Therapien warten." Der übrige Bereich, der nicht Covid-19 betrifft, würde zum Stillstand kommen, befürchtet Çelik.
Doch wieder Maskenpflicht in Innenräumen?
Die Lage ist so dramatisch, dass Schwarz-Grün über eine teilweise Verpflichtung zum Masketragen diskutiert, zu der ja auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) dringend rät. "Die Landesregierung berät aufgrund der erheblich zunehmenden Belastung des Gesundheitssystems aktuell in enger Abstimmung mit der hessischen Ärzteschaft und den Kliniken sowie den anderen Ländern über mögliche notwendige Maßnahmen wie zum Beispiel eine Maskenpflicht in Innenräumen", informiert eine Sprecherin von Sozialminister Kai Klose (Grüne).
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Anders als bei den Corona-Winterwellen 2020 und 2021 sind die steigenden Krankenhauszahlen nicht unbedingt ein Zeichen für ein erhöhtes Risiko schwerer Corona-Verläufe - die Sterbezahlen sind derzeit auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau.
Das betrifft nicht zuletzt die Alten- und Pflegeheime, wo es gerade im ersten Corona-Winter viele Todesfälle gab. Dort zahlt sich die sehr hohe Impfquote aus.