Kerzen und Blumen vor dem Eingangsbereich des Supermarkts, in dem eine Kassiererin von ihrem Ex-Partner getötet wurde

Nach den tödlichen Schüssen auf eine Supermarkt-Kassiererin in Mörfelden-Walldorf vermuten die Ermittler als Motiv eine gescheiterte Beziehung. Im Februar hätte sich der Täter vor Gericht verantworten müssen - wegen eines früheren Angriffs auf die Frau.

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Tödlicher Angriff: Mann erschoss Ex-Lebensgefährtin

hessenschau vom 16.01.2024
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Nach den tödlichen Schüssen auf eine Kassiererin in einem Supermarkt in Mörfelden-Walldorf (Groß-Gerau) gehen die Ermittler von einem Beziehungsstreit als möglichen Hintergrund aus.

"Die Indizien deuten darauf hin, dass das Tatmotiv in der gescheiterten Beziehung begründet sein könnte", sagte Oberstaatsanwalt Robert Hartmann von der Staatsanwaltschaft Darmstadt am Dienstag dem hr. Die Ermittlungen zum Motiv dauerten an.

Opfer und Täter führten demnach in der Vergangenheit eine Beziehung, hatten auch eine Zeit lang einen gemeinsamen Wohnsitz. Die Beziehung soll vor rund einem halben Jahr in die Brüche gegangen sein, sagte Oberstaatsanwalt Hartmann.

Täter sollte ab Februar vor Gericht stehen

Am Tatort legten Menschen am Dienstag Kerzen und Blumen ab. Auch der Bruder der Getöteten war vor Ort, fassungslos und am Boden zerstört ob der Tat. Ein weiterer Mann erklärte, er sei ein guter Bekannter der 38-Jährigen gewesen; diese sei von dem Täter verfolgt und bedroht worden, er sei auch gewalttätig gewesen. Sie sei in großer Sorge um ihre Sicherheit gewesen und habe ihn angezeigt.

Staatsanwalt Hartmann erklärte dazu, es gebe Hinweise, dass es ein Kontakt- oder Annäherungsverbot gegeben habe, dies werde derzeit abgeklärt. Für Februar sei ein Termin zur Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Groß-Gerau angesetzt gewesen. "Es ging um den Vorwurf der Körperverletzung", teilte Hartmann weiter mit. "Der Täter soll der Geschädigten mit der Hand gegen den Oberkörper geschlagen haben." Als mutmaßliche Tatzeit nannte der Staatsanwalt Februar 2023.

Drei Schüsse in Kopf und Oberkörper

Die tödliche Tat in Mörfelden-Walldorf ereignete sich am Montagabend gegen 19.15 Uhr: Nach Ermittlerangaben betrat der 48 Jahre alte Mann den Aldi-Markt in der Okrifteler Straße. Er ging zum Kassenbereich und soll mehrfach gezielt auf seine ehemalige Lebensgefährtin geschossen haben, die dabei tödliche Verletzungen erlitt. Anschließend brachte sich der Angreifer selbst um.

Am Mittwoch lag das vorläufige Ergebnis der Obduktion vor: Demnach wurde die Frau von drei Schüssen am Oberkörper und am Kopf getroffen. Der mutmaßliche Täter sei von einer Kugel getroffen worden, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Darmstadt der Nachrichtenagentur dpa.

Es solle nun auch geprüft werden, ob die Waffe bereits bei einem anderen Verbrechen benutzt wurde. "Wir prüfen derzeit, woher die Waffe kommen könnte." Es gebe aber derzeit keine Hinweise darauf, dass sich möglicherweise noch jemand anderes im Zusammenhang mit der Tat strafbar gemacht haben könnte.

In dem Discounter waren mehrere Patronenhülsen gefunden worden. Einen Waffenschein hatte der 48-Jährige laut Staatsanwaltschaft nicht.

Weißer Ring hofft auf elektronische Fußfessel für Gefährder

Gewaltverbrechen gegen Frauen aufgrund ihres Geschlechts werden auch als Femizid bezeichnet. Als häufigste Form gilt die Tötung von Frauen durch Partner oder Ex-Partner.

"Wenn eine Beziehung von Gewalt geprägt war, besteht immer ein bestimmtes Risiko, dass der Partner eine Trennung nicht akzeptiert und es gewaltsam endet", sagte Ulrich Warncke von der Opferhilfe Weißer Ring Frankfurt am Dienstag dem hr. Warncke ist auch Landespräventionsbeauftragter. Er rät Betroffenen, sich an den Weißen Ring oder an die Polizei zu wenden, wenn Drohungen ausgesprochen werden.

Die Beamten könnten eine Gefahrenabschätzung vornehmen, so Warncke: "Die Polizei kann auf den möglichen Gefährder zugehen, um ihm zu verdeutlichen, dass man ihn im Blick hat und er damit rechnen muss, möglicherweise in Untersuchungshaft zu kommen, wenn er sich nicht von der Person fernhält." Er hofft auf die baldige Einführung der elektronischen Fußfessel in Hessen für Gefährder.

