"Kein Zweifel, dass M. der Verfasser ist" Staatsanwaltschaft fordert siebeneinhalb Jahre Haft in "NSU 2.0"-Prozess

Die Staatsanwaltschaft ist überzeugt, dass Alexander M. über 80 Drohschreiben verfasst und mit NSU 2.0 unterzeichnet hat. Sie fordert eine lange Haftstrafe für den Angeklagten.

Angeklagter bekommt von einem Justizbeamten im Gerichtssaal Handschellen abgelegt.
Der Angeklagte Alexander M. steht seit Februar vor Gericht. Bild © picture-alliance/dpa
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Im Prozess um die "NSU 2.0"-Drohschreiben hat die Frankfurter Staatsanwaltschaft am Montag eine Haftstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten gegen den Angeklagten Alexander M. gefordert.

Verurteilt werden solle er unter anderem wegen Beleidigung und versuchter Nötigung, Störung des öffentlichen Friedens und Volksverhetzung, forderte Oberstaatsanwalt Sinan Akdogan am Montag vor dem Landgericht.

"Kein Zweifel, dass M. der Verfasser ist"

Er warf M. in seinem Schlussvortrag vor, der Verfasser von insgesamt 81 Drohschreiben zu sein, die per Email, Fax oder SMS an Rechtsanwälte, Politikerinnen, Journalistinnen und Vertreter des öffentlichen Lebens gerichtet und mit "NSU 2.0" unterzeichnet waren. Auch Bombendrohungen gegen Gerichte habe M. versendet.

Es bestehe kein Zweifel daran, dass M. der Verfasser gewesen sei. Er habe personenbezogene Daten über die Opfer gesammelt und sich dafür unter anderem als Polizist ausgegeben. Es handele sich um einen hochintelligenten Täter, in dessen Wohnung unter anderem Bücher zu "Methoden der Manipulation" gefunden worden seien.

Oberstaatsanwalt weist Vorwürfe zurück

Vor dem eigentlichen Plädoyer wies Akdogan Vorwürfe zurück, die Ermittler hätten nicht umfangreich ermittelt und weitere mögliche Verbindungen in ihre Untersuchungen einbezogen. Man habe unter Hochdruck gearbeitet, um die "unsägliche und schreckliche Drohserie" aufzuklären.

Der Vorwurf, dass nicht ausreichend ermittelt worden sei, wurde unter anderem von der Frankfurter Rechtsanwältin und Nebenklägerin Seda Basay-Yildiz erhoben, die ebenfalls bedroht worden war. Sie geht davon aus, dass das erste der Schreiben nicht vom Angeklagten, sondern von einem Frankfurter Polizisten versendet wurde.

So kritisierte dann auch ihre Anwältin, Antonia von der Behrens, am Montag den Ermittlungsansatz, von einem Einzeltäter auszugehen. Zumindest für das allererste Drohschreiben komme ein Alternativtäter in Betracht. Und auch die Frage der umfangreichen Datenabfragen ihrer Mandantin sei aus Sicht der Nebenklage nicht geklärt worden.

"Wie ein schlecht erzogenes Kind"

Staatsanwalt Akdogan erklärte, nachdem der Angeklagte in Berlin festgenommen worden war, habe die Drohserie mit der bis dahin verwendeten Mailadresse geendet. In seinem Plädoyer schilderte er, wie die Ermittler auf die Spur des Angeklagten gekommen waren. Er war nach umfangreichen Ermittlungen im Mai 2021 an seinem Wohnort in Berlin festgenommen worden. M. habe alleine gehandelt.

Der Prozess gegen den 54-Jährigen läuft seit Mitte Februar. Sein Verhalten vor Gericht kritisierte Akdogan deutlich: "Wir haben viel von ihm erduldet. Der Angeklagte hat hier eine Bühne bekommen." Teilweise habe er sich aufgeführt wie ein "schlecht erzogenes Kind" - etwa als er am ersten Prozesstag Medienvertretern grinsend den Mittelfinger entgegengestreckt hatte. Die Vorwürfe gegen ihn hatte der arbeitslose IT-Techniker in dem Verfahren zurückgewiesen.

Nicht-öffentliche Daten besessen

Bei den Adressaten der Drohschreiben handelte es sich um Entertainer wie den ZDF-Satiriker Jan Böhmermann, Politikerinnen wie die Parteivorsitzende der Linken, Janine Wissler und allen voran die Frankfurter Rechtsanwätin Seda Basay-Yildiz. Der Absender "NSU 2.0" spielt auf die rechtsextreme Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) an.

Öffentliches Aufsehen erregt hatte der Fall vor allem, weil der anonyme Schreiber offenkundig Zugriff auf nicht-öffentliche Daten seiner Opfer hatte. Nur kurz vor dem ersten Drohfax waren im 1. Polizeirevier in der Frankfurter Innenstadt insgesamt 17 Angaben zu Basay-Yildiz und ihrer Familie in insgesamt drei Datenbanken abgefragt worden.

Es sei nicht nachvollziehbar, dass diese umfangreiche Abfrage aufgrund eines Telefonanrufs eines angeblichen Kollegen erfolgt sei, so die Anwältin der Nebenklage. Sie geht von einem anderen Täter aus - einem Beamten des Reviers, gegen den auch im Zusammenhang mit einer rechtsextremen Chatgruppe Ermittlungen laufen. Als Zeuge im Prozess hatte er von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht.

Das Urteil soll frühestens Anfang November fallen.

Weitere Informationen

Sendung: hr-iNFO, 24.10.2022, 16 Uhr

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Quelle: hessenschau.de, dpa/lhe