Nach der Corona-Pandemie normalisiert sich auch das Leben der Kriminellen wieder. Die Zahl der Straftaten in Hessen ist im vergangenen Jahr gestiegen. Ein Trend bereitet den Verantwortlichen besonders Sorgen.

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Polizeistatistik: Wieder mehr Straftaten in Hessen

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Verschlossene Geschäfte mit leeren Kassen, von Arbeitnehmern im Homeoffice gut bewachte Wohnungen, weniger Feiern und Feste: Räubern, Einbrechern oder Schlägern boten die Corona-Jahre weniger Gelegenheit, negativ aufzufallen. Das ist vorbei.

Nachdem die Zahl der polizeilich registrierten Straftaten in Hessen 2020 und 2021 sank, ist sie wieder spürbar gestiegen. 368.579 Delikte seien insgesamt im Jahr 2022 gezählt worden, teilte Innenminister Peter Beuth (CDU) am Mittwoch in Wiesbaden bei der Präsentation der Polizeilichen Kriminalstatistik mit. Im Vorjahr waren es noch 336.030 Straftaten gewesen.

"Wenn wieder mehr Menschen zusammenkommen, steigt leider auch die Kriminalität", sagte Beuth zur Entwicklung.

Einbrüche, Straßenkriminalität und Tankdiebstahl

Auf jeweils 100.000 Einwohner des Bundeslandes kamen im vergangenen Jahr demnach 5.855 Straftaten, gegenüber 5.340 Taten im Jahr zuvor. Diese Zunahme der Kriminalitätsbelastung sei allerdings bundesweit zu verzeichnen sei, sagte Beuth.

Die Entwicklungen im Einzelnen:

  • Wieder mehr Einbrüche: Die Zahl der Einbrüche in Wohnungen stieg um 417 auf 4.275. Das sei aber immer noch der zweitniedrigste Wert seit Einführung der Kriminalstatistik 1971. In jedem zweiten Fall blieb es beim Versuch.
  • Wieder mehr Straßenkriminalität: Auf Vor-Pandemie-Niveau sind auch wieder Straftaten auf offener Straße wie Fahrraddiebstahl, Autoaufbrüche oder Raub. 64.899 Delikte verzeichnete die Polizei. Seit dem Jahr 2000 bedeute das aber immerhin einen Rückgang um 42 Prozent.
  • "Jünger und gewalttätiger": Zu denken gibt den Verantwortlichen nach eigenen Angaben vor allem ein Trend: "Die Tatverdächtigen werden immer jünger, und sie werden gewalttätiger", sagte Landespolizeipräsident Robert Schäfer. Oft machten sie sich des Ladendiebstahls und des Schwarzfahrens schuldig, aber auch der einfachen Körperverletzung. Hoffnungen setze man auf "Häuser des Jugendrechts", wo Behörden bei Prävention und Bekämpfung von Jugendkriminalität zusammenarbeiten.
  • Proteste auf der Straße: Die "Montagsspaziergänge" und andere Veranstaltungen gegen die staatliche Corona-Politik beschäftigten die Polizei vor allem in der ersten Jahreshälfte. Landesweit fanden im ersten Quartal knapp 1.700 Aktionen statt. Die Zahl der Teilnehmer bis Ostern schätzt die Polizei auf 139.000 und berichtet von einem "deutlich geringeren Aggressions- und Konfliktpotential als noch 2021".
  • Doch kein "heißer Herbst": Als Folge von Pandemie, Inflation, Ukraine-Krieg und dadurch hohen Energiepreisen hatte auch der hessische Verfassungsschutz vor Versuchen radikaler Gruppen gewarnt, bei Protesten mehr Bürger als zuvor zu mobilisieren. Doch weder ein "heißer Herbst" noch ein "Wutwinter" hätten stattgefunden.
  • Die hohen Energiepreise haben Folgen: Tankstellenbetreiber zeigten fast 6.000 Fälle an, in denen Fahrer nach dem Tanken ohne zu zahlen verschwanden. Rund 4.200 Fälle waren es im Jahr zuvor. Fälle von Spritklau, oft aus Baustellenfahrzeugen, haben sich auf 764 verdoppelt. Und auch Holzdiebstähle nahmen zu, von 136 auf 242 Fälle.
  • Weniger politisch motivierte Kriminalität: Hier sank die Zahl der bemerkten Delikte binnen eines Jahres um rund 200 auf 2.814 Delikte. Gewalt registrierte die Polizei in 174 Fällen, das entspricht ungefähr denen des Vorjahres.
  • Folgen des Angriffs auf die Ukraine: Ob pro-ukrainisch oder pro-russisch: Bei Demos blieb es zwar meist friedlich. Vor allem Sachbeschädigungen führten dazu, dass auf dem Feld "ausländische Ideologie" die Fallzahl von 96 auf 285 stieg. Häufig waren Attacken auf Autos mit ukrainischen oder russischen Kennzeichen. Oft verwendeten die Täter das „Z“-Symbol zur Unterstützung des russischen Angriffskrieges.
  • Rechts und links: Um sieben Prozent auf 1.101 gemeldete Fällen stieg die Zahl rechtsextremistisch motivierter Straftaten - vor allem Propaganda, aber auch Gewalt. Mit 241 Fällen gingen die der linken Szene zugeschriebenen Delikte um gut ein Drittel zurück. Laut Polizei vor allem eine Folge der abgeschlossenen Rodung für den umstrittenen A49-Ausbau durch den Dannenröder Forst. Neu hinzu kamen dagegen Blockade-Aktionen der "Letzten Generation" gegen die staatliche Klimapolitik.
  • Aggression gegen Politiker: Während der Pandemie stieg die Zahl der Straftaten gegen Landräte, Bürgermeister oder Abgeordnete. Ob Hetze oder Drohungen: 2022 hat das erstmals wieder nachgelassen - und zwar um 58 Prozent. 185 solcher Straftaten waren es noch. "Gedroht wird meist mit Körperverletzung, Brandstiftung oder gar dem Tod“, heißt es in der Bilanz. Jede einzelne Tat sei "schändlich", sagte Beuth.
  • Viele Angriffe auf Einsatzkräfte: Hier hat sich die Lage nur leicht gebessert. Die Zahl der Übergriffe gegen Polizistinnen und Polizisten sank um 205 auf 4.711, die der angegriffenen Rettungskräfte stieg sogar von 138 auf 151. Auch elf Feuerwehrleute waren betroffen.
  • Weniger Mord und Totschlag: Wegen 318 Straftaten gegen das Leben musste die Polizei ermitteln. Das ist der niedrigste Wert seit 2015. 13 mal ging es um Mord, 35 mal um Mordversuch. Neun von zehn Fällen auf diesem Gebiet werden aufgeklärt.
  • Noch mehr sexualisierte Gewalt gegen Kinder: Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung sind nach dem bereits 2021 hohen Anstieg um rund 17 Prozent auf insgesamt 8.573 gestiegen. Immer häufiger ermittelt die Polizei wegen sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche, die in Bildern und Filmen verbreitet wird. Um rund ein Viertel nahm das zu. Das liegt vor allem an Meldungen von Internetprovidern aus den US, die Verdachtsfälle melden müssen.

