Die Spieler von Türk Gücü Friedberg schlagen die Hände über dem Kopf zusammen.

Türk Gücü Friedberg träumt von der Meisterschaft in der Hessenliga. Dennoch muss der Klub gut abwägen, welche Fallstricke ein Aufstieg in die Regionalliga mit sich bringt. Deutschland höchste Amateurklasse wurde schon zu vielen Klubs zum Verhängnis.

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Türk Gücü Friedberg: Regionalliga oder nicht

Ein gewohntes Bild der Hessenliga-Hinrunde: Jubel bei Türk Gücü Friedberg
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Türk Gücü Friedberg steht zwölf Spieltage vor Saisonende recht komfortabel an der Tabellenspitze der Hessenliga. Noch nie hat der Verein in der Regionalliga gespielt. Der Aufstieg wäre der verdiente Lohn einer überzeugenden Saison und vorläufiger Höhepunkt einer Erfolgsgeschichte. Die könnte an dieser Stelle jedoch auserzählt sein. Deutschlands vierthöchste Spielklasse wirkt durch hohe Auflagen und wenig Verdienstmöglichkeiten gerade auf kleinere Klubs abschreckend. An schlechten Beispielen mangelt es nicht. Zu vielen Vereinen wurde die Regionalliga schon zum Verhängnis.

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Sportliche Ambitionen vs. wirtschaftliche Vernunft

Der Tabellenführer der Hessenliga hat derzeit drei Punkte Vorsprung auf den Relegationsplatz, ganze fünf sind es schon auf den Dritten Bayern Alzenau. Man darf sich Fatih Kaplan in diesen Tagen deshalb als grundsätzlich zufriedenen Menschen vorstellen. Begeisterung strahlt der Friedberger Vereinssprecher gleichwohl nicht aus. Gedanklich hat sich der Klub längst mit der Regionalliga beschäftigt – aber fast schon wieder abgewunken.

Überdachte Sitztribünen, ein komplett umzäunter Gästebereich mit separatem Eingang und eigenem WC, ein zusätzlicher Verkaufsstand, auch eine neue Flutlichtanlage muss her. Nur eine Auswahl der Vorgaben, die den Klubs der vierten Liga auferlegt wird. Die haben ihren Preis: "Ich denke, es wird in den fünfstelligen Bereich gehen", schätzt Kaplan. Deshalb wird der spannendste Zweikampf bei Türk Gücü derzeit in den Büros der Geschäftsführung ausgefochten: sportliche Ambitionen auf der einen, wirtschaftliche Vernunft auf der anderen Seite.

Zwischen Profistrukturen und Amateursport

Dabei geht es nicht um stoische Enthaltsamkeit, sondern im Zweifel das wirtschaftliche Überleben. Deutschlands vierthöchste Spielklasse klemmt fest zwischen den Profistrukturen der 3. Liga und eigentlichem Amateursport, wie er in der Hessenliga betrieben wird. Viele Vereine japsen in dieser Sandwichposition nach Luft.

Dass der DFB die Regionalliga als Amateurliga einstuft, täuscht darüber hinweg, dass ein großer Teil der Klubs unter Profibedingungen arbeitet. Spieler, die beruflich noch etwas anderes außer Fußball machen, sind bei ambitionierten Mannschaften die Ausnahme. Was nicht zuletzt damit zusammenhängt, dass viele Traditionsklubs in der Regionalliga gestrandet sind und alles daransetzen, ihr wieder zu entkommen.

Wenn kleine Klubs die Kickers Offenbach oder die Stuttgarter Kickers zu Gast haben, ist das ein sportliches Highlight. Stadien vom Zuschnitt einer altertümlichen Bezirkssportanlage sind aber ein Sicherheitsrisiko, argumentiert der DFB. Max Ziegler-Freisinger ist Geschäftsführer der Regionalliga Südwest. Er unterstreicht: "Spiele auszutragen, bei denen die Sicherheit nicht gewährleistet werden kann, das können wir und auch kein Verein verantworten." Mögliches Entgegenkommen sei bei anderen Auflagen grundsätzlich denkbar, "aber dass ich einen VIP-Bereich habe, dass ich Medien-Voraussetzungen habe, das ist dann aber doch irgendwo dem Niveau der Liga geschuldet."

