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Kultusministerium verteidigt Ausnahme von Tablets von der Lernmittelfreiheit

Drei Schüler zeigen auf Laptop

Tablets werden in Hessen nicht als Lernmittel betrachtet - und müssen deshalb für Schulen nicht vom Land angeschafft werden. Elternvertreter kritisieren diese Regelung und befürchten mehr soziale Ungleichheit.

Es ist nur eine kleine Änderung im Hessischen Schulgesetz, die für Ärger sorgt: "Mobile digitale Endgeräte", also beispielsweise Tablets und Notebooks, sind nun explizit von der Lernmittelfreiheit ausgeschlossen. Ähnlich wie Taschenrechner oder Schreibhefte gelten sie somit nicht als Lernmaterial, müssen also von den Eltern selbst gekauft oder von den Schulträgern zur Verfügung gestellt werden.

In der Praxis ändert sich dadurch nichts - das Gesetz soll nur offiziell die Regelung festschreiben, die die Landesregierung bisher schon praktizierte.

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Was bedeutet Lernmittelfreiheit?

Lernmittelfreiheit bedeutet, dass Schülerinnen und Schüler das Material, das sie zum Lernen brauchen, kostenlos zur Verfügung gestellt bekommen - beispielsweise Schulbücher oder Lern-Software. Allerdings gibt es Ausnahmen: "Gegenstände von geringem Wert" und solche, die man auch außerhalb des Unterrichts benutzen kann, müssen Eltern selbst zahlen. Dazu gehören zum Beispiel Musikinstrumente, Schreib- und Zeichenmaterial, aber auch digitale Geräte wie Tablets. Die genauen Regelungen stehen im Hessischen Schulgesetz.

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Elternvertreter verärgert

Als Kultusminister Alexander Lorz (CDU) im Februar in einem Schreiben an die Schulen die Änderungen am Schulgesetz vorstellte, erwähnte er die Passage zu digitalen Geräten nicht. Doch bei vielen Elternvertretern sorgte gerade dieses Thema für Unmut. Sie hätten sich gewünscht, dass die Landesregierung die Novelle des Schulgesetzes nutzt, um etwas an der bisherigen Regelung zu ändern.

So meldete sich ein Bündnis aus Kreis- und Stadtelternbeiräten mit einem offenen Brief an das Kultusministerium zu Wort. "Das Land lehnt Investitionen in die Schulen und die Schulkinder ab und stellt digitale Endgeräte auf eine Ebene mit Taschenrechner und Geodreieck", heißt es darin.

Eltern müssten schon jetzt viele Schulmaterialien wie Lektüren oder Arbeitsmaterial selbst zahlen - Laptops und Tablets seien da noch eine zusätzliche Belastung: In der Folge steige die soziale Ungleichheit. Die Elternbeiräte fordern die Landesregierung in dem Brief auf, auch die Kosten für digitale Geräte zu übernehmen.

Ministerium verteidigt sich gegen Kritik

Das Kultusministerium hält das Anliegen der Elternvertreter zwar für nachvollziehbar, es sei aber nicht finanzierbar. "Würden wir digitale Endgeräte unter die Lernmittelfreiheit fassen, hieße das, dass das Land dauerhaft für jeden Schüler und jede Schülerin ein digitales Endgerät zur Verfügung stellen müsste", erläutert Ministeriumssprecher Philipp Bender.

Gehe man von rund 800.000 Schülerinnen und Schülerin im Land und 500 Euro als Preis für ein Tablet aus, sei man bei Anschaffungskosten von mindestens 400 Millionen Euro - ohne IT-Support und Wartung. "Das ist ein gigantischer Betrag, den das Land so nicht übernehmen kann", so Bender. Viele Schülerinnen und Schüler hätten sowieso ein eigenes Tablet oder einen Laptop.

Seit dem Schuljahr 2020/21 seien in Hessen außerdem rund 100.000 mobile Geräte an Schülerinnen und Schüler verteilt worden, heißt es aus dem Kultusministerium - bezahlt aus Mitteln des "Digitalpaktes" zwischen Bund und Ländern.

