Vom Azubi zum Rathaus-Chef in Lautertal Mit 27 Jahren zum Bürgermeister gefuchst

Seit einem Jahr lenkt Lukas Becker die Geschicke in der Vogelsberg-Gemeinde Lautertal. Als Hessens jüngster Bürgermeister löste der ehemalige Verwaltungs-Azubi seinen eigenen Vorgesetzten ab. Wie sich der 27-Jährige seither selbst auf dem Chefsessel schlägt, zeigt ein Vor-Ort-Besuch.

Lukas Becker Bürgermeister Lautertal
Lukas Becker ist seit einem Jahr Bürgermeister von Lautertal im Vogelsberg. Bild © Jörn Perske (hr)

Vor rund einem Jahr sorgte Lukas Becker für Schlagzeilen in Hessen: Mit erst 26 Jahren trat er am 1. Juli 2024 in Lautertal sein Amt an - und zwar als jüngster Bürgermeister Hessens. Seitdem sind sie nicht nur in der Vogelsberg-Gemeinde gespannt, ob das gut geht. Schließlich hat Becker verhältnismäßig wenig Lebens- und Berufserfahrung, aber viel Verantwortung für die 2.300 Einwohner zählende Kommune südwestlich der Kreisstadt Lauterbach.

Azubi schlägt Chef

Sein Amtsantritt war nicht nur wegen seines jungen Alters eine Geschichte, die es nicht alle Tage gibt. Denn Becker trat als gerade ausgelernter Verwaltungs-Azubi direkt mal gegen seinen rund 30 Jahre älteren Chef an: Bürgermeister Dieter Schäfer.

Schäfer fand das seinerzeit gelinde gesagt irritierend, musste am Ende aber zähneknirschend den Chefposten räumen. SPD-Nachwuchsmann Becker gewann mit rund 60 Prozent gegen den parteilosen Amtsinhaber. Der 59-Jährige arbeitet mittlerweile in der Verwaltung des Vogelsbergkreises. Äußern möchte er sich über Becker immer noch nicht.

Superlativ eingebüßt

Becker sitzt nun am 1. Juli seit einem Jahr auf dem Chefsessel im Rathaus. Den Superlativ als Hessens jüngster Bürgermeister hat er mit seinen mittlerweile 27 Jahren eingebüßt. Der im September 2024 in Gilserberg (Schwalm-Eder) gewählte Lukas Daum ist noch jünger, derzeit 26.

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Jüngste Bürgermeister in Deutschland

Als Becker frisch gewählt wurde, war er sogar Deutschlands jüngster Bürgermeister. Aber bis zu seinem Amtsantritt gab es wiederum noch jüngere. Der jüngste hauptamtliche Bürgermeister Deutschlands ist übrigens - laut einer Auflistung des Netzwerks Junge Bürgermeister - Patrick Albrecht in Gößnitz (Thüringen). Mit gerade einmal 24 Jahren.

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Das Alter sage aber nur wenig aus über die Eignung eines Bürgermeisters, findet Becker. "Es ist eine Frage, wie man sich reinarbeitet, richtig reinfuchst. Wenn man den Job gut machen will, dann schafft man das auch in jungem Alter."

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Musterschüler und Jung-Manager

Wer sich mit Becker und seinem Werdegang zum Jungspund-Bürgermeister befasst, der merkt schnell: Er will es wirklich gut machen. Sein Auftreten hat etwas von einem Musterschüler und ambitioniertem Jung-Manager.

Lukas Becker Bürgermeister Lautertal
Lukas Becker vor Computer-Monitoren in seinem Büro. Bild © Jörn Perske (hr)

Für das Interview mit dem Hessischen Rundfunk hat sich Becker ordentlich rausgeputzt. Er nennt das "bedarfsorientierte Bekleidung": dunkelblauer Anzug, weißes Hemd und Lederschuhe. Dazu ein einnehmendes Lächeln. Das trägt er aber jeden Tag. "Ich war schon immer der Strahlemann", erklärt Becker.

