Hühner, Schafe, Kinder – in Hüttenberg-Rechtenbach gibt es seit Anfang September ein neues Angebot: den ersten und bisher einzigen Bauernhof-Kindergarten im Lahn-Dill-Kreis. Die Tiere auf dem "Birkenhof" werden in die Betreuung der Kinder intensiv eingebunden.

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Der Bauernhofkindergarten bringt Kinder und Tiere zusammen

Kinder und eine Erzieherin stehen am Gehege mit Schafen.
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Emma, Alexa und Taavi schnappen sich eine Hand voll Mehlwürmer. Das Ziel der drei Kinder: Das Hühnergehege auf dem "Birkenhof" in Hüttenberg-Rechtenbach (Lahn-Dill). "Guck mal Alexa, da ist ein Küken. Das ist voll weich. Und jetzt hat eins nach meiner Hand geschnappt", ruft Emma begeistert, während die Hühner sich ihre winzigen Schnäbel vollstopfen. Auf dem Hof leben neben den Hühnern auch einige Schafe, Esel, Zwergziegen und Pferde.

Der Tag startet am Lagerfeuer

Auf dem "Birkenhof", dem ersten und bisher einzigen Bauernhof-Kindergarten im gesamten Lahn-Dill-Kreis, startet der Tag für die 25 Kinder immer um acht Uhr mit einer Begrüßungsrunde am Lagerfeuer. Bei schlechtem Wetter treffen sich die Kinder in der Scheune.

Hofhündin Paula ist dabei stets mittendrin. Sie freut sich über jede Streicheleinheit und strahlt eine große Ruhe aus – selbst, wenn sich die Kinder gerade auf der Spielwiese austoben. Betreut wird die Gruppe von zwei Erzieherinnen. Sie bepflanzen unter anderem mit den Kindern ein Stück Acker.

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Bauernhof-Kitas in Hessen

Die erste Bauernhofkita in Hessen war das "Naturkinderland Erlenhof" in Glauburg (Wetterau). Die gibt es seit 2014. Seitdem sind in Hessen einige Orte dem Beispiel gefolgt: In Großen-Buseck (Gießen) hat die Lebenshilfe vor zwei Jahren eine Bauernhof-Kita eröffnet. Im selben Jahr ist in Birstein (Main-Kinzig) der Kindergarten "Lämmerschlupp" an den Start gegangen. Der Hof Buchwald in Nidderau (Wetterau) hat ebenfalls eine Kita-Gruppe. Und schließlich sind in Hammersbach (Main-Kinzig) und in Ebersburg-Ried (Fulda) in diesem Jahr neue Bauernhof-Kitas eröffnet worden.

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Auch die Hofbesitzerin arbeitet mit den Kindern

Wenn die Hühner gefüttert werden oder die Schafe gestreichelt werden sollen, dann ist auch Hofbesitzerin Steffi Lang im Einsatz. Die dreifache Mutter ist ausgebildete Tierpädagogin. Sie lebt seit sieben Jahren mit ihrer Familie auf dem Bauernhof. Ihr Mann Mathias kümmert sich um die Biogasanlage und die Landwirtschaft auf dem Hof, während sie die Hühner, Schafe, Esel, Zwergziegen und Pferde versorgt.

"Mir war es wichtig, dass es Tiere sind, die nicht gegessen werden, dass man mit denen eine schöne Zeit haben kann", sagt Steffi Lang. Sie habe gemerkt, wie gut ihr und ihren Kindern die Tiere täten, das habe sie teilen wollen.

Tiere "erziehen" die Kinder auf ihre Art

Auf dem Bauernhof werden Kindergartenkinder und Tiere langsam aneinander gewöhnt. Das sei auch deswegen wichtig, weil die Tiere einen deutlich höheren Lärmpegel aushalten müssten, sagt Steffi Lang. Mittlerweile seien die Kinder den Tieren aber ganz nah. Die Kinder stellen Futter zusammen und dürfen auch mal ein Huhn auf dem Arm nehmen. "Das Tolle ist, dass wir auf dem Hof eine Vielzahl an Tieren haben mit unterschiedlichen Eigenheiten." Davon könnten die Kinder profitieren. "Schafe zum Beispiel sind unglaublich sensible und ruhige Tiere. Wenn die Kinder die Wolle anfassen, dann entschleunigt das." Denn Schafe könne man nur streicheln, wenn man dabei selbst ruhig sei, so die Hofbesitzerin.

"Es geht auch um Verantwortung", ergänzt Kita-Leiterin Bianka Rehm. Es sei wichtig, dass die Kinder nicht nur lernten, wie die Natur funktioniert, sondern auch, wie man mit den Tieren umgehe. "Denn ein Schaf zeigt den Kindern eben auch ganz klar, was es nicht mag." Daher, so Rehm, müssten die Kinder "respektvoll sein und sich auch mal zurücknehmen". Eine nicht ganz einfache Übung für einige Kinder.

Die Bauernhof-Kita-Plätze waren schnell vergeben

Rehm ist neben der Bauernhof-Kita auch für den Waldkindergarten "Wurzelhüpfer" in Rechtenbach verantwortlich. Hier werden ebenfalls 25 Kinder betreut, nur wenige hundert Meter entfernt vom "Birkenhof". Die beiden Kitas besuchen sich so oft wie möglich, sind aber voneinander unabhängig. Viel Werbung für den Bauernhof-Kindergarten in Rechtenbach musste Rehm nicht machen. "Als klar war, dass wir endlich starten können, waren die Plätze sehr schnell vergeben. Es gab weit über 60 interessierte Eltern, die ihre Kinder auf dem Bauernhof betreut haben wollen."

Hessenweit fehlen Kita-Plätze

Egal, ob auf dem Bauernhof, im Wald oder in einem klassischen Kindergarten, der Bedarf für neue Kita-Angebote ist da. Zwar gibt es laut dem Hessischen Ministerium für Soziales und Integration über 4.400 Kitas landesweit, das sind 1,2 Prozent mehr als im Vorjahr (Stand: März 2022). Dennoch fehlen hessenweit laut einer Bertelsmann-Studie bis zu 37.200 Kita-Plätze und entsprechend zusätzliche Erzieherinnen und Erzieher. Auch deshalb sagt Christof Heller, der Bürgermeister der Gemeinde Hüttenberg. "Wir wollen mit den Waldkindergärten und jetzt auch der Bauernhof-Kita eine gewisse Vorreiterrolle einnehmen. Ich hoffe, dass noch viele weitere Bauernhof-Kitas im Lahn-Dill-Kreis folgen."

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