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Umstrittener Vorfall in Idstein: Ermittlungen gegen Polizisten eingestellt

Überwachungsvideo aus Idstein zeigt mutmaßliche Polizeigewalt: Drei Menschen in Polizeiuniformen knien auf einer Person, die auf dem Boden liegt. Ein Vierter steht daneben.

Polizeibeamte fixieren vor einer Wache in Idstein einen am Boden liegenden Mann, einer von ihnen schlägt zu: Zurecht, urteilt nun die Staatsanwaltschaft nach Sichtung eines zunächst verschwundenen Überwachungsvideos. Der Anwalt des Opfers sieht das ganz anders.

Um zu klären, ob Beamte der Polizeiwache in Idstein (Rheingau-Taunus) bei einer Festnahme im September 2020 unrechtmäßig Gewalt angewendet haben, ließ die Staatsanwaltschaft Wiesbaden Videos aufwendig rekonstruieren, und auch der Landtag beschäftigte sich mit dem Fall.

Nun ist auch das letzte Verfahren gegen einen der beteiligten Polizisten eingestellt worden. Wie ein Sprecher der Staatsanwalt Wiesbaden am Montag erklärte, sei es rechtmäßig gewesen, dass der Polizist den am Boden liegenden Idsteiner Liam Conway geschlagen hatte.

Zunächst hatte die Frankfurter Rundschau darüber berichtet, dass das Verfahren wegen Körperverletzung im Amt eingestellt wurde. Die Verfahren gegen zwei weitere Beamte und eine Beamtin waren bereits zu einem früheren Zeitpunkt eingestellt worden.

Vor Polizeiwache gefesselt und geschlagen

Im September 2020 hatte der damals 38 Jahre alte Conway seinen Vater nach einer Verkehrskontrolle von der Polizeiwache abholen sollen. Laut Polizei verhielt sich Conway im Gebäude aggressiv, sodass er vor dem Gebäude zu Boden gebracht und festgenommen wurde.

Überwachungskameras filmten, was dort passierte. Weil die Videos nicht richtig gesichert wurden, ließ die Staatsanwaltschaft sie für die Ermittlungen technisch rekonstruieren.

Auch hessenschau.de berichtete im Januar 2023 über die Videos, auf denen zu sehen ist, wie sich Conway wehrt und die Beamten immer wieder Arme, Beine und Kopf des Mannes zu Boden drücken, bevor ein Polizist mit der Faust auf Conways Kopf schlägt.

Staatsanwaltschaft: Schlag rechtmäßig

Die genaue Sichtung der Videos habe nun zur Entscheidung beigetragen, das Verfahren gegen den Polizisten einzustellen, so ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Wiesbaden am Montag.

Man habe durch die Videos Aussagen des Polizisten in den Ermittlungen nachvollziehen können, wonach der Mann am Boden "im Clinch" nach der Dienstwaffe des Beamten gegriffen habe. Daher sei der Schlag des Polizisten eine rechtmäßige Handlung gewesen.

Anwalt legt Beschwerde ein

Conways Anwalt, Michael Heuchemer, teilte dem hr mit, er halte die Begründung der Staatsanwaltschaft für "falsch und bemerkenswert abwegig". Deshalb habe er gegen die Einstellung des Verfahrens Beschwerde eingelegt. Aus seiner Sicht belegten die rekonstruierten Videos den Vorwurf nach dem Griff zur Dienstwaffe nicht, sondern widerlegten ihn.

Es verletze seiner Meinung nach "sogar das Verfassungsrecht im Kern, wenn die Anklagebehörde so tut, als gebe es das Video nicht", so Heuchemer. Bürger und Beamte müssten gleich behandelt werden, wenn sie das Recht brechen, sagte er.

Ermittlungen wegen Strafvereitelung im Amt noch nicht abgeschlossen

Wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte wird auch gegen Heuchemers Mandanten Conway ermittelt. Das Verfahren wurde allerdings zurückgestellt, bis die anderen Verfahren abgeschlossen sind.

Noch ein weiteres Verfahren in der Sache ist aktuell offen: Die Staatsanwaltschaft Wiesbaden ermittelt wegen der zunächst verschwundenen Videos der Überwachungskameras vor der Idsteiner Polizeiwache - hierbei geht es um mögliche Strafvereitelung im Amt.

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