Um die Hälfte gestiegen Hessen schiebt deutlich mehr Menschen ab

Die Zahl der Abschiebungen aus Hessen hat in den ersten drei Monaten dieses Jahres deutlich zugenommen. Das Innenministerium begrüßt den Kurs. Flüchtlingsorganisationen sehen die zunehmenden Rückführungen kritisch.

Menschen beobachten einen Start am Flughafen
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Die politischen Forderungen nach mehr Abschiebungen zeigen offenbar Wirkung. Wie das Innenministerium in Wiesbaden auf hr-Anfrage mitteilte, wurden in Hessen von Anfang Januar bis Ende März 566 Personen abgeschoben. Das sind 45 Prozent mehr Abschiebungen als im Vergleichszeitraum 2024. Im ganzen vergangenen Jahr wurden 1.661 Menschen aus Hessen abgeschoben. 2023 waren es 1.406.

"Wer ausreisepflichtig ist, muss unser Land auch wieder verlassen. Das ist ein Gebot der Konsequenz unseres Rechtsstaates", findet Innenminister Roman Poseck (CDU). Nach Angaben seines Ministeriums gehört Hessen seit 2018 zu den fünf Bundesländern mit den höchsten Rückführungszahlen. Deutschlandweit wurden im vergangenen Jahr 20.084 Menschen abgeschoben. 

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Landesregierung für härtere Migrationspolitik 

Die Gründe für die erhöhten Abschiebezahlen sind vielfältig. Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) und Poseck sprachen sich zuletzt wiederholt für eine härtere Migrationspolitik aus und begrüßen dahingehende Pläne der neuen Bundesregierung. Diese möchte mit zusätzlichen Grenzkontrollen und Zurückweisungen von Asylbewerbern gegen "unerwünschte und irreguläre Migration" vorgehen. 

Hinzu kommt, dass die Europäische Union ihr gemeinsames europäisches Asylrecht (GEAS) reformiert hat. Es soll Verfahren beschleunigen und vereinheitlichen. Seitdem gelten strengere Regeln für Asylbewerber aus Staaten, die als relativ sicher gelten.

Um die Abschiebezahlen zu erhöhen, soll auch die Liste der sicheren Herkunftsstaaten um sieben Länder erweitert werden. Asylanträge aus diesen Staaten sollen nach den Plänen der Kommission künftig schneller bearbeitet werden. Das Europäische Parlament und die Mitgliedsstaaten müssen dem Vorschlag der Kommission zustimmen. 

Familien und Minderjährige vermehrt betroffen 

Der Hessische Flüchtlingsrat sieht die zunehmenden Abschiebungen kritisch. Diese beträfen vermehrt vulnerable Gruppen, sagt Geschäftsführer Timmo Scherenberg: "Es wird eher hingenommen, dass Familien getrennt werden oder Menschen in Krisengebiete geschickt werden."

Grundsätzlich beobachten alle Organisationen in der Flüchtlingshilfe eine härtere Abschiebeoffensive, wie Pro Asyl bestätigt. "Die Sachbearbeiter in den Kommunen stehen unter Druck, mehr abzuschieben", sagt Tareq Alaows, der flüchtlingspolitische Sprecher von Pro Asyl. Die Auswirkungen der Politik zeigen sich ihm zufolge auch in der Beratungsarbeit, da sich mehr Familien und Minderjährige an Pro Asyl wendeten. 

Kritik an geplanten Zurückweisungen

Die neue Bundesregierung möchte außerdem die unter Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und der Ampel-Regierung eingeführten verstärkten Grenzkontrollen beibehalten und ausweiten - auch um dort Asylbewerber abzuweisen.

Aus Sicht des Rechtswissenschaftlers Maximilian Pichl von der Hochschule RheinMain ist dieses Vorgehen nicht mit EU-Recht vereinbar. Es gebe ein individuelles Recht auf Asyl, das in der Europäischen Grundrechtecharta verankert sei: "Mit irregulärer Migration wird mittlerweile eigentlich jede Form der Fluchtmigration einkategorisiert, obwohl Menschen, die einen Fluchtgrund haben, auch eine Grenze übertreten dürfen."

Das sei nur im ersten Moment ein illegaler Grenzübertritt, der im Nachhinein mit dem Asylantrag legalisiert werde, argumentiert Pichl: "Sobald ich ein Asylantragsteller bin, halte ich mich komplett rechtmäßig auf dem Territorium der Europäischen Union auf."

Abschiebung von Straftätern ist kompliziert 

Nach tödlichen Messerangriffen durch ausreisepflichtige Asylbewerber wie dem in Aschaffenburg forderten viele Politiker, Straftäter ohne Bleiberecht abzuschieben. Das hessische Innenministerium räumt aber ein, dass dieses Ziel einige Herausforderungen mit sich bringt. Nach Auskunft einer Sprecherin können oft keine Rückführungen erfolgen, weil Herkunftsländer ihre eigenen Staatsangehörigen nicht zurücknehmen wollten. 

Häufig könne auch die Identität der Betroffenen nicht geklärt werden, wenn kein Pass vorhanden sei. Einzelne Herkunftsstaaten weigerten sich, Pass- oder Passersatzpapiere auszustellen. Das verschleppe entsprechende Verfahren, teilt die Sprecherin von Innenminister Poseck mit. 

Von Januar bis März mussten nach Angaben des Ministeriums 194 "Personen mit Sicherheitsbezug", darunter Straftäter und Gefährder, Hessen verlassen - ein Drittel der Abgeschobenen insgesamt. Im ganzen Jahr 2024 wurden demnach 590 Straftäter aus Hessen abgeschoben.

Redaktion: Stephan Loichinger

Sendung: hr INFO,

Quelle: hessenschau.de