Elternbeiräte beklagen fehlenden Willen zur Investition

Diese Argumentation kann Isabel Buchberger nicht nachvollziehen. Sie ist Vorsitzende des Stadtelternbeirates Wiesbaden und hat den offenen Brief an das Kultusministerium mitinitiiert.

"Es kommt so rüber, als würde ein Schulgesetz nicht von Leuten gemacht, die sich mit Schule beschäftigen, sondern vom Finanzministerium", klagt Buchberger. "Man guckt, wie viel Geld man hat und dementsprechend wird dieses Gesetz gestrickt." Buchberger wünscht sich vom Land Hessen eine Entscheidung für höhere Investitionen.

Ein Tablet für jedes Schulkind möchte das Kultusministerium allerdings nicht anschaffen, denn so würden nach dem Gießkannenprinzip auch diejenigen begünstigt, die die Unterstützung gar nicht nötig hätten.

Schulträger bieten Leasing-Modelle an

Für Familien, die sich kein eigenes Gerät leisten können, gebe es bei vielen Städten, Kreisen oder Schulfördervereinen Modelle, günstig ein Gerät zu mieten oder zu leasen. "Kein Kind, das für den Unterricht unbedingt eines braucht, muss ohne Tablet zu Hause sitzen", versichert Ministeriumssprecher Bender. "Dafür gibt es bei allen Schulträgern Wege und Lösungen."

In Wiesbaden etwa bietet die Stadt mit dem "1:1-Projekt" allen Fünftklässlerinnen und Fünftklässlern ein iPad an, für das die Eltern 10 Euro monatlich zahlen. Wer Anspruch auf Leistungen nach dem Gesetz Bildung und Teilhabe hat, bekommt das Gerät kostenlos.

Für Isabel Buchberger vom Stadtelternbeirat Wiesbaden verschärft diese Lösung die soziale Ungleichheit: "Reichere Kommunen können den Kindern die Ausstattung zahlen und andere nicht. Das verfehlt das Ziel der Bildungsgerechtigkeit".

Elternvertreter: Chaos vorprogrammiert

Der hessische Landeselternbeirat schließt sich der Kritik der Kreis- und Stadt-Elternbeiräte an. Mit Blick auf die Kosten für Eltern kritisiert Volkmar Heitmann, Vorsitzender des Landeselternbeirats: "Ich habe den Eindruck, dass ein Regierungsdirektor oder eine Regierungsdirektorin im Ministerium kein Gefühl mehr dafür hat, was die normalen Leute verdienen."

Heitmann spricht außerdem von einem teuren Flickenteppich in Bezug auf den Betrieb der digitalen Geräte an Schulen: Wenn einzelne Städte und Landkreise als Schulträger jeweils selbst dafür verantwortlich seien, sorge das für höhere Folgekosten. Und: "Für die aufwendige IT-Administration fehlen uns die Fachleute", so Heitmann. Damit sei Chaos vorprogrammiert.

Gewerkschaft: Einheitliche Ausstattung nötig

Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) unterstützt die Forderung der Elternbeiräte, Tablets und Ähnliches unter die Lernmittel zu fassen. "Bring-your-own-device"-Modelle, bei denen die Kinder ihr eigenes Gerät in der Schule nutzen, seien aus pädagogischer Sicht der falsche Weg, erklärt Roman George, Referent für Bildungspolitik bei der GEW.

Damit könne man höchstens einfache Internet-Recherchen durchführen. "Viele elaboriertere Ansätze zur Arbeit mit digitalen Medien im Unterricht setzen aber voraus, dass alle ein Endgerät zur Verfügung haben und dass die Geräte auch alle gleich ausgestattet sind", so George.

Digitale Schulbücher und Lernprogramme zahlt das Land

Dass das Land Hessen nicht die Kosten für Tablets und andere digitale Geräte übernimmt, sorgt für Unmut. Zumindest in einem Punkt legt das neue Schulgesetz allerdings ein Zugeständnis fest. Nicht nur bleiben digitale Lehrwerke mit gedruckten Schulbüchern gleichgestellt: auch Lernsoftware fällt nun unter die Lernmittelfreiheit, wird also vom Land Hessen bezahlt.

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