Mit 33 in den Ruhestand Tränenreiche Abschiedsparty für Leyhe in Willingen

Olympiamedaillen, Team-Weltmeisterschaftstitel und Weltcup-Sieg: Der Willinger Skisprungprofi Stephan Leyhe erlebte eine turbulente Karriere. Nun hat er sich in der Heimat aus dem Profibetrieb verabschiedet.

Stephan Leyhe steht im Brauhaus Willingen und lächelt in die Kamera
Blickt glücklich auf seine Karriere zurück: Skispringer Stephan Leyhe. Bild © Leander Löwe

Der "Upland-Adler", der "Pfundskerl" oder einfach nur "Willinger Jung": Für Stephan Leyhe haben die Menschen in Willingen viele Namen. Hunderte von ihnen haben sich am Mittwochabend ins Willinger Brauhaus gequetscht, um ihn zu verabschieden.

Sie jubeln. Sie applaudieren. Die Vereinskinder des SC Willingen stehen aufgereiht mit ihren Skiern Spalier. "Stephaaan", rufen sie immer wieder voller Bewunderung für den 33-jährigen Skispringer. Dann ist der Moment gekommen. Die Olympiasiegerin und Weltmeisterin Petra Behle hält die Laudatio: "Weltcupsieg: Kein Regisseur hätte dieses Drehbuch besser schreiben können", sagt sie mit Blick auf Leyhes einzigen Einzel-Triumph, ausgerechnet 2020 an der heimischen Mühlenkopfschanze. "Alle Menschen hatten Tränen in den Augen. Ich habe noch nie so viele Menschen gleichzeitig heulen sehen."

Ein Mann und eine ältere Frau stehen in einem Saal. Sie hat ein Mikrofon, er hört zu.
Am Ende der Laudatio sichtlich gerührt: Weltcup-Sieger Stephan Leyhe (l.) und Olympiasiegerin und Weltmeisterin Petra Behle (r.) Bild © Leander Löwe

Emotionaler Abschied im Willinger Brauhaus

Leyhe selbst wirkt angespannt. Erst als Behle fertig gesprochen hat, zeigt er seine Emotionen - und kann die Tränen nicht mehr verbergen. "Ich glaube, das Kapitel Leistungssport ist jetzt endgültig beendet", sagt er danach. "Ich bin sehr dankbar, dass so viele Leute heute Abend hier sind".

Die Willinger Fans finden das selbstverständlich. "Jetzt beginnt ein neuer Teil seines Lebens", schildert der Brauhaus-Gastwirt Arndt Brüne. "Der Stephan hat ganz, ganz viel gesehen von der Welt und kommt jetzt einfach nur nach Hause", freut er sich.

Stephan Leyhe geht zwischen Kindern die Treppe herunter und lächelt
Vom Spalier überrascht: Stephan Leyhe betritt seine Abschiedssause im Willinger Brauhaus. Bild © Leander Löwe

Willingen immer in Leyhes Herzen

Dem Ort Willingen, seinem Ski-Club und den Menschen hier ist Leyhe seine gesamte Karriere über treu verbunden geblieben - trotz eines Umzugs in den Schwarzwald. Mit sechs Jahren stand er im nordhessischen Upland das erste mal auf den Brettern.

Seine Erfolge wurden groß gefeiert, meist in der Festhalle in seinem Heimatort Schwalefeld (Willingen). "Wir haben alle an den Bildschirmen gehangen, gezittert, ihm die Daumen gedrückt und uns über Medaillen gefreut", sagt der Willinger Jörg Stremme heute. Von denen gab es einige.

National und international erfolgreich

Als er als 14-Jähriger in Oberstdorf das erste Mal antritt, gewinnt er schon in seinem zweiten Jahr als Skispringer die Deutschlandpokal-Gesamtwertung. Nach weiteren nationalen Jugend-Meistertiteln wird er nicht nur zur Junioren-Weltmeisterschaft entsandt, sondern von der Willinger Uplandschule auch als "Eliteschüler des Jahres" ausgezeichnet.