Ohne Sponsoren geht fast nichts

Weitere Hilfe ist an dieser Stelle nicht zu erwarten. Wer in der Regionalliga spielen will, muss irgendwie an Geld kommen. Einen großen Teil ihrer Einnahmen generieren Profi-Vereine durch die sogenannten TV-Gelder, also den Verkauf von Rechten an der Übertragung und medialen Nutzung von Fußballspielen. Das ist in der Regionalliga aber ein zu vernachlässigender Posten. Selbst die Klubs der 3. Liga ächzen, dass sie kaum TV-Einnahmen verbuchen und dort werden pro Saison aktuell 26 Millionen Euro ausgeschüttet. Die DFL und ihre 38 Erst- und Zweitligaklubs verdienen jährlich rund 1,1 Milliarden Euro an der Fernsehvermarktung.

Summen, bei denen Viert- und Fünftligisten schwindelig werden dürfte. In deren Alltag sind allenfalls die Zweitvertretungen der Bundesliga-Klubs zu Gast – und reisen nicht selten an, ohne auch nur einen Auswärtsfan mitzubringen. Bleiben als mögliche Einnahmequellen nur Sponsoren und die sture Hoffnung, dieser Liga im besten Fall nach oben zu entkommen. Dass Vereine in dieser wirtschaftlich bedrückenden Lage Unternehmen, die mit einem Geldkoffer vor der Tür stehen, nicht zweimal klingeln lassen, ist nachvollziehbar, aber – rein finanziell – mitunter lebensbedrohlich.

"... dann gerät das Gesamtkonstrukt nicht ins Wanken"

Bei Hessen Kassel weiß man das inzwischen gut. Der frühere Zweitligist hat sich in der Regionalliga mehr oder weniger eingerichtet, ist seit 2008 mit kurzer Unterbrechung Dauergast. Mit noch größerem Unbehagen blickt der Klub auf mehrere Insolvenzen zurück. Dass beides miteinander zusammenhängt, ist naheliegend. Noch immer bezieht der KSV mehr als die Hälfte seiner Einnahmen von Sponsoren.

Entscheidend dabei ist aber eine gesunde Streuung, sagt Vereinssprecher Daniel Bettermann: "Das sind die ganzen regionalen Unternehmen. Vom Handwerksbetrieb, vom Bäckermeister, Malermeister oder Einzelhandelsgeschäft, Dienstleister. Diese ganz breite Basis, die braucht es. Wenn dann einzelne mal ausfallen, gerät das Gesamtkonstrukt nicht ins Wanken." Sich zu verschulden, um den Aufstieg zu erzwingen, das ist Hessen Kassel mehr als einmal misslungen. Der wirtschaftlich solide Weg reicht aktuell für Tabellenplatz elf in der Regionalliga.

"Nicht einfach, den Spielern das zu erklären"

Für Kaplan und Türk Gücü Friedberg ist die Ausgangslage noch ungleich komplizierter. Schon Hessen Kassel muss trotz zweitligatauglicher Infrastruktur und eines großen Einzugsgebiets kämpfen, um sich das zweifelhafte Vergnügen Regionalliga zu leisten. In dem 30.000 Einwohner großen Städtchen Friedberg sind Fanzuspruch und Sponsoreninteresse viel engere natürliche Grenzen gesetzt.

Ganz zu schweigen davon, dass in der Wetterau nur noch wenig Zeit bleibt, um mit der Stadt zu verhandeln, Bauanträge zu stellen oder ein Ausweichstadion zu finden. Bereits in der vergangenen Saison verzichtete der FC Gießen in vergleichbarer Ausgangslage und beantragte erst gar keine Regionalliga-Lizenz. Davon hätte Türk Gücü profitieren können. Damals hatte der Klub aber keine Lizenz beantragt – in dem festen Glauben, dass Gießen zuschlägt. Der DFB blieb stur und gewährte keinen nachträglichen Aufschub.

Ein Jahr später könnte es nun andersrum laufen. Im schlimmsten Fall ist nicht ganz ausgeschlossen, dass TGF Meister wird, aber am Aufstieg scheitert. "Es ist nicht einfach, Spielern zu erklären: 'Ja, sportlich habt ihr es geschafft, aber wir können nicht aufsteigen aufgrund dieser und jener Kriterien'", sagt Kaplan. "Das wäre natürlich schade." Und das ist noch eine sehr zurückhaltende Formulierung.