Live-Rollenspiele Wenn Fantasy-Welten plötzlich real werden

Sie schlüpfen in Kostüme und tauchen in fiktionale Welten ein: Regelmäßig kommen tausende Menschen zu Live-Rollenspielen zusammen. Mháire Stritter ist eine von ihnen. In einer neuen hr-Serie erzählt sie von der Faszination, die von "LARP" ausgeht.

Das Bild zeigt Mháire Stritter vor einer grauen Wand. Sie trägt ein dunkelrotes Kleid im Mittelalter-Stil mit langen Ärmeln und goldenen Verzierungen. Auf dem Kopf trägt sie eine Perücke mit langen schwarzen Haaren und einen rot-goldenen Kopfschmuck aus Metall, der über ihrem Kopf schwebt. Sie überkreuzt ihre beringten Hände, spreizt die Finger und schaut verträumt nach links unten.
Im Live Action Role Play schlüpft Mháire Stritter in Fantasy-Rollen. Bild © hr
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Videobeitrag

Live-Rollenspiel – die Planung

hessenschau vom 25.10.2022
Bild © hessenschau.de
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Silberne Helme leuchten in der Sonne, Schwerter und Lanzen schlagen klirrend gegen Schilde, die Stimmung ist aufgeheizt. Plötzlich rennen sie unter wildem Gebrüll los: Tausende von Männern und Frauen in Rüstungen, bereit für den Kampf gegen ihre Feinde.

Was klingt wie eine Szene aus "Herr der Ringe" oder einem Mittelalter-Film, ist in Wirklichkeit ein sogenanntes Live Action Role Play, kurz LARP - eine Art Improvisationstheater, für das die Spielerinnen und Spieler auf Feldern, Burgen oder Zeltplätzen zusammenkommen, in selbst entwickelte Rollen schlüpfen und in fantastische Welten abtauchen.

Mháire Stritter aus dem Rhein-Main-Gebiet nimmt seit rund 20 Jahren an LARPs teil. Eine Mitschülerin habe sie damals wegen ihrer Begeisterung für "nerdige Themen", wie sie es formuliert, angesprochen und mit auf eine Veranstaltung genommen. "Wir waren so ein bisschen die Leute, die außen vor waren", sagt die heute 38-Jährige. "Aber wir haben uns gefunden."

LARP-Hochburg Hessen

Irgendwann in ihrer Studienzeit habe sich plötzlich die Wahrnehmung verändert. Plötzlich seien auch Außenstehende an ihrem Hobby interessiert gewesen. Inzwischen ist LARP längst kein Nischenthema mehr. Stritter verdient mittlerweile sogar Geld mit ihrem Hobby: zum Beispiel als Moderatorin des YouTube-Channels "Orkenspalter TV", der sich unter anderem mit LARP befasst und rund 55.000 Abonnentinen und Abonnenten hat.

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Und auch die Tatsache, dass bis zu zehntausend Fantasy-Fans zu mehrtägigen Conventions zusammenkommen, zeigt, wie beliebt LARP heute ist. Deutschland gilt in der Szene als Hochburg; eines der größten Rollenspiele der Welt, das "ConQuest of Mythodea", lockt jährlich bis zu zehntausend Menschen ins niedersächsische Brokeloh.

Auch Hessen spielt eine wichtige Rolle in der Community, viele Veranstaltungen wie das "Drachenfest" in Diemelstadt (Waldeck-Frankenberg) mit mehreren tausend Teilnehmerinnen und Teilnehmern und das "Wegekreuz" in Hofgeismar (Kassel) finden hier statt. Heppenheim (Bergstraße) war 1992 sogar Schauplatz der ersten Großveranstaltung "Draccon 1". "Die Menge an tollen Wäldern, bespielbaren Burgen und bezahlbaren Schullandheimen im passenden Look ist in Hessen sehr gut", erklärt Mháire Stritter. Zudem sei die geografische Lage in der Mitte Deutschlands und Europas günstig.

