Eine ganze Elf verabschiedet sich Der FSV Frankfurt muss sich mal wieder neu erfinden
Noch im Winter war der FSV Frankfurt das Überraschungteam der Liga. Zarte Aufstiegsträume blühten am Bornheimer Hang. Vor dem letzten Saisonspiel ist davon nichts mehr übrig. Elf Abgänge stehen bereits fest. Wie es beim FSV weitergeht? Man darf gespannt sein.
Fünf Tage vor dem letzten Heimspiel der Saison hat der FSV Frankfurt eine besondere Elf verkündet: Aus den Abgängen, von denen sich die Bornheimer am Samstag offiziell verabschieden werden, ließe sich eine durchaus realistische Startformation zusammenstellen. Noch bevor irgendwer das Wort Saisonanalyse in eine Powerpoint-Präsentation schreiben konnte, hat der Regionalligist in seiner Pressemitteillung die Frage zwangsweise beantwortet, welche Ableitungen fürs Personal der FSV aus dieser kompliziert zu bewertenden Saison ziehen muss. Wenn zum Teil auch alles andere als freiwillig.
Unter den elf Spielern, die den Klub sicher verlassen werden, sind neben dem einen oder anderen Ergänzungsspieler auch feste Säulen des Teams. Justin Ospelt war Stammtorhüter, Lucas Hermes fährt mit bislang zwölf Saisontreffern vom Hof, Tim Latteier hat das Interesse des 1. FC Schweinfurt geweckt und wechselt in die 3. Liga, Gwang-in Lee war ein offensiver Faktor, Leonhard van Schroetter hat mehr als 100 Spiele für den FSV bestritten, bei Ahmed Azaouagh waren es mehr als 200.
Hohe Fluktuation hat Tradition
Schönrechnen lässt sich das nicht: Der FSV verliert seine halbe erste Mannschaft. Der FSV, aber in erster Linie Tim Görner. Für den Trainer ein Schmerzpunkt, das kann er nicht bestreiten. "Leider", sagt er im Gespräch mit dem hr-sport, "hatten wir historisch betrachtet generell in den letzten Jahren immer eine hohe Fluktuation." Abgänge in zweistelliger Stückzahl waren da tatsächlich die Regel. Vorteil diesmal: Görner weiß schon im Frühjahr, worauf er sich einstellen muss.
Dabei spielten die Bornheimer sich mit einer sportlich schlimmen Rückrunde unabsichtlich selbst in die Karten. Nur ein Sieg in den den vergangenen neun Ligaspiele führte zu Unruhe im Umfeld, aber eben auch frühzeitiger Planungssicherheit. Ebenfalls anders: In der vergangenen Saison etwa gingen die Frankfurter ein kalkuliertes Risiko ein. Leistungsträger wie Onur Ünlücifci (heute Kickers Offenbach), Noah Awassi (Würzburger Kickers) oder Jihad Boutakhrit (MSV Duisburg) flirteten offen mit dem Gedanken, sich sportlich zu verbessern, hielten beim FSV aber noch lange einen Fuß in der Tür, um dann spät zu wechseln. Diesmal weiß Görner früh, woran er ist.
Das macht die Lage aber nicht viel angenehmer. Zwar laufen natürlich bereits Verhandlungen mit potenziellen Zugängen. Was sich mit diesen aber sportlich in der kommenden Saison bewegen lässt, ist kaum absehbar. Dabei ist schon die laufende Runde ein einziges Rätsel. Auf einem der Plätze fünf bis sieben wird der FSV am Ende einlaufen. Zu wenig für einen Vize-Herbstmeister, der nach 17 Spieltagen noch punktgleich mit dem späteren Meister TSG Hoffenheim II an der Spitze stand. Ein gutes Ergebnis dagegen, wenn man als Maßstab anlegt, dass der FSV in der Fußballtabelle noch immer besser abschneidet als in der Etattabelle.
In der Rückrundentabelle dagegen sind nur Göppingen und das abgeschlagene Schlusslicht Villingen noch schlechter. Göppingen könnte in dieser Wertung mit einem Sieg am Samstag beim FSV sogar noch vorbeiziehen. "Die letzten Wochen waren absolut unzufriedenstellend", stellt Görner wenig überraschend fest. "Wir sind deutlich unter unseren Erwartungen und unseren Möglichkeiten geblieben." Angesichts der zahlreichen bereist feststehenden Abgänge stellt sich zwangsläufig die Frage nach der Henne und dem Ei: Waren die Wechsel Ursache für den Misserfolg oder dessen Folge?
Abgänge nicht ursächlich für die schwache Rückrunde
Für Görner beinahe nebensächlich. Dem 29-Jährigen, der Anfang des Jahres die Pro-Lizenz erworben hat, ist nur wichtig, den bevorstehenden Umbruch nicht als Ausrede gelten zu lassen. Womöglich sei das ein Mosaikstein gewesen, mitnichten aber ursächlich dafür, dass der FSV in der Rückrunde ein so anderes Gesicht gezeigt hat als noch im Jahr 2024. Dies alles soll nur Teil der obligatorischen Saisonanalyse sein, die im Misserfolgsfall meist noch ein "schonungslos" vorangestellt bekommt.
Auch wenn der Coach Kritik an den Resultaten für zulässig hält, wirbt er für eine realistische Einordnung. "Man muss aber auch ein bisschen gucken, was waren unsere Ambitionen und wo kommen wir her. In den letzten Wochen haben wir unterperformt, sind ganz klar unter unseren Möglichkeiten geblieben. In der Hinrunde haben wir aber auch überperformt. Ganz rational vom Punkteschnitt war das die zweitbeste Runde, die der FSV in der Regionalliga in den vergangenen zehn Jahren gespielt hat."
Auf der langen Zeitachse betrachtet bewegt sich Schwarz-Blau also durchaus im Zielkorridor. In der oberen Tabellenhälfte landen und sich irgendwann als Spitzenteam etablieren, so soll das mittelfristig laufen. Wo genau Görner im Sommer ansetzen kann, ist aber noch völlig unklar. Dazu fehlt noch etwa ein Dutzend neuer Spieler. Die Zielsetzung sei folglich eng mit dem Kader verknüpft, den die Frankfurter Ende August beisammen haben werden. "Und wir müssen gucken, was wir für eine Liga kriegen", gibt Görner zu bedenken.
Hoffnung bei Cas Peters
Gegenüber Kickers Offenbach, TSV Steinbach Haiger oder dem FC Homburg habe man finanziell sicher das Nachsehen, das ist schon jetzt erkennbar. Mit dem SV Sandhausen und dem VfB Stuttgart II drohen sogar noch zwei Absteiger aus der 3. Liga hinzuzukommen. Die Klasse gehalten hat eine Etage höher indes Aufsteiger Aachen. Was für den FSV zumindest eine gute Nachricht in Aussicht stellt. Top-Torjäger Cas Peters, der nach abgelaufener Leihe eigentlich im Sommer zur Alemannia zurückkehrt, ist nicht im Kreis der Spieler, die am Samstag verabschiedet werden. Vielleicht hängt Peters also ein weiteres Jahr in Hessen dran und sorgt so für ein klein wenig Konstanz in Zeiten des Umbruchs.