Pleite-Gemeinde muss Gebühren erhöhen Löhnberger Familien verzweifeln über steigende Kosten

Steigende Kita-Gebühren, höheres Essensgeld und erhöhte Grundsteuern: Das Finanzdebakel der Gemeinde Löhnberg trifft Familien hart. Ein staatlich beauftragter Bürgermeister sollte nun die Krise lösen – doch der Gemeindevorstand lehnt dies ab.

Collage aus drei ausgeschnittenen Motiven: links eine junge Frau, die in die Kamera lächelt, mittig ein Foto einer Kindertagesstätte von außen, rechts ein gelbes Ortsschild mit der Aufschrift "Löhnberg".
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Fast sei sie rückwärts vom Stuhl gefallen, als die Mitteilung kam, erzählt Romina Moser: Eine Mahlzeit in der Kita ihrer Kinder soll demnächst 6,50 Euro kosten, fast doppelt so viel wie zu Beginn des Jahres. Doch das ist wohl nur der Anfang.

Zwei Kinder hat Moser in einer Kita in Löhnberg (Limburg-Weilburg) angemeldet. Noch zahlt sie nichts für die Betreuung. Doch das soll sich schon bald ändern: Im Raum stehen nach hr-Informationen Kita-Gebühren von 200 bis 250 Euro. "Es macht mich sauer, dass jetzt alles auf die Familien abgewälzt wird, die es sich nicht leisten können", sagt Moser.

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Unüberschaubarer Schuldenberg

Die kleine Gemeinde Löhnberg steckt in einer ausgewachsenen Finanzkrise. Über Jahre hinweg soll sie einen noch nicht genau überschaubaren Schuldenberg angehäuft haben. Zudem legte Löhnberg jahrelang keine prüffähigen Jahresabschlüsse vor.

Zum 1. Oktober wollte das Regierungspräsidium Gießen einen staatsbeauftragten Bürgermeister einsetzen, um die Finanzlage unabhängig aufzuarbeiten. Das hatte die Behörde Ende August mitgeteilt. Einen solchen Bürgermeister lehnte der Gemeindevorstand in einer Stellungnahme aber ab, wie der erste Beigeordnete, Wolfgang Grün (CDU), der Nachrichtenagentur dpa sagte.

Frau vor Kita
Romina Moser hat zwei Kinder in der Kita Niedershausen Bild © Benjamin Müller

Stattdessen habe man sich für eine qualitativ hochwertige personelle Aufstockung der Finanzabteilung der Gemeinde ausgesprochen, und zwar befristet, bis die Themen abgearbeitet seien. Alternativ komme auch die Beauftragung eines externen Büros für diese Aufgabe infrage, sagte Grün. 

Am Donnerstag, den 19. September will sich die Gemeindevertreterversammlung mit dem Thema befassen - Grün geht davon aus, dass auch dort das Votum mehrheitlich gegen einen Staatsbeauftragten ausfällt.

Löhnbergs Bürgermeister Frank Schmidt (SPD) beantragte nach monatelanger Krankschreibung kürzlich, vorzeitig in den Ruhestand versetzt zu werden.

"Löhnberg - Familienfreundliche Gemeinde"

Löhnberg hatte in der Region lange als familienfreundliche Vorzeigekommune gegolten: Investitionen in den Dorfkern, Bauplätze für Einfamilienhäuser, kostenlose Kinderbetreuung - all das sollten Wunderwaffen sein gegen die Landflucht und für eine stabile Finanzlage.

Rund 400 Menschen sollen in den vergangenen Jahren zugezogen sein. Vor allem junge Familien lockte die Aussicht auf Gratis-Kitas an. Das gab es in den umliegenden Kommunen nämlich nicht. "Löhnberg - Familienfreundliche Gemeinde" steht bis heute als Slogan ganz oben auf der Webseite der Kommune.