Viel Work, wenig Life

Der 27-Jährige glaubt, dass er mit seiner Art und seiner Kommunikation frischen Wind reingebracht hat. "Die Bürger merken, dass ich für meine Aufgabe brenne." Er investiert jedenfalls viel Zeit. Rund 70 Stunden sei er pro Woche im Einsatz und unterwegs.

Hier auf einem Feuerwehrfest, dort auf einer Kirmes oder einem Vereinsjubiläum. "So geht das fast jedes Wochenende", sagt Becker. Ob das seine Interpretation von einer gesunden Work-Life-Balance ist? "Es ist etwas viel Work und wenig Life." Aber die Balance sei okay für ihn und seine Freundin.

Kritik an fehlenden Neuerungen

Wenn Becker mal privat unterwegs ist, wird er natürlich trotzdem als Bürgermeister wahrgenommen. Nicht als Lukas, der am Wochenende frei hat und ungestört was trinken möchte. Ein Schicksal, das er mit jedem Dorfpfarrer teilt. Da störe es ihn auch nicht, wenn er dann auf wackelige Gullydeckel hingewiesen werde.

Er sei nicht nur fürs Verwalten, sondern fürs Gestalten gewählt worden, weiß der Rathauschef. Für die Umsetzung größerer Ziele. Und daran hapert es nach Ansicht der CDU in der Gemeindevertretung noch ganz gewaltig. "Seine Wahlversprechen hat er bislang nicht umgesetzt. Es ist nichts Nachweisbares passiert", kritisiert CDU-Fraktionsmitglied Patrick Heil.

Landarzt und Lebensmittelladen

Ein Lebensmittelgeschäft und ein Landarzt hatte Becker für Lautertal angekündigt. Doch das stelle sich als schwierig heraus und lasse sich nicht mal eben umsetzen - "zumal man dabei auf andere angewiesen ist." Innerhalb seiner Amtszeit wolle er beide Ziele dennoch realisieren.

Ansonsten, sagt Becker, habe er für einige kleinere Innovationen gesorgt: Mit einer Gemeinde-App bekommen die Bürger Infos und vor allem Push-Benachrichtigungen, etwa wenn's mal brennt oder das Wasser nach einem Rohrbruch abgestellt werden muss. Zudem habe er einen Unternehmer-Stammtisch und einen Neugeborenen-Treff für Eltern mit Nachwuchs ins Leben gerufen .

Auch die Anschaffung eines neuen Baggers schreibt sich Becker auf die Fahnen. Mehr als 170.000 Euro habe er insgesamt an Fördermitteln für die Kommune klargemacht. Dennoch bleibe die Finanzierung der Gemeinde-Infrastruktur eine der Herkules-Aufgaben. Der erste Haushalt unter seiner Regie sei jedoch ausgeglichen.

Lukas Becker Bürgermeister Lautertal
Lukas Becker bei der Arbeit. Bild © Jörn Perske (hr)

"Ist der Aufgabe gewachsen"

Becker ist es gelungen, als Greenhorn-Bürgermeister auch von den beiden anderen Fraktionen akzeptiert zu werden. Richard Golle, Fraktionsvorsitzender der UBG (Unabhängige Bürgerliste und Grüne), stellt dem Neuling ein positives Zwischenzeugnis aus: "Er ist engagiert und transparent. Er tritt selbstbewusst auf, ohne überheblich zu sein und ist für alle Probleme ansprechbar." Auch seine "ökologische Orientierung" gefalle ihm.

Auch Patrick Heil von der CDU - die zweitgrößte Fraktion nach der SPD - hat trotz seiner Kritik viele lobende Worte für den jungen Rathauschef übrig: "Auch wenn er noch ein sehr junger Bürgermeister ist, macht er seine Arbeit gut. Bei Sitzungen ist er fachlich gut vorbereitet, bringt Impulse und Ideen mit. Er ist der Aufgabe auf jeden Fall gewachsen."

Sendung: hr4,

Quelle: hessenschau.de