Kendrick Lamar bei einem Live-Auftritt im September 2018 in Philadelphia

Dunkel rollen die Bässe, nur selten plingt das Klavier. In der tobenden Festhalle präsentiert Kendrick Lamar weite Teile seines aktuellen Albums "Mr. Morale & The Big Steppers".

Von der Bühne in der Frankfurter Festhalle führt ein Steg weit in den Zuschauerraum. Das eine wie das andere besteht aus weißen Lamellen, so dass beides von unten beleuchtet werden kann. Kendrick Lamar - ab und an auch ein paar Tänzerinnen und Tänzer - läuft hier auf und ab. Ganz schlicht, aber im Laufe des Abends offenbaren sich ein paar Gimmicks.

Es gibt mehrere Falltüren, durch die Lamar zum Beispiel mitsamt einem Klavier in der Versenkung verschwinden kann. Ein paar quadratische Lampenschirme senken sich fast bis auf Scheitelhöhe des Rappers. Sie bewegen sich nicht nur vertikal, sondern lassen sich auch schwenken. Gegen Ende des knapp zweistündigen Konzerts lässt sich Lamar mit dem vordersten Podest des Laufstegs ein paar Meter nach oben fahren, während sich vier durchsichtige Wände herabsenken, ihn umhüllen, als wäre er ein besonders wertvolles Ausstellungsstück. Dort singt er einen seinen größten Hits, das Grammy-dekorierte "Alright".

Dann ist da noch der große Vorhang auf der großen Bühne, auf den jeweils passende Piktogramme projiziert werden. Kendrick im Disput mit einer Frau, Kendrick als Vater mit Kleinkind, Kendrick als Leidensmann mit Pfeilen im Rücken.

Beeindruckend textsicheres Publikum

Wie alle guten Alben gewinnt Kendrick Lamars aktuelles Album "Mr. Morale & The Big Steppers" mit jedem Hören hinzu, es offenbaren sich weitere Details. Lamar packt üblicherweise so viele Ideen in ein Stück, die anderen für ein ganzes Album reichen würden. Seine Raps sind so vielstimmig, dass man immer wieder ungläubig prüft, ob nicht vielleicht doch ein paar Gastrapper auftreten. Seine Energie zieht das Album auch aus dem fortwährenden Gegensatz zwischen finsteren Bässen und hellen Klaviertönen.

In der nicht ganz ausverkauften Festhalle, wo die wogende Menge vom ersten Ton an beeindruckend textsicher und lautstark mitgeht und mitsingt, bleibt für die Details, die kleinen und großen Wendungen in den Kompositionen kaum Platz. Hier dominieren die dunkel rollenden Bässe, auch wenn Lamar manchmal am Klavier sitzt. Bei seinem Gesang variiert er kaum. Er führt einige Lieder nur bruchstückhaft auf, manche Hits sogar nur in Snippets mit dem Refrain, wie man das von Streaming-Plattformen kennt.

Optimiert auf die Zielgruppe

Das ist optimiert auf die überwiegend junge Zielgruppe im Publikum, die jede Pause mit "Kendrick, Kendrick"-Rufen füllt. Bei ein paar frühen Hits vom "Good Kid, M.A.A.D City"-Album hört Lamar ganz auf zu singen oder rappen, begnügt sich mit einsilbigen Stichworten, während die Fans den Refrain rufen. Vieles wird vom Band eingespielt, seine Musiker steuern auch punktuell was bei, sind aber in einer Art Orchestergraben neben der Bühne versteckt.

Alles hüpft, alle skandieren, ein kleiner Hinweis des Mannes im dunklen Kapuzenpulli oben auf dem Laufsteg, und alle Hände gehen hoch. Zwar bildet Lamar meist in Finsternis gehüllt das dunkle Zentrum dieser Show und lächelt, glaube ich, während des ganzen Konzerts ein Mal. Aber vom Prinzip her mutet das an - auch wenn es weh tut, das zu schreiben - wie eine dieser Schlagershows mit Silbereisen.

Eine geile Party

Schon klar, Kendrick gibt den Leuten, was sie wollen. Auch klar, dass der Rapper aus Los Angeles in seinen Stücken immer obsessiv um sich selbst kreist, seine Erfolgsgeschichte, seine Selbstzweifel, seine Vaterschaft, seinen Glauben. Sicher unmöglich, das alles in seiner fein ziselierten Meisterschaft angemessen auf die Bühne zu bringen.

Lamars Songs zeichnet es aus, dass sie dennoch nicht zu ichbezogen oder gar angeberisch wirken. Hier allerdings, zwischen leuchtendem Laufsteg und schwenkbaren Deckenstrahlern, wo am Ende auch noch Feuerfontänen sprühen, wirkt die Performance zu sehr wie eine überwältigende Ego-Show. Es ist eine geile Party und ein nicht ganz so beeindruckendes Konzert.