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Apotheker in Hessen kritisieren Fiebersaft-Engpass

Ein Kind liegt im Bett (unscharf im Bildhintergrund). Im Bildvordergrund befinden sich Tschentücher, eine Tasse, ein Fieberthermometer und diverse Fläschen auf dem Nachtisch.

Bei Fieber schnell in die Apotheke, Fiebersaft fürs Kind kaufen: In der aktuellen Sommer-Welle eine Herausforderung. Hessens Apotheken sind leer geräumt, doch eine Apotheke in Erzhausen hilft sich jetzt selbst.

Die Körpertemperatur steigt, das Kind weint - doch Apotheker wie Holger Seyfarth aus Frankfurt-Bornheim müssen Eltern auf der Suche nach fiebersenkenden Säften in der aktuellen Sommer-Krankheitswelle immer häufiger abweisen. "Da sind wir natürlich genauso sprachlos", sagt Seyfarth, der auch Vorsitzender des hessischen Apothekerverbands ist.

Deutschlandweit sind Paracetamol- und Ibuprofenhaltige Fiebersäfte, die besonders oft bei Kindern und Kleinkindern verabreicht werden, derzeit Mangelware. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) spricht von einer derzeit "eingeschränkten Verfügbarkeit" und hat nach einer Abstimmung mit Apotheken, Krankenkassen und Kassenärzten Apotheker darauf hingewiesen, übergangsweise eigene Fiebersäfte herzustellen.

Geschäft lohnt sich nicht: Produzenten geben auf

Die Gründe für den aktuellen Engpass sind komplex. Einerseits sei der Bedarf an fiebersenkenden Säften seit 2022 "überproportional angestiegen", teilte das BfArM Anfang August mit. Gleichzeitig gebe es nach dem Rückzug eines Marktteilnehmers eine "Verteilproblematik" - ein Hersteller war im Frühjahr aus wirtschaftlichen Gründen aus der Produktion paracetamolhaltiger Fiebersäfte ausgestiegen.

Damit bleiben auf dem Markt nur noch zwei Fiebersaft-Hersteller, wie Wolfgang Becker-Brüser, Arzt, Apotheker und Chefredakteur der pharmakritischen Fachzeitschrift "Arznei-Telegramm", die Situation erklärt. Vor wenigen Jahren habe es noch zwölf Produzenten gegeben, diese seien aber aufgrund geringer Erlöse abgesprungen.

"Es ist leider so, dass im Moment die Rohstoffpreise steigen, während die Pharmakonzerne durch die Festbeträge und Rabattverträge in der Preisbildung auf viele Jahre gebunden sind", so Becker-Brüser. Um die Kosten möglichst gering zu halten, lagerten Hersteller ihre Produktion in kostengünstigere Länder, beispielsweise nach Indien und China, aus.

Weltweite Lieferketten sind sehr anfällig

Die Lieferketten für Arzneimittel seien in der Folge stark verzahnt und somit anfälliger, weiß auch Peter Goldschmidt, Vorstandschef des Arzneimittelherstellers Stada in Bad Vilbel (Wetterau). Hinter manchen Tabletten würden Reisen durch sechs, sieben Länder liegen, bis diese nach Deutschland kämen. Die Coronakrise und der Krieg in der Ukraine hätten zu Lieferproblemen bei einigen Medikamenten geführt.

Problematisch sei auch, dass Hersteller nicht verpflichtet seien, drohende Lieferengpässe zu melden, kritisiert Pharma-Experte und Apotheker Becker-Brüser. Somit falle der Mangel erst auf, wenn es zu spät sei.

Der Frankfurter Apotheker und Landesverbandsvorsitzende Seyfarth sieht die Politik in der Verantwortung, für eine stabile Lieferkette in der anhaltenden Krankheitswelle zu sorgen: "Es ärgert uns dermaßen, dass die Rahmenbedingungen von der politischen Seite nicht so gesetzt werden, dass Allerweltsarzneimittel zumindest hier vorrätig gehalten werden. Es kann nicht sein, dass in einem hochtechnisierten Land wie Deutschland, keine Fiebersäfte mehr vorhanden sind." Es gebe in diesen Sommermonaten verstärkt Infektionen, gerade bei Kindern und Kleinkindern. Auch die zusätzliche Produktion von Apothekern in Hessen könne das nicht auffangen.

Apotheke in Erzhausen startet Eigenproduktion

Die Heegbach Apotheke in Erzhausen (Darmstadt-Dieburg) hat nun in der Fiebersaft-Krise eine Eigenproduktion gestartet. "Wir dürfen unter hundert Fiebersäfte pro Charge, also am Tag, herstellen, das hat so seine Vorschrift und seine Regel", sagt Nojan Nejatian. Über die Apothekerbedarfsmenge hinaus benötige es eine gesonderte Erlaubnis mit zusätzlichen Anforderungen. "So können wir den akuten Bedarf decken und sind nicht so mit Papiergeschäft beschäftigt, dass wir unser Tagesgeschäft nicht mehr mitbekommen."

Mit ärztlichem Rezept bleibe auch der selbst hergestellte Fiebersaft eine Krankenkassen-Leistung. Ist der Fiebersaft nicht ärztlich verschrieben, liegt der Preis etwas höher: "Leider können wir nicht mit dem Preis von der Industrie hergestellten Säften konkurrieren, im Akutfall werden wir zwei, drei Euro drüber sein."

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