Grausiger Leichenfund Mordprozess gegen Vermieter-Ehepaar aus dem Vogelsberg
Vor dem Landgericht Gießen hat der Mordprozess gegen ein Paar aus dem Vogelsberg begonnen. Die beiden Angeklagten sollen eine Frau mit Down-Syndrom gequält und schließlich ermordet haben. Mieter berichten von weiteren Übergriffen.
Es war ein besonders grausiger Fund: Im Juli vergangenen Jahres fanden Ermittler im Keller eines Fachwerkhauses im Lauterbacher Ortsteil Wernges (Vogelsberg) Leichenteile. Seit Dienstag steht deshalb ein Vermieter-Paar vor dem Gießener Landgericht. Dem früheren Vermieter (59) und dessen 44 Jahre alter Lebensgefährtin werde gemeinschaftlicher Mord und gefährliche Körperverletzung zur Last gelegt.
Die beiden Angeklagten sollen eine 55 Jahre alte Frau mit Down-Syndrom, die jahrelang bei ihnen zur Miete gewohnt hatte, körperlich misshandelt, gedemütigt, sozial isoliert und schließlich ermordet haben.
Außerdem soll das Paar laut Anklage sein Opfer mit hohen Dosen Beruhigungsmitteln vergiftet haben - daran sei sie in Verbindung mit unterlassener Hilfeleistung schließlich gestorben. Am Dienstag wurde die Anklage verlesen, der Prozess soll kommende Woche fortgesetzt werden und voraussichtlich Monate dauern.
Die beiden Angeklagten bestreiten die Tat. Seit Ende November 2023 soll die Frau bei ihnen gewohnt haben, die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die 55-Jährige Anfang 2024 getötet wurde.
Angeklagter soll laut Ermittlern Leichnam zerteilt haben
Nach dem Mord soll der Angeklagte den Leichnam zerteilt und zunächst im Keller des Hauses aufbewahrt haben. Teile des Leichnams sollen zudem in ein nahes Waldstück gebracht worden sein.
Die Staatsanwaltschaft Gießen geht davon aus, dass die 55-Jährige getötet wurde, um vorangegangene mutmaßliche Straftaten zu verdecken. Darauf sollen knapp 22.000 Chat-Nachrichten auf dem Mobiltelefon der Angeklagten hinweisen, die bei den Ermittlungen ausgewertet wurden.
SEK-Einsatz auf dem Hof
Aufmerksam geworden waren die Ermittler auf den Fall, nachdem die Polizei am 30. Juni 2024 zu Streitigkeiten zwischen dem Vermieterpaar und einem ehemaligen Mieter nach Wernges gerufen wurde. Dabei soll es um Differenzen wegen Mietzahlungen gegangen sein.
Der ehemalige Mieter sagte, dass sich in dem Haus bis Anfang des Jahres noch eine weibliche, geistig beeinträchtigte Person aufgehalten habe, die jedoch plötzlich verschwunden sei. In einer Vernehmung sprach der Mann laut Staatsanwaltschaft von "diversen körperlichen Übergriffen" auf das spätere Todesopfer.
Am 3. Juli gab es schließlich einen Einsatz eines Spezialeinsatzkommandos (SEK) der Polizei auf dem Hof. Auch Spürhunde und die Feuerwehr waren vor Ort. Dabei wurden die sterblichen Überreste gefunden - Monate nach dem Tod der Frau.
Angehörige berichten dem hr: Sie habe sich bereits zu Weihnachten nicht mehr bei ihrer Familie gemeldet, auch zu Geburtstagen am Jahresanfang hätte sie nicht mehr angerufen. Die Familie sei darüber zwar traurig gewesen – jedoch sei es nicht ungewöhnlich gewesen, dass das Opfer sich über mehrere Monate nicht meldete.
Weitere Ermittlungsverfahren
Der Prozess wird voraussichtlich äußerst umfangreich und lang. Die Anklageschrift umfasst laut Staatsanwaltschaft 109 Seiten, zudem werden 90 Zeugen und sechs Sachverständige aufgeführt.
Laut Polizei und Staatsanwaltschaft vermieteten die Angeklagten seit Ende 2015 an insgesamt 26 Mieter. Dabei soll es ebenfalls zu Körperverletzungen, Bedrohungen und Beleidigungen gekommen sein. Entsprechende Ermittlungsverfahren seien eingeleitet worden.
Mieter berichteten dem hr von Übergriffen
Nach hr-Recherchen wohnten in dem Haus mehrere Menschen, die Sozialleistungen bezogen. Mindestens eine Person hatte aufgrund ihrer schwierigen Lebenssituation auch eine vom Amtsgericht bestellte Betreuung.
Das Paar – beide Frührentner – vermietete offenbar Zimmer an diverse Mieterinnen und Mieter, sie lebten in einer Art Wohngemeinschaft zusammen. Nach Angaben des Vogelsbergkreises herrschte dort eine hohe Fluktuation, Mieter kamen und gingen in kürzeren Abständen.
Nach dem Leichenfund im vergangenen Jahr hatten sich gegenüber dem hr mehrere Mieterinnen und Mieter zu den Umständen im Haus geäußert. Sie berichteten etwa davon, dass es dort zunächst eine Art "Wohnen auf Probe" gegeben habe, das unauffällig verlaufen sei.
Später sei es dann zu Beschimpfungen und Bedrohungen seitens des Vermieterpaares gekommen. Eine Person schilderte auch körperliche Übergriffe. Sie habe laut eigener Aussage "die Drecksarbeit" im Haushalt erledigen müssen.