Ein silberfarbener Kombi fuhr in Volkmarsen in den Rosenmontagszug.

Beim Rosenmontagszug in Volkmarsen ist ein Mann mit einem Mercedes in eine Zuschauermenge gefahren. Fast 60 Menschen wurden verletzt, 35 davon schwer. Die Ermittler glauben: Das war Absicht.

  • Autofahrer rast bei Rosenmontagszug in Volkmarsen in Menschenmenge
  • fast 60 Verletzte (35 Schwerverletzte), darunter 18 Kinder
  • Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt ermittelt wegen eines versuchten Tötungsdelikts
  • Fahrer festgenommen: 29-Jähriger aus Volksmarsen
  • Fahrer fuhr mit hoher Geschwindigkeit in Menge
  • Zweite Festnahme in Volkmarsen
  • Alle Rosenmontagszüge in Hessen abgebrochen
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hessenschau kompakt - Update aus Volkmarsen

hsk
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Ein Autofahrer ist am Rosenmontag (24.02.20) beim Karnevalsumzug in Volkmarsen (Waldeck-Frankenberg) in eine Menschenmenge gefahren. Dabei wurden laut Stand der Polizei vom Dienstag fast 60 Menschen verletzt, darunter 18 Kinder. 35 Menschen erlitten schwere Verletzungen.

Innenminister Peter Beuth (CDU) sagte am Montagabend in Volkmarsen: "Es ist eine schreckliche Tat, die an Menschen begangen wurde, die einfach nur Karneval feiern wollten."

Gottesdienst geplant

Ein silberfarbener Mercedes-Kombi fuhr gegen 14.30 Uhr in eine Gruppe von Menschen. Wie ein Augenzeuge dem hr berichtete, fuhr das Auto etwa 30 Meter weit in die Menge, bis es zum Stehen kam. Der Fahrer habe noch Gas gegeben. "Die Leute sind wie Papier umhergeflogen. Ein paar Sekunden war Totenstille, dann haben alle geschrien", sagte der Augenzeuge.

Der Landrat des Kreises Waldeck-Frankenberg, Reinhard Kubat (SPD), sprach im hr von "einem Bild des Grauens". "Hier ist Unfassbares geschehen, was die Menschen nicht einordnen können", sagte Kubat, der "einen bewussten Angriff auf diesen Rosenmontagszug" beklagte. Für Dienstag, 18 Uhr, ist in Volkmarsen ein Gottesdienst geplant.

Fahrer kommt aus Volkmarsen

Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt ermittelt wegen eines versuchten Tötungsdelikts, wie ein Sprecher der Behörde mitteilte. Bei dem Tatverdächtigen handelt es sich demnach um einen 29-Jährigen aus Volkmarsen. Er habe selbst Verletzungen erlitten und solle einem Ermittlungsrichter vorgeführt werden, sobald sein Gesundheitszustand dies zulasse.

Wann der Mann vernommen werden könne, war auch am Dienstagmorgen noch unklar. Ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft sagte, das Motiv liege derzeit im Dunkeln: "Wir ermitteln in alle Richtungen."

Mit hoher Geschwindigkeit in Menschenmenge

Zuvor hatte es widersprüchliche Angaben der Polizei darüber gegeben, ob der Mann vorsätzlich in die Menge gefahren war. Das Innenministerium teilte in einer ersten Stellungnahme mit, dass ein Anschlag nicht ausgeschlossen werden könne. Ein Sprecher begründete das mit der Situation vor Ort.

Demnach fuhr der 29-Jährige "mit hoher Geschwindigkeit" in die Menschenmenge am Rand des Fastnachtsumzugs. Die Polizei nahm den Fahrer sofort fest.

Notlagezentrum eingerichtet

Im Rathaus von Volkmarsen wurde ein Notlagezentrum mit Seelsorge und Polizeikräften eingerichtet. Es soll bis Dienstag geöffnet bleiben. Betroffene können sich über ein Bürgertelefon informieren: 05693/6870.

Die Polizei richtete ein Hinweisportal ein und appellierte, keine Aufnahmen in Sozialen Medien zu verbreiten und sich mit Spekulationen zurückzuhalten. Polizei und Rettungsdienste waren auch am frühen Abend mit einem Großaufgebot vor Ort im Einsatz.

Nach Angaben des Frankfurter Polizeipräsidenten Bereswill gab es eine zweite Festnahme in der nordhessischen Kleinstadt. Allerdings sei nicht klar, ob der Festgenommene als Tatverdächtiger gelte oder ein Zeuge sei.

Nach Informationen aus Sicherheitskreisen soll der Mann hinter dem Auto des Tatverdächtigen gefilmt haben. Demnach war es aber unklar, ob es sich um einen Schaulustigen handelte oder ob er eingeweiht war. Die Polizei nahm ihn bereits kurz nach dem Zwischenfall fest, wie es hieß.

Wohl keine politische oder extremistische Tat

Nach hr-Informationen lagen zunächst keine Erkenntnisse vor, die auf einen extremistischen Anschlag hinweisen. Der Fahrer des Autos war nach ersten Erkenntnissen den Behörden nicht als Extremist bekannt. Allerdings war er der Polizei wegen Beleidigung, Hausfriedensbruchs und Nötigung aufgefallen.

Der Tatverdächtige war nicht alkoholisiert, wie ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Dienstag sagte. Ob er unter Drogeneinfluss gestanden habe, stehe noch nicht fest.

Stadt, Veranstalter und Landesregierung schockiert

Der Volkmarser Bürgermeister Hartmut Linnekugel (parteilos) äußerte sich "zutiefst betroffen". Er sei selbst Teilnehmer des Rosenmontagszugs gewesen. Beim Umzug liefen rund 700 Menschen mit, in 27 Gruppen. Der Vorsitzende der Volksmarser Karnevalsgesellschaft, Christian Diste, sagte dem hr, alle seien "völlig schockiert". In Volkmarsen leben rund 6.800 Einwohner. Sie ist rund 30 Kilometer von Kassel entfernt.

Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) reagierte ebenfalls betroffen. "Ich bin schockiert über diese schlimme Tat, durch die viele unschuldige Menschen zum Teil schwer verletzt worden sind. Ich bin mit meinen Gedanken bei den Opfern und ihren Angehörigen und Freunden und wünsche allen eine schnelle und vollständige Genesung", sagte er laut Mitteilung der Staatskanzlei.

Rosenmontagszüge abgebrochen

Als Konsequenz aus dem Vorfall in Volkmarsen wurden alle Rosenmontagsumzüge im Land vorsichtshalber abgebrochen, wie das Polizeipräsidium Westhessen in Wiesbaden auf Twitter mitteilte.

Der beliebte Frankfurter Fastnachtszug "Klaa Paris" soll am Dienstag stattfinden. "Wir werden Fastnacht feiern", sagte der Vorsitzende der Zuggemeinschaft, Ulrich Fergenbauer, am Montagabend dem hr. Das habe der Vorstand einstimmig beschlossen, nachdem er sich mit der Polizei über die Sicherheitsvorkehrungen ausgetauscht habe. Mehrere Kommunen sagten indes ihre Fastnachtsdienstagumzüge ab.

Sendung: hr-fernsehen, hessen extra, 24.02.2020, 20.15 Uhr