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Maler nutzt Scheune als Leinwand

Johannes Mundinger: Feldforschung

Maler Johannes Mundinger ist quer durch Nordhessen gefahren, um die perfekte Fläche für seine Kunst zu finden. In Waltersbrück wurde er fündig - mitten auf einem Acker.

Die Malerei von Johannes Mundinger will nicht so richtig auf eine Leinwand passen - jedenfalls gibt sich der Künstler mit einem aufgespannten Stück Stoff nicht immer zufrieden. Mit Wandarbeiten und Installationen bewegt er sich in Räume hinein, gern auch unter freiem Himmel.

Mundinger möchte zeitgenössische Malerei nicht nur klassisch im Museum oder in einer Galerie, sondern auch im ländlichen Raum präsentieren. "In Berlin, wo ich wohne, sind die Leute völlig übersättigt. Da ist alles voll von Kunst", sagt er. Bei einem Familienbesuch in Gilsa, einem Ortsteil von Neuental (Schwalm-Eder), kam ihm eine Idee: Wieso nicht ein Bild auf eine Scheunenwand malen? 

Vom Museum in Korea aufs hessische Dorf

Der Maler hat in zahlreichen Kunstinstitutionen in Deutschland ausgestellt, sogar in einem Museum in Korea waren seine Werke bereits zu sehen. Jetzt hat es ihn in die hessische Provinz verschlagen. "Hier auf dem Land ist es einfach spannender", findet er. Auch wenn das Publikum auf dem Land mit abstrakter Malerei vielleicht nicht direkt etwas anfangen könne: "Die Arbeit wird zum Hingucker und löst bei den Betrachtenden dann auch mehr aus."

Johannes Mundinger: Feldforschung

Für sein Projekt "Feldforschung" hat Mundinger sich also auf die Suche nach der perfekten Ausstellungsfläche begeben. Er ist durch Nordhessen getourt, hat bei Google Maps herumgescrollt. "Ich möchte keine schönen Fachwerkhäuser oder Holzschuppen bemalen, sondern diese einfach verputzten Betonklötze - fensterlos, mitten in der Pampa", sagt er. So einen musste er erst einmal finden.

Beschwerliche Suche nach der richtigen Scheune

Mundinger hat sich besonders schöne Scheunen-Plätze notiert, die Besitzer ausfindig gemacht, geklingelt, für seine Arbeit geworben und gehofft, die Landwirte für seine Idee zu begeistern. Das war nicht immer einfach. "Es gab ganz klare Absagen. Da kam ich nicht mal dazu, zu sagen, was denn gemalt werden könnte", erzählt er. "Einer meinte direkt: Ganz ehrlich, da habe ich gar keinen Bock drauf. Das wird nichts mit uns."

Der Maler hat Verständnis für die Zurückhaltung der Ortsansässigen. Viele der nordhessischen Scheunen seien nach dem zweiten Weltkrieg gebaut worden, oft von den Großeltern der heutigen Besitzer, berichtet Mundinger. Auch wenn die Scheunen keine architektonischen Meisterwerke seien, würde man nicht irgendeinen dahergelaufenen Künstler etwas dranschmieren lassen.

Deswegen hat Mundinger auch stets Ausstellungskataloge und Bilder früherer Wandarbeiten im Gepäck - die Leute sollen sehen, dass er weiß, was er tut.

Kunst zwischen Schweinen und Mähdrescher

Markus Kaiser konnte Mundinger so überzeugen. Im Neuentaler Ortsteil Waltersbrück züchtet der Landwirt Schweine, die er mit hofeigenem Getreide füttert - die Familie stellt das nordhessische Traditionsprodukt Ahle Wurst her. "Zuerst waren wir überrascht und auch ein Stück weit skeptisch", sagt Kaiser. Aber Mundinger sei sehr höflich aufgetreten und sein Entwurf für die Scheune habe der Familie gefallen. Also durfte der Maler ran.

Johannes Mundinger: Feldforschung

Nach der Zusage der Bauernfamilie ging alles ganz schnell. Am ersten Tag grundierte Mundinger die Betonwand. Zunächst lag sie im Schatten, das Korn davor stand hoch. Während der Künstler arbeitete, ratterte ihm im Rücken der Mähdrescher der Kaisers über den Acker. "So ein Feld liegt eigentlich die meiste Zeit still und stumm in der Landschaft", sagt Mundinger. "Dass ausgerechnet an dem Tag, an dem ich gemalt habe, viel los war, fand ich schön."

Als die Sonne im Zenit stand, konnte Mundinger bereits mit der eigentlichen künstlerischen Arbeit loslegen. "Weil es so heiß war, ist die Farbe schnell getrocknet. Kaum war eine Schicht fertig, konnte ich mit der nächsten Schicht drüber", erzählt er.

Das Kunstwerk liefert Gesprächsstoff

Schon am zweiten Tag war das Wandbild fertig. Changierende Farbflächen, ein Rastermuster auf weißem Grund - es erinnert an den Querschnitt eines Getreidehalms unter einem Mikroskop. Wer genau hinschaut, kann auf grünem Grund die stilisierte Zeichnung einer Landmaschine erkennen. Mundinger geht mit seinen Arbeiten im öffentlichen Raum auf die Umgebung ein.

Johannes Mundinger: Feldforschung

Das liefert Gesprächsstoff in Neuental. Den Bürgermeister Philipp Rottwilm (SPD) hat der Künstler bereits mit seiner Malerei begeistern können. "Wir freuen uns, wenn Kunst nicht nur in Ballungsräumen stattfindet", sagt er.

Mundingers Wandbild sei quasi Kunst in der Natur. Sie begegne einem unerwartet. "Man fährt vorbei und sagt: Oh, guck mal, hast du das gesehen? Wir drehen noch mal um, das gucken wir uns an. Und nachmittags beim Kaffeekränzchen erzählt man dem Nachbarn davon."

Nicht nur der Landwirt ist begeistert

Bauer Kaiser jedenfalls gefällt's. Was die Leute im Ort über die Kunst denken, sei ihm eigentlich egal, sagt er. "Aber es wäre schön, wenn's ihnen auch gefallen würde."

Zwei junge Fans hat Mundinger schon mal: Die Mädchen seien zufällig vorbeigekommen, als er noch an der Scheune zugange war. Sie hätten ihm anerkennend ihr Okay gegeben, sagt er. "Wir haben ein bisschen gequatscht, das war total nett. Irgendwann ist die eine losgerannt. Nach ein paar Minuten kam sie wieder und hat mir ihr schönstes Bild gezeigt - auf A3-Papier."

Johannes Mundinger: Feldforschung

"Etwas Besseres kann nicht passieren"

Bürgermeister Rottwilm will Mundinger dabei unterstützen, noch mehr Menschen vor Ort für die Kunst zu begeistern. Denn die Scheune von Landwirt Kaiser soll nicht die letzte sein, die ein Wandbild bekommt. "Wer hier eine Scheune besitzt, kann sich gern neutral bei der Gemeinde melden und wir vermitteln für eine abstrakte Bemalung der Scheunen-Fassaden", sagt Rottwilm.

Er ist überzeugt davon, dass Mundingers Arbeit in der Region eine Debatte über Kunst auslösen kann. "Das ist super - etwas Besseres kann ja nicht passieren!"

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