"Wie Urlaub von der Persönlichkeit"

Über ein Dutzend Rollen habe sie schon gespielt, sagt Stritter. Meistens seien die Charaktere, die sie erschaffe, eine Mischung aus ihrer eigenen Persönlichkeit und bewusst gegensätzlichen Eigenschaften oder solchen, die sie selbst gerne habe. Oftmals fange es mit einer einzelnen Idee an - etwa einem bestehenden Charakter, den sie in ein LARP-Szenario überführen möchte oder einem Kostüm, das sie gerne tragen würde. Vieles entwickele sich auch spontan bei den LARP-Treffen, sogenannten Conventions.

Am LARP begeistere sie nicht nur das Verkleiden und das Herstellen der sogenannten Gewandungen. "Es ist für mich auch ein bisschen Urlaub von meiner Alltagspersönlichkeit, die meist zurückhaltender ist und anders als meine Charaktere weniger oft das Wort ergreift", beschreibt sie.

Das sei sogar in gewisser Form therapeutisch. "Dieses Ausprobieren von emotionalen Situationen und auch, dass man sich in einem sicheren Umfeld Konflikten stellt, ist unglaublich gut, um Dinge zu üben", so Stritter. Wenn sie als Mháire etwas Unpassendes, Sexistisches oder Rassistisches erlebe, würde sie es direkt ansprechen - weil auch ihre Figur das machen würde. "Ich habe meine Zivilcourage im LARP geübt und dann auch in der Realität öfter angewandt."

Moderne Rollenbilder erwünscht

Die 38-Jährige sieht noch einen weiteren Vorteil des Fantasy-Rollenspiels: Im Gegensatz zum Reenactment, dem Nachstellen von vergangenen Epochen wie dem Mittelalter, sei beispielsweise das Frauenbild in den bespielten Welten modern. Eine ihrer Figuren etwa sei Priesterin einer sehr weltoffenen und positiven Kirche, die Frauen und non-binäre Menschen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zugehörig fühlen, unterstütze.

In einem Spätantike-Szenario Wolle spinnen, während die Männer mit Waffen hantieren? "So viel Urlaub von mir selbst brauche ich dann doch nicht", sagt Stritter. "Ich kann auf Dauer nicht mit einem Charakter, den ich gerne spiele, so sehr gegen meine eigenen Überzeugungen verstoßen."

Übungsplatz für dystopische Szenarien

Apropos Waffen: Dem Eindruck, "LARPer" würden sich zum Kriegspielen treffen, widerspricht Mháire Stritter. "In den meisten LARPs, gerade Fantasy-LARPs, ist das Kämpfen sportlich. Das muss man sich eher vorstellen wie einen Teamsport, der nach Regeln abläuft." Da gehe es vor allen Dingen darum, zu seinem eigenen Team zu halten und gemeinsam Erfolg zu haben.

Es gebe mittlerweile aber auch Conventions, bei denen aktuelle gesellschaftliche Themen neu verhandelt würden; die sich beispielsweise ganz bewusst an post-apokalpytischen oder dystopischen Geschichten wie "Mad Max" orientierten. Sie selbst habe schon einmal an einem LARP teilgenommen, das in einem faschistoiden Staat der Zukunft spielte, sagt Stritter. "Es hieß: Das ist für uns ganz klar eine Übung, sich diese Muster anzuschauen und sie zu reflektieren."

Manchmal sollen LARPs aber auch einfach nur Spaß machen. Auf ihre schönste Rollenspiel-Erfahrung angesprochen, erzählt Mháire Stritter von einer Hochzeit. "Ich habe die Leute in ihrer Rolle verheiratet. Sie haben in diesem Zeitraum aber auch in der Realität geheiratet", erinnert sie sich. "Ich habe also ihre Hochzeitsfeier mitgestaltet. Das war wirklich, wirklich schön."

Weitere Informationen

WeltenSpieler - Faszination Live Action Role Playing

In einer dreiteiligen hr-Serie erzählen Mháire Stritter und andere "LARPer", warum sie in Live-Rollenspielen Charaktere und Welten erschaffen - und was sie dadurch über sich und die reale Welt lernen. Die drei Folgen sehen Sie ab 27. Oktober jeweils donnerstags um 22.30 Uhr im hr-fernsehen oder schon jetzt jederzeit in der ARD-Mediathek.

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Sendung: hr-fernsehen, 27.10.2022, 22.30 Uhr

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Quelle: Simon Broll, hessenschau.de