Mittelhessen träumen vom Aufstieg Underdog Fernwald mischt die Hessenliga auf
Nach einem großen Umbruch im vergangenen Sommer startete der ohnehin kleine FSV Fernwald als krasser Außenseiter in die Hessenliga. Nun stehen die Mittelhessen auch dank eines ehemaligen OFC-Trainers kurz vor dem Aufstieg.
Ein guter Start in die neue Saison sieht wahrlich anders aus. Der FSV Fernwald stand im Sommer 2024 vor einem großen Fragezeichen. Daniyel Bulut gab das Traineramt nach sieben Jahren aus gesundheitlichen Gründen ab. Viele Spieler zog es ebenfalls weg aus Fernwald. Die (Fußball-) Welt ist schließlich größer als das 7.000-Seelen-Dorf im Landkreis Gießen.
"Wir wussten nicht, wo wir stehen", sagt Vorstand Stefan Bechthold im Gespräch mit dem hr-sport ganz offen. Seit geraumer Zeit wissen sie in Fernwald aber ganz genau, wo sie stehen: ganz oben nämlich, an der Tabellenspitze der Hessenliga.
Noch vier Spiele bis zum Aufstieg
Nach 32 Spieltagen hat der FSV stolze 62 Punkte gesammelt. Rot-Weiß Walldorf, das Aufstiegs-Relegationsplatz zwei belegt, hat drei Punkte Rückstand, Bayern Alzenau (57) würde als Dritter derzeit leer ausgehen.
Noch vier Saisonspiele stehen auf dem Programm. Verteidigt Fernwald seinen ersten Platz, steigt der Verein zum ersten Mal in der Geschichte in die Regionalliga auf. "Sensationell" wäre das, sagt Bechthold.
Das große Faustpfand des mittelhessischen Underdogs: "Wir haben zwar nicht die besten Einzelspieler, aber wir sind eine absolute Einheit", so der FSV-Vorstand. Das gelte nicht nur für das Team auf dem Platz, sondern auch für die vielen freiwilligen Helferinnen und Helfer daneben. Anders gehe es in einer kleinen Gemeinde wie in Fernwald auch gar nicht.
Steuernagel steht für den Erfolg
Der FSV hat vieles richtig gemacht in dieser Saison. Vor allem bei der Trainersuche vergangenes Jahr. Da wurde Wunschkandidat Daniel Steuernagel nach Fernwald gelotst. Steuernagel kommt gebürtig aus Laubach, 17,8 Kilometer östlich von Fernwald gelegen, knapp 10.000 Einwohner groß. Mit mittelhessischen Ortschaften kennt sich der 45-Jährige also bestens aus. Mit Aufstiegen übrigens auch.
Den SC Teutonia Watzenborg-Steinberg (heute FC Gießen) führte er vor zehn Jahren erst in die Hessen- und gleich im Jahr darauf in die Regionalliga. Es folgten Stationen bei Kickers Offenbach (ohne Aufstieg) und zuletzt, 2019/20, bei Drittligist KFC Uerdingen. Dann wurde es ruhig um Steuernagel.
Fernwald ist gut drauf und hat die Zuschauer im Rücken
In Fernwald, wo alles ein bisschen gemächlicher zugeht, sorgt der Laubacher nun wieder für Furore. Im Jahr 2025 hat der FSV erst ein Spiel verloren. "Das Momentum ist auf unserer Seite", ist sich Bechthold sicher. Die Zuschauer sind es auch. In den jüngsten Heimspielen strömten im Schnitt 500 Zuschauer auf die örtliche Sportanlage. Regionalliga-reif sei das, finden sie in Fernwald. Der Sportplatz müsste im Fall der Fälle aber noch aufgemotzt werden.
Eine Tribüne soll entstehen, Flutlichter sind auch Pflicht in der vierten Liga. Von einigen "Hürden", die noch zu nehmen seien, spricht Bechthold. Und er sagt zuversichtlich: "Wir sind in Gesprächen mit der Stadt." Für die ganz großen Regionalliga-Partien, gegen Hessen Kassel oder den OFC, möchte man ins Stadion des FC Gießen ziehen. Das Gros der Spiele soll aber in Fernwald stattfinden. Das ist ihnen wichtig beim FSV.
Gleiche Freude, größere Sensation
Erst einmal muss das aber klappen mit dem Aufstieg. "Wenn wir drei Spiele gewinnen, reicht das", rechnet Bechthold blitzschnell vor. Der 58-Jährige war zwölf Jahre lang Bürgermeister von Fernwald.
Seine erstmalige Wahl sei "eine kleine Sensation" gewesen, sagt er. Immerhin sei er, der geborene Gießener, ja als "Auswärtiger" gewählt worden. Steigt der FSV Fernwald zum ersten Mal in die Regionalliga Südwest auf, wäre die Freude ähnlich groß, ist er sich sicher. Die Sensation wäre aber vielleicht noch ein bisschen größer.