Lukas Becker, der neugewählte junge Bürgermeister von Lautertal, steht in Hemd und beiger Jacke neben einem Schild, auf dem Rathaus steht

Lukas Becker war der Überraschungssieger bei der Bürgermeisterwahl in der Vogelsberggemeinde Lautertal. Brisant: Der bisherige Azubi trat gegen seinen eigenen Chef im Rathaus an - der zeigt sich "tief enttäuscht".

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Neuer Lautertaler Bürgermeister löst eigenen Chef ab

Der neue Bürgermeister
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Wenn er an den Wahlabend zurückdenkt, strahlt Lukas Becker über das ganze Gesicht: Mit 60,1 Prozent der Stimmen hat er sich vor knapp zwei Wochen gegen den amtierenden Bürgermeister von Lautertal, Dieter Schäfer (parteilos), durchgesetzt, und das bei einer Wahlbeteiligung von fast 80 Prozent.

Das deutliche Votum der rund 2.300 Einwohner der Gemeinde im Vogelsberg war auch für Becker selbst eine echte Überraschung, obwohl er es im Wahlkampf mit vielen Ortsterminen und Besuchen bei Vereinen ja darauf angelegt hat: "Es ist ein besonderes Gefühl und aufregend, weil ich weiß, welche Herausforderungen in den nächsten Jahren auf mich zukommen."

Das mag eine ungewöhnliche Aussage sein für einen 26-Jährigen. Aber Lukas Becker weiß, wie es im Lautertaler Rathaus zugeht. Als er sich entschied, bei der Wahl anzutreten, steckte er in den letzten Zügen seiner Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten - im Rathaus!

Angetreten gegen den eigenen Chef

Direkt gegen seinen eigenen Chef anzutreten - keine leichtfertige Entscheidung, betont Lukas Becker. Aber er folgte einem Plan. "Ich hatte schon seit 2016 das Ziel, Bürgermeister zu werden, klar auf der Agenda."

Becker berichtet, er habe durch seine Arbeit viel Einblick in die Verwaltung gewonnen, "und ich würde da gern einiges anders machen". Er sei auch von Bürgern und Lokalpolitikern angesprochen worden, ob er nicht als Bürgermeister kandidieren wolle. "Am Ende dachte ich mir: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt!" Nicht nur die SPD-Fraktion unterstützte seine Kandidatur, sondern auch die UBG (Unabhängige Bürgerliste und Grüne).

Der abgewählte Lautertaler Bürgermeister Dieter Schäfer sitzt in dunklem Jacket an seinem Schreibtisch und blickt ernst in die Kamera.

Noch-Bürgermeister Dieter Schäfer (parteilos) fühlt sich noch immer vor den Kopf gestoßen, wie er einräumt. Gemeinsam mit den Kommunen Wartenberg, Herbstein und Grebenhain habe Lautertal für Becker extra eine Stelle als Digitalisierungsbeauftragter und Klimamanager geschaffen, berichtet der 58-Jährige: "Dass er mir dann mit seiner Kandidatur so in den Rücken gefallen ist, davon war ich auch menschlich sehr enttäuscht."

Amtsinhaber "maßlos enttäuscht"

Wenn er an den Wahlabend zurückdenkt, spürt Dieter Schäfer noch immer den Schock: "Das war für mich einer der schlimmsten Abende in meinem Leben, weil ich nicht damit gerechnet hatte." Dass sein Ex-Azubi ihm den Rang abgelaufen habe - dabei habe er in den zurückliegenden fünf Jahren doch viel erreicht.

Der Amtsinhaber zählt auf: Straßenbeiträge abgeschafft, flächendeckendes Glasfasernetz, neue Feuerwehrfahrzeuge, neue Spielplätze. "Da hatte ich erwartet, dass mir die Bürger ein eindeutiges Votum mit auf den Weg geben", sagt Schäfer: "Ich bin maßlos enttäuscht und hätte nie gedacht, dass ich nicht mehr Bürgermeister dieser Gemeinde sein darf."

Becker sagt, am Ende sei eine Bürgermeisterwahl eine Persönlichkeitswahl. Am 1. Juli 2024 muss Schäfer das Amt an ihn übergeben. Bis dahin können sich der Noch-Bürgermeister und sein Nachfolger im kleinen Lautertaler Rathaus kaum aus dem Weg gehen. Beide beteuern, dass sie professionell und fair mit der Situation umgehen wollen. Schäfer sagt: "Für die Zeit, für die ich gewählt bin, möchte ich auch für meine Bürger da sein."

Wie es in acht Monaten für ihn weitergeht, weiß Schäfer derzeit noch nicht. "Ich habe jetzt genügend Zeit, den Markt zu sondieren und mir Gedanken über meine berufliche Zukunft zu machen", sagt er.

Becker: "Frischen Wind in die Kommune"

Lukas Becker wird dann zwar der jüngste hauptamtliche Bürgermeister der Republik, bringt aber politische Erfahrung mit. Seit 2016 engagiert er sich in der Kommunalpolitik, ist Vorsitzender der SPD in seinem osthessischen Heimatort Gemünden (Felda) und sitzt seit 2021 im Vogelsberger Kreistag.

"Da bekomme ich natürlich viele Herausforderungen mit, die Kommunen haben", sagt Becker. Von seinem Job in der Lautertaler Verwaltung wisse er, was in den nächsten Jahren auf die Gemeinde zukommt.

Der neugewählte Lautertaler Bürgermeister Lukas Becker hilft auf dem landwirtschaftlichen Hof seiner Eltern und füttert die Schweine im Stall.

Die wichtigsten Themen, die Becker in Lautertal angehen will: bessere medizinische Versorgung, Digitalisierung, Mobilität. "Wir haben als einzige Kommune im Vogelsberg keine ärztliche Versorgung - ein Riesenmanko, für das wir eine Lösung in Form von Sprechstunden oder ähnlichen Ansätzen brauchen." Auch eine Lebensmittel-Grundversorgung möchte Becker in Lautertal etablieren. "Ich glaube, dass ich frischen Wind in die Kommune bringen und viel bewegen kann - hoffentlich auch mit einer langfristigen Perspektive."

Als Bürgermeister im Feuerwehr-Einsatz

In seiner Freizeit engagiert sich der neue Jung-Bürgermeister seit vielen Jahren in der Freiwilligen Feuerwehr. Das möchte er auch als Ratshauschef weitermachen, betont er: "Der Bürgermeister ist der Dienstherr der Feuerwehr. Da schadet es nicht, wenn der selbst mit dabei ist und genau weiß: Was läuft vor Ort, was braucht die Feuerwehr?"

Der Fan von Eintracht Frankfurt und Schlagermusik lebt noch in Gemünden (Felda) auf dem landwirtschaftlichen Betrieb seiner Eltern, wo er auch regelmäßig mitanpackt. Möglichst bald will Lukas Becker aber eines seiner Wahlversprechen einlösen - und als zukünftiger Bürgermeister nach Lautertal ziehen. Der bisherige wohnt in einem Nachbarort.

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