Beuths letzte Polizeistatistik

Es war voraussichtlich das letzte Mal, dass CDU-Politiker Beuth die Polizeibilanz vorstellte. Am Ende der Legislaturperiode im Januar des kommenden Jahres will er aus der Politik ausscheiden.

Die seiner Meinung nach gute Sicherheitslage führte Beuth vor allem auf die gute Arbeit der hessischen Polizei und darauf zurück, dass sie seit 2014 rund 18 Prozent mehr Personal bekommen habe. Mehr als 15.500 Beamte und Beamtinnen seien es derzeit.

Opposition übt Kritik

Von der Opposition im Landtag kam Kritik. Die Fallzahlen seien gestiegen, die Aufklärungsquote gegenüber dem Vor-Corona-Jahr 2019 aber gesunken, bemängelte Heike Hofmann (SPD). Die Ursachen müssten aufgearbeitet werden.

Die Statistik bildete die Kriminalität nicht ab, befand Torsten Felstehausen (Linke). So kenne man nur Verdachtsfälle, aber nicht die Zahl der tatsächlich Verurteilten. Hessen brauche außerdem eine Analyse wegen Dunkelfeldern wie der häuslichen Gewalt.  Auch die AfD forderte eine Dunkelfeldstudie. Solange sie fehle, vermittele die Statistik „nur eine trügerische Sicherheit“, sagte ihr Abgeordneter Klaus Hermann. Als besonders erschreckend bezeichnete Jörg-Uwe Hahn (FDP) den Anstieg bei den Sexualstraftaten.

 CDU und Grüne sahen die Arbeit ihre Koalitionsregierung in der Statistik bestätigt. Zu einer positiven Entwicklung habe auch beigetragen, dass gegen Extremismus, Antisemitismus und Hetze ein breit gefächertes Präventionsangebot aufgebaut worden sei, sagte Grünen-Politiker Jürgen Frömmrich. 

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