Der iranische Flüchtling Alan Farazi steht im Techno-Museum Momem an einem Plattenspieler vor einem Plakat über den japanischen DJ Ken Ishii

Queere Menschen werden in vielen Ländern diskriminiert und verfolgt. Auch als Geflüchtete in Deutschland fühlen sie sich oft nicht sicher. Die Aidshilfe Frankfurt hat daher ein Beratungszentrum speziell für sie eröffnet.

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Hilfe für queere geflüchtete Menschen

Ein queerer Geflüchteter
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Alan Farazi hat seine Haare blondiert und seine Nägel schwarz lackiert, am liebsten trägt er enge Jeans. Er ist bisexuell und setzt mit seinem Aussehen ein Statement. Sein Look galt in seinem Herkunftsland Iran als Tabu.

Der 24-Jährige erinnert sich: "Ich wollte gerne einen Ohrring tragen, weil solche Dinge Teil meiner sexuellen Orientierung sind. Für meine Eltern war das okay. Sie haben mir nichts verboten, aber gaben mir den Rat, vorsichtig zu sein und die Regeln zu befolgen, um nicht verhaftet zu werden."

Im Iran herrscht bekanntlich ein fundamental-islamistisches Mullah-Regime. Doch Alan Farazi wurde in eine liberale Familie hineingeboren. "Meine Mutter sagte immer: Du bist geboren, um frei zu sein", erzählt er. 

Polizisten drohten ihm mit dem Tod

Mit 17 entdeckte Alan seine Leidenschaft für Techno-Musik und besuchte illegale Underground-Techno-Partys. Sein Leben nahm eine drastische Wendung, als eines Abends die Polizei eine Party stürmte und ihn festnahm. Mehrere Nächte verbrachte er hinter Gittern und wurde von den Beamten bedroht. "Sie fragten mich: Wieso hast du deine Haare wie eine Schwuchtel gefärbt? Wir sind ein islamisches Land und wir befehlen dir, das nicht mehr zu tun", erzählt Alan Farazi.

Alan Farazi in einer U-Bahn in Iran, er schaut skeptisch in die Kamera

Die Beamten hätten ihn damals richtiggehend bedroht, sagt er: "Sie zeigten mir ein Album mit Fotos von Männern und sagten: Siehst du diese Männer? Die waren wie du. Und sie wurden hingerichtet." Alan Farazi hatte Todesangst. Auch seine Eltern waren besorgt um seine Sicherheit. Sie rieten ihm, zu fliehen.

Hilfe vom Rainbow Refugee Support

2019 entschied sich Alan zur Flucht in die Türkei, jedoch erlebte er auch dort Diskriminierung. Vergangenes Jahr kam er nach Deutschland und beantragte hier Asyl. Bei seiner Ankunft offenbarte er den Beamten mutig seine Bisexualität, woraufhin er an den Rainbow Refugee Support der Aidshilfe Frankfurt vermittelt wurde.

Das ist eine Organisation, die sich speziell um queere geflüchtete Menschen kümmert. Flüchtlinge aus der LSBTIQ-Szene stehen unter einem besonderen Schutz. Oft würden sie verfolgt und für ihre sexuelle Orientierung mit dem Tod bestraft, sagt Knud Wechterstein von der Aidshilfe Frankfurt, der den Support koordiniert - es waren eben keine leeren Drohungen der iranischen Polizisten damals.

Knud Wechterstein von der Aidshilfe Frankfurt schaut lächelnd in die Kamera, hinter ihm Menschen an einem Tisch

Wechterstein ist mit den Bedürfnissen homo-, bi- oder transexueller Menschen aus illiberalen und fundamentalistischen Ländern vertraut. Für queere Geflüchtete sei eine offene Gesellschaft wie in Deutschland genau das, was sie brauchten: "Wir haben hier in Frankfurt eine queere Community, an die Geflüchtete schneller andocken, Kontakte knüpfen und sich so schneller integrieren können."

Zentrale Anlaufstelle für queere Asylbewerber

Nach Aussage von Knud Wechterstein wurden allein im Jahr 2023 fast 400 queere Geflüchtete vom Rainbow Refugee Support in ganz Hessen unterstützt, davon 180 in Frankfurt. Die Organisation betreibt eine Unterkunft, in der queere Geflüchtete geschützt wohnen können.

An diesem Montag eröffnete sie ein Beratungszentrum in den Räumen der Aidshilfe speziell für diese Gruppe von Menschen: Sie soll als zentrale Anlaufstelle alle Hilfsangebote bündeln.

Ihre Mitarbeiter unterstützen die Geflüchteten bei Asylverfahren, der Jobsuche oder der Traumabewältigung. Beim Rainbow Refugee Support geht es dann aber auch um Hilfestellung in äußerst privaten Fragen, gerade was die sexuelle Orientierung angeht: Wie kann ich mich unter Fremden und in der Öffentlichkeit verhalten, wem darf ich mich anvertrauen, solche Dinge. "Oft muss das Selbstwertgefühl wiederaufgebaut werden", sagt Wechterstein.

Endlich zu Hause - fern der Heimat

Da hilft es oft schon ein ganzes Stück weit, wenn Betroffene sehen, dass sie mit ihren Befürchtungen und Fragen nicht allein sind. Bei der Frankfurter Aidshilfe können sich queere Geflüchtete nun bei wöchentlichen Stammtischen treffen und austauschen.  

Alan Farazi nutzt die Stammtisch-Treffen, um seine Erlebnisse mit anderen queeren Geflüchteten zu teilen. "Es ist ein Ort, an dem ich Menschen treffe, die Ähnliches durchgemacht haben wie ich, die auch von ihrer Regierung misshandelt wurden", sagt er.

In Deutschland fühlt sich der Iraner endlich sicher, wie er erzählt. Mehr als das: "Zum ersten Mal im Leben fühle ich mich zu Hause. Weil zu Hause ein Ort ist, an dem dich Menschen haben wollen, ein Ort, an dem du dich geborgen fühlst und gerne bist."

Alan Farazi ist dankbar, hier in Deutschland endlich frei leben zu dürfen. Auszusehen, wie er möchte, die Musik zu hören, die er mag. Ohne Todesangst.

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