"Situationsbezogene Kunst im Raum" Heiner Blum mit Binding-Kulturpreis ausgezeichnet
Sein Fachgebiet sind "Experimentelle Raumkonzepte". Ein Begriff, den es in der Kunst eigentlich gar nicht gibt, wie er selbst gesteht. Dennoch hat Heiner Blum dafür nun den renommierten Binding-Kulturpreis erhalten.
"Ich war sehr überrascht", erzählt Heiner Blum über den Moment, als ihm am Telefon die freudige Nachricht verkündet wurde, er sei der Preisträger des Binding-Kulturpreises 2025. "Da kommt einfach so ein Anruf und dann guckt man nach, wer den schon gekriegt hat. Und das ist wirklich eine illustre Gemeinschaft von Leuten. Es ist sehr schön, da jetzt dabei zu sein."
Die von Blum erwähnte "Gemeinschaft" ist namhaft und erlesen, und umfasst viele bekannte Persönlichkeiten und Institutionen aus dem Kulturbereich in Frankfurt und Umgebung: 1996 beispielsweise, als der Preis zum ersten Mal vergeben wurde, erhielt ihn das "Ensemble Modern" - ein in Frankfurt beheimatetes und weltweit bekanntes Orchester für Neue Musik. Auch der Theatermacher Heiner Goebbels gehört zu den Preisträgern. Im vergangenen Jahr ging der Preis an "Frankfurt LAB" - ein Kunstzentrum für zeitgenössische darstellende Kunst und Musik.
Ein Preis für situationsbezogene Kunst im Raum
Nun also - zum 30-jährigen Jubiläum des Preises - ist der Konzeptkünstler und Professor an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach Heiner Blum an der Reihe. "Damit wird eine jahrzehntelange Arbeit für situationsbezogene Kunst im Raum und für die Öffnung von Räumen für die Kunst ausgezeichnet", heißt es in der Jury-Begründung. Dotiert ist der angesehene Binding-Kulturpreis zur Förderung herausragender kultureller Leistungen im Rhein-Main-Gebiet mit 50.000 Euro. Am Samstag wurde Blum im Frankfurter Römer ausgezeichnet.
Räume sind ein zentraler Aspekt in Heiner Blums künstlerischer Arbeit. Das kann man auch schon an seiner akademischen Lehrtätigkeit sehen. Seit 1997 ist er Professor im Fach "Experimentelle Raumkonzepte" an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach (HfG). "Das ist ein Begriff, den gibt es eigentlich in der Kunst gar nicht", schmunzelt Blum. "Den hat sich damals der Soziologieprofessor der HfG einfach ausgedacht. Man hat mich gefragt ob ich das machen will, und dann musste ich mir überlegen, was das ist."
Kunst an ungewöhnlichen Orten
Seitdem geht er mit Generationen von Studierenden an ungewöhnliche Orte in Offenbach und in Frankfurt: Fabriken, leerstehende Geschäfte und Parkhäuser. Die Orte werden dann in Museen, Ausstellungsräume und Kunstinstallationen umgewandelt. Wichtig ist ihm, dass die Kunst so auch möglichst nah am Alltag der Menschen dran ist.
Heiner Blums Vorgehen soll die Menschen irritieren, weiß Christiane Cuticchio. Die Künstlerin leitet das Atelier Goldstein in Frankfurt-Sachsenhausen und wird bei der Preisverleihung eine Laudatio halten. Mit Blum verbindet sie eine 35-jährige "langjährige Kollegenschaft".
"Dann schalten Sie ihr Gehirn ein"
Sie erklärt: "Wenn Sie in ein Museum gehen und dort ein Bild sehen. Dann denken Sie: ja toll - oder auch nicht toll. Und das war es. Aber wenn Sie dasselbe Bild vor einem großen Container sehen, der mit Seife verschmiert ist und in einer Fabrikhalle hängt, dann fangen Sie an, darüber nachzudenken. Dann schalten Sie ihr Gehirn ein."
Aktuell sind gleich mehrere Kunstprojekte unter Blums Federführung in der Umsetzung. Zum Beispiel die Installation "Niemandsland", die auf einem unbenutzten Autobahnstück hinter dem Stadion von Kickers Offenbach zu sehen ist. Oder eine spontan gegründete Kunsthalle, die eine ehemalige Sparkassenfiliale in der Offenbacher Innenstadt in eine Kunstmeile verwandelt. Unzählige solcher Projekte sind im vergangenen Vierteljahrhundert zusammengekommen, und sie bereichern das Stadtbild, sowohl in Offenbach als auch in Frankfurt.
Diskussionen mit Kraftwerk und Brian Eno
Zu Blums Schlüsselprojekten mit besonders großer Popularität zählt der Techno-Club "Robert Johnson", den er 1999 mit den Musikern Ata Macias und Sebastian Kahrs gründete. Neben Musik und Party gab es dort auch jahrelang Diskussionsrunden mit Stars aus der Szene.
"Direkt auf dem Dancefloor saßen dann die Leute", erinnert sich Heiner Blum. "Das waren teilweise sehr berühmte Musiker, wie jemand von Kraftwerk oder Brian Eno. Wir haben anderthalb Stunden geredet und alle ein bisschen schlauer gemacht, danach haben wir dann den Dancefloor freigemacht und die Party ging los."
Auch in Frankfurt haben Heiner Blums Kunst-Initiativen ins Stadtbild hineingewirkt - unter anderem mit dem "Norbert Wollheim-Memorial" - einem multimedialen Gedenkort auf dem heutigen Campus Westend der Goethe-Universität. Und mit dem "Schmalclub", einer Mischung aus Performance, Happenings und Clubabenden im Bockenheimer Depot, bei der neben Heiner Blum auch der Choreograph William Forsythe zum Leitungsteam gehörte.
Das Preisgeld ist schon verplant
Dass ihm jetzt der Binding-Kulturpreis überreicht wird, kommt Heiner Blum sehr recht. Zum einen, weil seine Lehrtätigkeit an der HfG zum Ende des Sommersemesters ausläuft, und es für ihn auch eine sehr positive Rückmeldung auf seine langjährige Arbeit ist. Und zum anderen, weil er auch schon genau weiß, was er mit den 50.000 Euro Preisgeld anfängt: Er steckt es - wie sollte es auch anders sein - in ein Kunstprojekt.
"Ab dem Sommer werde ich mich ins Atelier zurückziehen, denn ich habe mir schon in der Corona-Zeit ein großes, vielschichtiges, klassisches künstlerisches Projekt ausgedacht", erzählt Blum, ohne jedoch konkretere Informationen darüber herauszurücken. Nur so viel: "Ich habe mich schon länger gefragt, wie ich das finanzieren soll. Ich muss dafür Material kaufen und auch Leute beschäftigen. Jetzt kann ich das Projekt aber machen, und das ist ganz toll.“