Regionalliga-Aufsteiger Alzenau Bayerns hessischster Klub und die ewige Frage nach dem Wappen
Der FC Bayern Alzenau hat gerade die Hessenliga als Zweiter abgeschlossen. Einer von vielen Widersprüchen und Kuriositäten beim Klub aus dem Unterfränkischen, dessen Wappen so verdächtig vertraut aussieht.
Was ist das für ein Logo? Ist das nicht geklaut? Seid ihr ein Fanklub? Ihr heißt FC Bayern Alzenau und spielt in Hessen?! "Manchmal ist es ein bisschen nervig", sagt Andreas Trageser. Er kennt Fragen wie diese in jeder Form und Farbe, schließlich steht er als 1. Vorsitzender an der Spitze eines Vereins, den man nur mit Beipackzettel verstehen kann. Dass die Bayern gerade Zweiter in der Hessenliga geworden sind, macht das nicht einfacher.
Aber eins nach dem anderen: FC Bayern Alzenau ist ein vergleichsweise handelsüblicher Name, schließlich tauften die Gründer 1920 nicht ihre Erstgeborenen, sondern einen Fußballklub. Damit waren sie zeitlich hinter dem anderen FC Bayern aus München zurück, der bereits 1900 das Licht der Welt erblickte und dessen Existenz sich in den folgenden 20 Jahren bis ins Unterfränkische herumgesprochen haben dürfte.
Kein Bayern-München-Fanklub
Der Verdacht, dass bei der Namensgebung eine Handvoll Fans ihrer Leidenschaft für den großen Bruder aus München Ausdruck verleihen wollten, ist aber offenbar unbegründet. "Das hat man sich vor 120 Jahren ausgedacht", sagt Trageser einschränkend. Will sagen: Bei den Zeitzeugen geht niemand mehr ans Telefon. Mehrheitsfähig ist aber die Deutung, dass der Name aus einem damals noch vorherrschenden Zugehörigkeitsgefühl für den Freistaat resultiert.
"Es gibt ja viele Bayern", sagt Trageser. Die SpVgg Bayern Hof etwa, Bayern Kitzingen oder sogar SK Bayern Krepice in Tschechien. Letzteres Bayern läuft allerdings ganz bewusst mit dem heute bekannten Logo des FC Bayern München auf.
Das ist in Alzenau nicht der Fall, obwohl das Emblem des Amateurklubs dem des Rekordmeisters verdächtig ähnlich sieht. Zugegeben, Alzenau hat eine etwas andere Rautenstruktur, ist blau-weiß und München steht auch nicht drauf. Der Fall scheint aber mit einem bloßen Blicktest geschlossen: eine Kopie.
Alzenaus Logo war zuerst da
So einfach ist es nicht. Die großen Bayern waren rein äußerlich nicht immer die Bayern, die sie heute sind. Nachweislich hat der FC Bayern München das Wappen, an das das Alzenauer Emblem unwillkürlich erinnert, erst in den 70ern eingeführt. In ihrem Corporate Design hatten die Münchner in ihrer Frühphase aus heutiger Sicht zeitweise mehr Ähnlichkeit mit Hertha BSC oder Olympique Marseille als mit sich selbst.
Erst viel später fand ein grundlegendes Redesign hin zu dem heute einschlägig bekannten Bayern-München-Logo statt. "Da gab es unseres aber definitiv schon", sagt Alzenaus Vorstandsmitglied Mathias Simon. Der Bayern-Standort Alzenau konnte also schwerlich kopieren, was es noch gar nicht gab.
Ein Beweismittel, das alles auf den Kopf stellt. Sollten die Alzenauer Fußballer nicht nur unschuldig, sondern sogar selbst beklaut worden sein? "Es kann ja auch alles Zufall sein", sagt Simon salomonisch. "Das runde Logo hat man damals oft verwendet, weil der Kreis Unendlichkeit symbolisiert." Die nüchterne Erklärung: alles purer Zufall.
Vermutlich sei man damals einfach stolz gewesen, zum Freistaat Bayern zu gehören, sagt Simon. Damit ist es heute nicht mehr weit her. 1816 ist die lange Zeit hessische Region erst nachträglich in Bayern eingegliedert worden. "Wir waren sozusagen Beute-Bayern. Uns hat man damals hergetauscht und jetzt würden wir am liebsten wieder zurücktauschen", sagt Trageser.
"Wir fühlen uns komplett hessisch, auch von der Sprach'"
Die Geografie stützt die Argumente des Klub-Vorsitzenden, der betont: "Wir gehören absolut zur Metropolregion Rhein-Main." Gute zehn Minuten sind es mit dem Auto nach Hanau, eine halbe Stunde zum Frankfurter Flughafen. "Wir fühlen uns komplett hessisch, auch von der Sprach'", sagt Trageser, der in diesem Moment noch ein wenig hessischer klingt als ohnehin.
Zumindest im Fußball sind die Bayern seit nun gut 30 Jahren auch von Amts wegen Hessen, kicken im Fußballverband des benachbarten Bundeslandes. Simon erinnert sich genau: "Am 12. Mai 1992 kam das erlösende Schreiben." Nach langem Bitten wurde dem Antrag stattgegeben, künftig unter hessischer Flagge kicken zu dürfen.
Seitdem bleiben ihnen Auswärtsfahrten an die tschechische Grenze oder ins Fichtelgebirge erspart. Bis zu 350 Kilometer einfache Strecke kamen da schon mal zusammen. "Unermesslich und unzumutbar", findet Simon. Dieser Einschätzung schloss sich auch der HFV an. Zunächst galt die Regelung nur für die erste Mannschaft. "Das ist dann nach und nach erweitert worden, sozusagen wegen guter Führung", erklärt Simon. Heute spielen alle Teams in Hessen, nur die Bambini sind weiterhin bayrisch.
Tribünensitze aus der Allianz Arena
Ab und zu höre man bei den Spielen schon noch ein "Zieht den Bayern die Lederhosen aus." Das bliebe eben nicht aus bei dem Namen. Die tatsächlich wohl einzige echte Verbindung zum Rekordmeister, sind aber die Sitze auf der Tribüne der Unterfranken. Die stammen aus der Münchner Allianz Arena. Nach dem Auszug von 1860 München wurden die neutralen grauen Sitze ausgemustert und verkauft, 400 wanderten nach Alzenau.
Eine engere Verbindung, geschweige denn ein Freundschaftsspiel, hat sich bislang noch nicht ergeben. Zwar hätte sich der Regionalliga-Aufsteiger durchaus darum bemüht, unter den Interessenten ist Alzenau aber nur einer von vielen. Da hilft auch das Wappen nicht. "Wir hoffen auf den DFB-Pokal", sagt Trageser.
Aber vor allem zunächst auf den Klassenerhalt in der Regionalliga Südwest. "Wenn uns das gelingt, ist das noch höher zu bewerten als der Aufstieg. Aber jetzt genießen wir erstmal", sagt Trageser. Schon bald wird er dann den Klubs in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz erklären, was es denn mit den hessischen Bayern auf sich hat.