Audio

Böhmermann zeigt rechtsextreme Polizei-Chats aus Frankfurt

Moderator Böhmermann mit Polizei-Mütze an Moderationstisch

Die Staatsanwaltschaft bewertete die Inhalte als rechtsextrem, das Frankfurter Landgericht hielt sie nicht für strafbar: die WhatsApp-Chatgruppe "Itiotentreff" von Polizisten eines Frankfurter Polizeireviers. Jetzt hat die Satiresendung ZDF Magazin Royale den Chat veröffentlicht.

Externer Inhalt

Externen Inhalt von YouTube (Video) anzeigen?

An dieser Stelle befindet sich ein von unserer Redaktion empfohlener Inhalt von YouTube (Video). Beim Laden des Inhalts werden Daten an den Anbieter und ggf. weitere Dritte übertragen. Nähere Informationen erhalten Sie in unseren

Ende des externen Inhalts

Die Inhalte einer Whatsapp-Chatgruppe von Beamten eines Frankfurter Polizeireviers beschäftigen seit 2018 Ermittler, Justizbehörden und die Politik in Hessen und darüber hinaus. Die Frankfurter Staatsanwaltschaft hatte diese Inhalte als rechtsextremistisch, rassistisch, antisemitisch und menschenverachtend beschrieben und deshalb 2022 Anklage erhoben.

Das Landgericht Frankfurt ließ die Anklage aber nicht zu, denn das Gericht hielt die Bilder, Videos, und Nachrichten nicht für strafbar, teilweise sogar für Satire. Die Satiresendung ZDF Magazin Royale um Moderator Jan Böhmermann und die Transparenz-Plattform Frag den Staat haben den Chat am Freitagabend in aufbereiteter und teilweise zensierter Form veröffentlicht.

"Umfang menschenverachtender Inhalte deutlich machen"

Ziel der Rekonstruktion des Chats sei es, "erfassbar zu machen, was es heißt, wenn von diesem rechtsextremen Polizeichat die Rede ist", heißt es auf der eigens dafür eingerichteten Webseite.

Außerdem solle deutlich werden, in welchem Umfang menschenverachtende Inhalte im Chat "Itiotentreff" geteilt wurden und wie alltäglich es für die Gruppe der Polizisten und der Polizistin gewesen sei, "die zuvor einen Eid auf das Grundgesetz geschworen haben".

Inhalte oft geschwärzt und beschrieben

Ein großer Teil des veröffentlichten Chats besteht aus Bildern, die geschwärzt und durch Beschreibungen ersetzt wurden, andere Bilder wurden teilweise unkenntlich gemacht und verpixelt, "um eine Weiterverbreitung im menschenverachtenden Stil zu erschweren", wie es auf der Webseite heißt.

Videos habe man vollständig entfernt, "da es sich größtenteils um gewaltverherrlichende oder pornografische Inhalte handelt."

Trotz der Zensierungen wird deutlich, dass immer wieder Bilder und Nachrichten auftauchen, die Nationalsozialismus, Massenmord und sexualisierte Gewalt verherrlichen oder beispielsweise Menschen mit Trisomie 21 oder ertrunkene Geflüchtete verächtlich machen.

Landgericht sah in Inhalten teilweise Satire

Die Chatgruppe wurde demnach im Oktober 2015 gegründet. Im Zuge der Ermittlungen zur Drohschreiben-Serie des sogenannten NSU 2.0 waren andere Polizeibeamte im August 2018 auf die Whatsapp-Gruppe gestoßen.

Gegen vier Beamte und eine Beamtin des 1. Frankfurter Polizeireviers sowie die Lebensgefährtin eines der Beamten hatte die Frankfurter Staatsanwaltschaft im April 2022 Anklage erhoben.

Im Februar 2023 hatte das Landgericht Frankfurt entschieden, die Anklage nicht zuzulassen. Die Inhalte seien nicht strafbar, weil sie nicht über die geschlossene Gruppe hinaus verbreitet worden seien. Außerdem fielen nach Auffassung des Gerichts Teile der Inhalte unter Satire und seien von der Kunstfreiheit gedeckt.

Die Staatsanwaltschaft hatte gegen den Beschluss Beschwerde beim Oberlandesgericht (OLG) eingelegt. Eine Entscheidung, ob es sich dem Beschluss des Landgerichts anschließt, steht noch aus. Andernfalls könnte das OLG eine Hauptverhandlung eröffnen.

Vom Dienst befreit, aber weiterhin bezahlt

Die Polizisten und die Polizistin wurden damals von ihren Dienstgeschäften befreit, werden aber weiterhin bezahlt. Laut einer Antwort des hessischen Innenministeriums von Juni 2023 auf eine kleine Anfrage der Linksfraktion wurden einem der beteiligten Polizisten seit Mai 2023 die Bezüge um 40 Prozent gekürzt.

Aus unterschiedlichen Gründen wie persönlicher wirtschaftlicher Verhältnisse, fehlender rechtlicher Voraussetzungen und eines anhängigen Eilverfahrens sei eine Kürzung der Bezüge in den anderen Fällen nicht möglich gewesen.

Ministerium: Kein Polizist aus rechter Chatgruppe "aktiv im Dienst"

Gegen die betroffenen Polizisten seien bereits ab 2018 innerhalb der Polizei Disziplinarmaßnahmen eingeleitet worden, erklärte das Innenministerium am Sonntag. Im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten seien Verbote des Führens der Dienstgeschäfte sowie Dienstenthebungen ausgesprochen worden, "so dass keiner der betreffenden Beamten aktiv Dienst versieht". Aufgrund eines noch andauernden Strafverfahrens in der Sache seien die Disziplinarverfahren aber "bis zum rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens ausgesetzt".

Auf Nachfrage des hr hatte am Samstag ein Ministeriumssprecher betont, "im Rahmen von Transparenzveranstaltungen" seien die Chats bereits Mitarbeitenden bei der Polizei gezeigt worden, um für das Thema zu sensibilisieren. Das Ministerium dürfe die Chats aber nicht der Öffentlichkeit zugänglich machen.

Linke: "Menschenverachtung niemals Satire"

Auf X, ehemals Twitter, äußerte sich die Frankfurter Anwältin Seda Başay-Yıldız, deren Daten damals im Zuge der NSU-2.0-Drohschreiben von einem Polizeicomputer des betroffenen Frankfurter Reviers abgerufen wurden. "Fassungslos", sei sie darüber, dass "diese Polizisten die Daten meines Kindes abgerufen und verbreitet haben".

Die Fraktion der Linken im Landtag reagierte ebenfalls auf die Chat-Veröffentlichung. Sie mache deutlich, dass Menschenverachtung niemals Satire sein könne. Zur nicht zugelassenen Anklage sagte Fraktionsvorsitzende Elisabeth Kula: "Die Entscheidung des Landgerichts ist grotesk und empörend."

Weitere Informationen Ende der weiteren Informationen