Mehr Geld muss in die Gemeinde-Kasse

Nachdem die desolate Finanzlage im Mai herausgekommen war, wurde schnell klar: Löhnberg braucht dringend Geld. Das soll zum Beispiel durch höhere Steuern und Gebühren in die Kassen kommen. Die Grundsteuer, die gerade erst erhöht wurde, soll beispielsweise noch weiter steigen.

Wie hoch die neuen Kita-Gebühren genau sein werden, ist noch unklar. Aktuell ist geplant: Für Kinder ab drei Jahren wird die Nachmittagsbetreuung anteilig angerechnet, U3-Betreuung muss künftig voll bezahlt werden.

Auch bisherige Gratis-Angebote in den Kitas wurden gestrichen, etwa Bewegungsförderung und musikalische Früherziehung.

Eltern verzweifelt und wütend

Mit 400 bis 500 Euro Mehrbelastung im Monat für eine Familie mit zwei Kindern rechnet zumindest der Elternbeirat der Kita in Niedershausen, einem Ortsteil von Löhnberg.

Bei Elternbeirätin Anne Lenz steht derzeit das Telefon nicht still, berichtet sie. Die Eltern seien enttäuscht, sauer und verunsichert.

Frau vor Kita
Elternbeirätin Anne Lenz: Telefon steht momentan nicht still Bild © Benjamin Müller

Manche Familien würden bereits sehr konkret darüber nachdenken, die Kinder ganz oder teilweise aus der Betreuung zu nehmen und wieder zu Hause zu betreuen - auch wenn das heiße, dass Mütter ihre Stellen reduzieren oder sogar ganz aufgeben müssten.

"Fühlen uns verarscht"

Ein Unding sei das, meint Lenz: Dagobert-Duck-mäßig sei in Löhnberg offenbar jahrelang Geld aus dem Fenster geworfen worden. "Und wir junge Familien sollen solch einen Batzen jetzt wieder reinholen."

Mehrere Erwachsene
Die Eltern aus Niedershausen haben sich bereits ans RP Gießen gewandt Bild © Benjamin Müller

Auch Kita-Vater Tim Harder sagt, er fühle sich "verarscht". Er sei mit seiner Familie vor ein paar Jahren ganz bewusst nach Löhnberg gezogen - wegen der familienfreundlichen Gemeindepolitik und der guten Kindergartenbedingungen.

Der Elternbeirat Niedershausen hat sich mit seinen Sorgen bereits in einem Schreiben an das Innenministerium und das Regierungspräsidium Gießen gewandt.

Stellvertretender Bürgermeister: Sorgen verständlich

Wolfgang Grün (CDU) ist erster Beigeordneter in Löhnberg und vertritt derzeit den Bürgermeister. Er habe durchaus Verständnis für die Sorgen der Eltern, meint er.

"Wenn man ein Eigenheim gebaut hat und dann eine gewisse Summe jeden Monat zusätzlich auf einen zukommt, kann man klar verstehen, dass da Angst besteht", so Grün.

"Können nicht viel ändern"

Trotzdem könne er nicht viel an der Situation ändern, meint Grün. Die Gemeinde habe vom Regierungspräsidium Gießen die Auflage bekommen, Geld einzuholen und die Kitas seien der größte Posten dafür.

Auch an der Erhöhung der Grundsteuer sei nicht zu drehen. Lediglich beim Kita-Essen sieht Grün Möglichkeiten, die Kosten wieder zu senken. Hier könne man gegebenenfalls über einen anderen Anbieter nachdenken, sagt er.

Mutter: Werden Kind wohl aus Krippe nehmen

Romina Moser geht davon aus, dass die künftigen Kita-Gebühren für ihre Familie nicht zu stemmen wären.

Ihr Mann sei derzeit Hauptverdiener, sie selbst verdiene nur geringfügig. Sollten die Kosten tatsächlich kommen, werde sie ihre jüngere Tochter wohl von der Krippe abmelden und sie erst einmal wieder zu Hause betreuen, sagt sie.

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Sendung: hr-iNFO,

Quelle: hessenschau.de