Zeugenvorwurf: Ladentür ließ sich nicht öffnen

Zum Zeitpunkt des tödlichen Angriffs waren außer den Beschäftigten weitere Kundinnen und Kunden in dem Markt. Sie blieben körperlich unverletzt und wurden anschließend von einem Seelsorger und Polizisten betreut. "Augenzeugen solcher Gewaltverbrechen sind auch Opfer. Sie sollten sich nicht scheuen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen", so Warncke.

Zeugen, die zur Tatzeit im Aldi-Markt waren, berichteten dem hr, sie hätten nach den lauten Knallgeräuschen zuerst gar nicht realisiert, dass Schüsse gefallen seien. "Dann hat einer geschrien: 'Da schießt einer'", so die Zeugen. "Wir haben erst gesehen, wie die Mitarbeiter in einen Nebenraum gingen, sie haben vor mir die Tür zugemacht", so der Zeuge. "Dann wollten wir raus aus dem Laden, aber die haben die Türen zugemacht."

Zeugen: "Kamen uns vor wie in einer Falle"

Eine Zeugin sagte: "Ich habe einen Mitarbeiter rufen hören: 'Verschließt die Tür'. Und dann standen wir Kunden vor der verschlossenen Ausgangstür. Das war das Schlimmste, wir kamen uns wie in einer Falle vor", so die Zeugin. Schließlich hätte niemand gewusst, ob der Angreifer noch weiterschieße. "Wir haben alle nur gerufen 'Macht die Türen auf', aber es hat keiner die Tür aufgemacht", so die Zeugin.

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Augenzeugen berichten von Schüssen im Aldi

Augenzeugen, die die tödlichen Schüsse in einem Aldi-Markt in Mörfelden-Walldorf miterlebt haben
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Es sei ihnen nicht gelungen, die Schiebetür nach draußen aufzubrechen, so die Zeugen. "Zum Glück war ein starker Mann auf der anderen Seite, der hat die Tür eingetreten." So seien sie ins Freie gelangt. Die Ermittler gehen laut Staatsanwalt Hartmann auch diesen Aussagen und Hinweisen nach. Er rief mögliche Zeugen auf, sich zu melden.

Ähnliche tödliche Vorfälle in Supermärkten

Auf Nachfrage des hr wollte sich Aldi Süd am Dienstag nicht äußern und verwies auf das laufende Ermittlungsverfahren.

Die Tat erinnert an einen Vorfall aus dem Juni 2022 in einem Supermarkt im Schwalmstädter Stadtteil Treysa (Schwalm-Eder). Ein 58-Jähriger tötete damals zunächst eine 53 Jahre alte Frau und dann sich selbst. Die beiden sollen über einige Monate eine Beziehung gehabt haben. Als Motiv vermuteten die Ermittler die Trennung.

2019 hatte sich in Frankfurt ein ähnlicher Fall ereignet. Vor einem Supermarkt tötete ein Mann seine frühere Lebensgefährtin mit 33 Messerstichen. Der Mann wurde 2023 wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt.

Weitere Informationen

Hilfsangebote im Überblick

GEWALT GEGEN FRAUEN

Der Verein T.o.B.e (Toxische Beziehungen überwinden) bietet auf seiner Internetseite Informationen und eine Liste mit Anlaufstellen für Betroffene von Gewalt. Dort findet sich auch eine Liste der Selbsthilfegruppen des Vereins.

Wenn Sie als Frau von häuslicher Gewalt betroffen sind, können Sie rund um die Uhr kostenfrei das Hilfetelefon anrufen unter der Nummer 08000/116016 oder hier Beratung und Hilfe finden. Der Weiße Ring hilft Opfern von Gewalt. Auch Männer, die ein Aggressions- und Gewaltproblem haben, können (frühzeitig) Hilfe und Beratung bekommen. In der "Wegweiser"-Broschüre der Landeskoordinierungsstelle gegen häusliche Gewalt werden Anlaufstellen in Hessen aufgelistet.

SUIZIDGEDANKEN sind häufig eine Folge psychischer Erkrankungen. Letztere können mit professioneller Hilfe gelindert und auch geheilt werden. Hier finden Sie Hilfsangebote für Betroffene und Angehörige.

Die Telefonseelsorge ist rund um die Uhr kostenfrei und anonym erreichbar unter der bundeseinheitlichen Telefonnummer: 0800 - 111 0 111 oder 0800 - 111 0 222.

Um die Anonymität der Anrufer zu wahren, ist die Übermittlung der Rufnummer gesperrt und wird somit in keinem Display der Telefonseelsorge angezeigt. Anrufe bei der Telefonseelsorge werden auch im Einzelverbindungsnachweis nicht aufgeführt.

Auch im Internet kann die Telefonseelsorge kontaktiert werden unter: telefonseelsorge.de

Weitere Informationen zu Hilfsangeboten - beispielsweise Selbsthilfegruppen - finden sich auf der Webseite der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention: suizidprophylaxe.de

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