Kinder von hinten tragen Jacken mit der Aufschrift SC Willingen
Zu ihnen gehörte Stephan Leyhe auch mal: Die Skisport-Kinder des SC Willingen. Bild © Leander Löwe

Seine größten Erfolge fährt Leyhe in den folgenden Jahren als Teamplayer ein. 2018 gewinnt er mit seiner Mannschaft die Silbermedaille der Olympischen Winterspiele in Pyeongchang (Südkorea). Das Bundespräsidialamt ehrt ihn dafür mit dem Silbernen Lorbeerblatt. 2019 holt er außerdem mit Karl Geiger, Richard Freitag und Markus Eisenbichler die Team-Weltmeisterschaft in Innsbruck.

Heimsieg als Karrierehöhepunkt

Aber auch seine Triumphe im Einzel können sich sehen lassen: 2019 wird er Dritter bei der Vierschanzentournee, 2020 gewinnt er das Weltcup-Springen in Willingen. Damals ist der Ort im absoluten Ausnahmezustand, erinnert sich Stremme: "Das war emotional das Größte, was wir Upländer jemals erlebt haben", sagt er. "Das hängt bis heute in allen Köpfen drin."

Stephan Leyhe lächelt und trägt einen Bademantel
Ein Geschenk für den Ruhestand: Ein Bademantel mit dem Logo des SC Willingen. Bild © Leander Löwe

Eine Verletzung, die alles verändert

Unmittelbar vor dem Beginn der Coronapandemie folgt dann der Schock: Leyhe stürzt während der Qualifikation in Trondheim schwer. Sein vorderes Kreuzband reißt durch, beide Menisken im linken Knie reißen ein.

Ein Jahr lang braucht er, um sich auf die Schanze zurückzukämpfen - zwei Jahre, um wieder in der Weltspitze mitzuspringen. Es folgen noch mehrere Bronzemedaillen im Team, unter anderem bei den OIympischen Spielen in Peking 2022.

Videobeitrag

Abschiedsparty für Willinger Skispringer Stephan Leyhe

Stephan Leyhe beim Interview
Bild © hr
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Die Entscheidung, Schluss zu machen

Auch im Einzel schafft er es 2023 im finnischen Ruka noch einmal auf das Podest. Doch hat er nach der Verletzung immer wieder damit zu kämpfen, sich im Weltcup-Team zu halten. Anfang 2025 trifft er eine wegweisende Entscheidung: Der 240. Weltcup-Sprung im finnischen Lahti sollte sein letzter sein. Er landet auf Platz 25. Dann ist Schluss.

Als er die Entscheidung in Willingen verkündet, gleicht das einer Explosion, erinnert sich der Willinger Weltcup-Sprecher Dieter Schütz: "Stephan ist einer unserer herausragenden Sportler, wenn nicht gar der herausragende Sportler, mit all seinen Erfolgen", sagt er.

Vom Schwarzwälder Sportsoldaten zum Upländer Architekten

Bis vor kurzem wohnte Leyhe im Schwarzwald, jetzt ist er in seine Heimat Willingen-Schwalefeld zurückgekehrt. "Deshalb würde ich es keine Abschiedsparty, sondern eine Willkommensparty nennen", schließt er. In Willingen plant er seine Zukunft: Ab Sommer wird der scheidende Sportsoldat und nordhessische, hessische und deutsche Sportler des Jahres 2019 Architektur studieren.

Jörg Stremme steht im Brauhaus Willingen und grinst in die Kamera
Traurig, dass Leyhes Karriere vorbei ist, aber glücklich, dass Leyhe wieder in Schwalefeld wohnt: der Willinger Jörg Stremme Bild © Leander Löwe

Dem Skisport kehrt Leyhe nach einer so langen Zeit allerdings nicht ganz den Rücken. "Er wird sicherlich beim Weltcup dabei sein", mutmaßt Schütz, "wo er dann genau eingesetzt sein wird, das wird er sicherlich auch von seinen Vorlieben abhängig machen." Er wird dann offiziell zum "Free Willi" - zum Freiwilligen, der versucht, den Willinger Skisport auf anderer Ebene voranzubringen.

Sendung: hr-fernsehen, hessenschau,

Quelle: hessenschau.de