Audio

Gießener Forscher entdecken: Emotionen lassen sich an der Nase ablesen

Ein Mann blickt auf einen Monitor der einen Nasenausschnitt zeigt

Es ist offenbar mehr als eine Redewendung: Wahrnehmungsforscher an der Uni Gießen entdeckten zufällig, dass Emotionen sich nicht nur gut an Augen und Mund erkennen lassen, sondern auch an der Nase.

Die Wahrheit liegt bekanntlich oft in der Mitte, und das gilt offenbar auch für unser Gesicht: Student Maximilian Broda schaut auf einen Bildschirm, auf dem das Foto einer Nase zu sehen ist.

Was sagt die Nase über die Person aus, zu der sie gehört? "Ah, diesen Gesichtsausdruck erkenne ich ganz gut. Das ist, wenn ich Ärger mit meinem Chef habe, das ist die böse Nase", sagt Broda lachend. Kann man an Nasen tatsächlich Emotionen erkennen?

Wahrnehmungsforscher untersuchen seit Jahren, woran wir Gefühle im Gesicht erkennen. Wieso wirken manche Menschen auf Anhieb vertrauenswürdig, andere dominant oder attraktiv? Wohin gucken wir zuerst, wenn wir jemanden angucken?

Zufallsentdeckung: Lustige Nasenbilder verraten viel

Im Fachbereich Psychologie der Justus-Liebig-Universität (JLU) Gießen wird derzeit eigentlich erforscht, welche Blickrichtung Menschen einnehmen, wenn sie Gesichter betrachten. Deswegen macht Broda seine Nasenbetrachtungen mithilfe eines spezielles Geräts, das seine Blickrichtung analysiert. Dabei entdeckten die Forschenden nun aber rein zufällig: Emotionen können wir häufig nicht nur an Augen und Mund ablesen, sondern auch an der Nase.

Ein Mann blickt auf das Bild einer Frau mit aufgeregtem Gesicht

Maximilian Broda und seinem Doktorvater Ben de Haas fiel dies auf, als sie im Rahmen ihrer Untersuchungen Bildausschnitte von isolierten Nasen betrachteten. "Das waren teilweise sehr lustige Bilder", sagt Broda.

Er habe dann selbst ausprobiert, ob er allein an den Nasenbildern erkennen könne, ob jemand freundlich, wütend, erschrocken oder neutral gestimmt war – häufig mit Erfolg, stellte der Doktorand fest.

Viele Studienteilnehmer erkennen Gefühle an der Nase

In einer schnell angelegten Online-Studie ließen die Forscher daraufhin 114 Probanden Nasen- und Gesichtsbilder anschauen. Das Ergebnis: Über die Hälfte der Teilnehmenden konnten allein durch die Betrachtung einer einzelnen Nase erkennen, ob Menschen positiv oder negativ gestimmt waren. Auch Aussagen über die Erregung und die Attraktivität einer Person trafen häufig auf das gesamte Gesicht zu.

Der hohe Prozentsatz erstaunte selbst Doktorvater Ben de Haas. Dass dies mit Ausschnitten von Augen und Mund funktioniert, sei in der Forschung bereits bekannt, erklärt er. "In der Literatur wird meistens darüber diskutiert, ob die Augen- oder Mundregion wichtiger ist."

Die Online-Studie habe nun zwar nicht ergeben, dass die Nasenregion wichtiger bei der Erkennung von Gefühlen sei, aber dass sie eben auch solche Informationen liefere. "Was dabei nun genau passiert, daran könnte man nun weiter forschen", so de Haas.

Super-Recogniser gucken mehr auf die Nase

Die Gießener Forscher erklären: Die intuitive Blickrichtung von Menschen unterscheide sich grundlegend. "Manche schauen anderen Menschen unmittelbar in die Augenregion, andere etwas darunter, manche blicken zuerst auf die Nase, andere auf den Mund", so de Haas.

Nase

In Zusammenarbeit mit einer Forscherin aus der Schweiz habe man inzwischen außerdem herausgefunden: Sogenannte Super-Recogniser, die etwa bei der Polizei für die Erkennung von Personen eingesetzt werden, blicken mehr als andere Menschen in die Mitte des Gesichts. "Warum das so ist, wissen wir derzeit aber noch nicht", so de Haas.

Weitere Informationen

Mitmach-Forschung im Mathematikum: Millionen Augenblicke

Wer wissen will, wohin der eigene Blick zuerst wandert, kann das von den Gießener Wahrnehmungsforschern derzeit noch untersuchen lassen. Im Gießener Mathematikum steht seit etwa einem Jahr ein interaktives Ausstellungsstück in Zusammenarbeit mit der JLU, in dem Besucherinnen und Besucher ihre eigenen Blickrichtungen vermessen lassen können. Die Gießener Wahrnehmungsforscher wollen damit nach eigenen Angaben "den größten Blickbewegungsdatensatz der Welt" erstellen. Die Blicke von rund 9.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern habe man bereits erfasst, Ziel sind mindestens 10.000.

Ende der weiteren Informationen
Weitere Informationen Ende der weiteren Informationen