Schild mit Flagge der Türkei, dem Schriftzug "DAVA" sowie der EU-Flagge

Mit der DAVA will sich eine neue Vereinigung für die Europawahl aufstellen: Die "Demokratische Allianz für Vielfalt und Aufbruch" möchte insbesondere türkeistämmigen Wählern eine Stimme geben. Welche Rolle spielt dabei Präsident Erdogan?

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DAVA will Hessen mit türkischen Wurzeln überzeugen

hs
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Am 16. Januar kam über Facebook die Ankündigung, dass es rechtzeitig zur Europawahl eine neue Option auf dem Wahlzettel geben soll: DAVA, die "Demokratische Allianz für Vielfalt und Aufbruch". DAVA will mit ihren Kandidaten im Juni bei der Europawahl auch in Hessen auf den Wahlzetteln stehen. Dafür hat die Vereinigung nach eigenen Angaben schon mehr als als die nötigen 4.000 Unterschriften gesammelt. Sie werden gerade überprüft, wie der Frankfurter Spitzenkandidat Fatih Zingal sagt. "Wir richten uns an alle ethnisch-religiösen Minderheiten, die sich bisher nicht repräsentiert fühlen", sagt er im hr-Interview.

Bevor Zingal zum Spitzenkandidaten wurde, war er in der "Union Internationaler Demokraten" aktiv, einem Verband, der Lobbyarbeit für die türkische Regierungspartei AKP macht. Einer der anderen Kandidaten für das Europaparlament, Ali Ihsan Ünlü, war früher Landesvorsitzender der DITIB in Niedersachsen. Die DITIB ist ein Moscheeverband, der der türkischen Religionsbehörde Diyanet unterstellt ist.

DAVA über Kritik: "Sind nicht der verlängerte Arm von Erdogan"

Das hat Kritik hervorgerufen: Die Vereinigung sei zu nah dran am türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Das Bundesinnenministerium teilte auf ARD-Anfrage Ende Januar zu DAVA mit: "Etwaige Versuche der Beeinflussung einer Wahl in Deutschland von außen werden nicht hingenommen."

"Wir sind nicht der verlängerte Arm von Erdogan, wir sind auch nicht der verlängerte Arm der AK-Partei", sagt Zingal dazu. "Wir sind eine innerdeutsche, sonstige politische Vereinigung, die sich auf die Fahnen geschrieben hat, tatsächlich jetzt bei der Europawahl erstmals anzutreten." Aus Sicht von DAVA-Spitzenkandidat Zingal gibt es bei den bestehenden Parteien keine Repräsentanz für die türkeistämmigen Wähler in Deutschland, deshalb brauche es nun eine eigene Partei.

Die Vereinigung fordert in ihrem Programm die Bekämpfung von Islamfeindlichkeit und die Anerkennung muslimischer Religionsgemeinschaften. Sie stehe für ein traditionelles Familienbild ein und positioniere sich gegen Abtreibung. Türkisch soll an Schulen als zweite Fremdsprache unterrichtet werden, Kinder- und Jugendarmut sollen durch die Schaffung von Arbeitsplätzen bekämpft werden. Ein höheres Rentenniveau findet sich im Programm ebenso wie die Forderung nach weniger Bürokratie.

Expertin: "DAVA spaltet die Gesellschaft"

Susanne Schröter vom Zentrum Globaler Islam an der Goethe-Universität Frankfurt sieht die grundsätzliche Haltung der neuen Vereinigung kritisch. "Indem hier behauptet wird, eine marginalisierte Gruppe zu vertreten, wird die Spaltung der Gesellschaft eher noch weiter vorangetrieben."

Die Partei sei ein Zeichen dafür, dass es durchaus parallelgesellschaftliche Strukturen in Deutschland gäbe. "Damit verstärken sie eine Tendenz zur Abschottung, wenn sie behaupten, dass Muslime sich nicht mehr vertreten sehen könnten in Deutschland mit dem Parteienspektrum, das wir haben."

Auch der Name DAVA sei sicherlich nicht zufällig gewählt – er klinge wie das arabische Wort "Da'wa", das zur Mission für den Islam aufruft, so Schröter.

Hoffnung auf einen Sitz im EU-Parlament

Bisherige Versuche von türkeistämmigen Politikern, eigene Parteien in Deutschland zu bilden, waren wenig erfolgreich. Die "Allianz Deutscher Demokraten", der ebenfalls eine Nähe zur türkischen Regierungspartei AKP nachgesagt wurde, hatte bei der Bundestagswahl 2017 nur 0,1 Prozent der Stimmen erreicht und trat daraufhin 2021 nicht mehr an.

Ein solches Schicksal erwartet Zingal für die DAVA naturgemäß nicht. Zumal es für den Einzug ins Europaparlament keine Fünf-Prozent-Hürde gibt. Bei der letzten Europawahl im Jahr 2019 haben für die Piratenpartei 243.000 Stimmen deutschlandweit gereicht, um mit einem Sitz in das Parlament einzuziehen – das ist aus Sicht von Zingal für seine Partei auch zu schaffen.

Professorin erwartet mehr personelle Durchschlagskraft

"Wir stellen uns auf einer ganz anderen Basis auf. Wir haben das gesamte Jahr 2023 damit verbracht herauszufinden: Gibt es wirklich diesen Bedarf, den wir vermutet haben? Das haben wir festgestellt und uns entschlossen, die DAVA wirklich zu gründen", so Zingal.

Einen Unterschied zu den bisher erfolglosen Parteien sieht auch Expertin Schröter von der Goethe-Uni. "Hier sind zum ersten Mal die Vertreter mächtiger AKP-Lobby-Organisationen zusammengekommen, um eine solche Partei zu gründen." Das könne mehr Durchschlagskraft für die DAVA bedeuten.

Von der SPD zur DAVA

Zingal war früher in der SPD, war zehn Jahre lang Parteimitglied und trat nach eigenen Angaben wegen Thilo Sarrazin aus der Partei aus.

Die SPD hatte früher viele Wähler in der türkeistämmigen Bevölkerung – das zeigen Daten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Die Bindung an die Sozialdemokraten lässt aber nach – bei der Bundestagswahl 2017 haben laut einer Studie der Universität Duisburg-Essen nur etwa 35 Prozent der türkeistämmigen Wähler ihr Kreuz bei der SPD gemacht.

Yüksel: Keine große Gefahr

Turgut Yüksel ist Landtagsabgeordneter der SPD aus Frankfurt, er ist selbst als junger Mann aus der Türkei nach Deutschland gekommen. Aus seiner Sicht geht keine große Gefahr von der DAVA aus. Yüksel glaubt nicht, dass die Vereinigung viele Wähler erreichen werde. "Sie bezeichnen sich als Demokratische Allianz für Vielfalt, die Frage ist: Welche Vielfalt vertreten sie? Wir wissen, dass diese Vielfalt aus konservativen Türken besteht, die als Lobbyisten für die AKP tätig waren. Diese Partei spaltet die türkische Gesellschaft und untergräbt die Integrationsbemühungen, die wir seit Jahren in der Gesellschaft haben."

Aus Sicht von Spitzenkandidat Zingal ist seine Partei die logische Konsequenz daraus, dass Migrantinnen und Migranten sich in Deutschland nicht von den bisherigen Parteien vertreten fühlen. Es gebe bereits eine dreistellige Zahl von Mitgliedsanträgen für DAVA. Derzeit würden die Unterschriften, die es braucht, um bei der Europawahl anzutreten, von den Meldebehörden geprüft.

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