Eine Frau steht neben einem Schild mit der Aufschrift "N - Normalos - Die Inklusivreporter" und lächelt in die Kamera.

Es ist die erste inklusive Social-Media-Redaktion in Hessen: Inklusiv-Reporter der Lebenshilfe berichten in Gießen über Themen, die sie bewegen. Mit ihren Videos wollen sie Grenzen aufbrechen - bei Instagram, Facebook und auch im ganz normalen Alltag. 

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Die erste inklusive Social-Media-Redaktion in Hessen 

Drei Frauen sitzen an einem Tisch vor einem Laptop und schauen auf den Bildschirm. Hinter ihnen steht ein Mann und schaut ebenfalls auf den Computer.
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Klamotten in Kindergröße. Selbst diese sind für Katharina Volz aus Gießen manchmal zu groß. Sie ist kleinwüchsig. Shoppen ist ein Problem. "Ich werde 33 Jahre alt. Ich bin also nicht gerade scharf darauf, Schuhe in der Kinderabteilung anzuprobieren", sagt Volz.

Anders geht es aber oft nicht. Die meisten Hosen und Pullover muss sie deshalb zur Schneiderei bringen. Die 32-Jährige findet aber, dass es eine bessere Lösung gibt: inklusive Mode. Also Kleidung, die für wirklich alle Größen und Längen gemacht ist. Deshalb möchte sie darüber berichten - mit Videos bei Instagram und Facebook.  

Social Media für Menschen mit und ohne Behinderung  

Volz ist Inklusiv-Reporterin bei den "Normalos". Das ist die Social-Media-Redaktion der Lebenshilfe in Gießen. Menschen mit und ohne Behinderung arbeiten hier zusammen. Sie berichten über ihren Alltag und gesellschaftliche Probleme.  

In ihren Videos hat die 32-Jährige zum Beispiel schon erklärt, warum sie trotz ihrer Lernschwäche wählen geht. Dass andere Menschen mit Behinderung bei der Landtagswahl zum ersten Mal überhaupt teilnehmen konnten. Oder, dass Apps wie Instagram für Menschen mit Beeinträchtigungen oft schwer zu bedienen sind.  

Den Namen hat sich die Redaktion selbst gegeben. "Wir wollen damit Grenzen aufbrechen", sagt Jasmin Mosel. Sie leitet das Projekt, das auch von der Aktion Mensch gefördert wird. Die Inklusiv-Reporter sollen zeigen, dass letztlich alle Menschen "Normalos" sind.  

Projekt-Leiterin Jasmin Mosel: "Wir wollen Grenzen aufbrechen"

Die "Normalos" greifen auch aktuelle Themen auf  

Einer von ihnen ist Philipp Noack. Der 25-Jährige hat eine chronische psychische Erkrankung. Die redaktionelle Arbeit bei den "Normalos" ist für ihn "gelebte Inklusion". Aber das heißt nicht, dass er sich nur mit solchen Themen beschäftigt.  

Sein letzter Beitrag hat mit den bundesweiten Demos gegen Rechtsextremismus zu tun. Noack hat mit einem anderen Inklusiv-Reporter, Daniel Tabert, über die aktuelle Protestwelle gesprochen.  

Das Video dazu haben die "Normalos" ganz bewusst am Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus hochgeladen. "Damals hatten die Nazis auch Menschen mit Behinderung umgebracht. Auch deshalb haben wir Stellung bezogen. So etwas darf nie wieder passieren", sagt Noack.  

Ein Mann (Oberkörper und Kopf) schaut in die Kamera

Die erste inklusive Social-Media-Redaktion in Hessen  

Solche Videos entstehen jetzt schon seit knapp zwei Jahren für die Social Media-Seiten der Lebenshilfe. Im vergangenen Sommer zum Beispiel haben mehrere Redaktionsmitglieder auf die Frage geantwortet: "Welche Barrieren gibt es für dich im Alltag?"

Zum ersten Mal getroffen hat sich die Redaktion im April 2022. "Als wir angefangen haben, waren wir eine der ersten Redaktionen dieser Art", sagt Mosel. In Hessen sogar die erste. Social Media sei mittlerweile aber inklusiver geworden. "Es gibt immer mehr Menschen, die darüber berichten. Es wird auch häufiger leichte Sprache verwendet." 

Also: Kurze Sätze. Verständlich. Ohne Fremdwörter. Auch das gibt es bei den "Normalos".    

Eine neue Zielgruppe für Menschen mit Behinderung  

Im September hat die "Normalos" etwas Neues gewagt: Einen eigenen Kanal bei Instagram und Facebook. Mittlerweile hat dieser sogar etwas mehr Follower als die Seite der Gießener Lebenshilfe. Die hatte ohnehin einen Nachteil: Dort waren die Videos der Inklusiv-Reporter etwas versteckt. Zwischen Job-Anzeigen, Pressemitteilungen und Veranstaltungen der Lebenshilfe.   

"Mit unserem eigenen Kanal erreichen wir jetzt aber eine ganz andere Zielgruppe", verrät Mosel. Die Seite der "Normalos" werde auch von Menschen aus anderen Regionen angeschaut. "Wir haben auffällig viele Follower aus München oder Berlin."

Laut Mosel bekommt die Redaktion fast nur positive Rückmeldungen. Manchmal werden die Reporterinnen und Reporter sogar auf der Straße angesprochen. Da seien viele Menschen dabei, die sich vorher mit den Themen nicht auseinander gesetzt hätten, sagt Mosel: "Also wir sind, ich nenne es jetzt mal liebevoll, auch außerhalb der Lebenshilfe-Bubble angekommen."

Die Redaktion lernt auch den Umgang mit sozialen Medien  

Auch in der Redaktion selbst löst das Projekt Grenzen auf. Ein Großteil der elf Mitglieder war vorher nicht bei Social Media aktiv, oder ist damit überfordert gewesen. Deswegen gehören hier kleine Einsteiger-Kurse zum Redaktions-Alltag. Genauso wie die wöchentliche Themen-Konferenz.  

Philipp Noack musste auch erstmal lernen, wie Instagram funktioniert. Der 25-Jährige kommt zu dem Schluss: "Menschen mit Beeinträchtigungen sind in unserer Gesellschaft unterrepräsentiert. Also muss man sich auf Social Media dafür einsetzen."

  

Noacks Wunsch wäre ein Interview mit dem Gießener Bürgermeister. Über Barrieren im Alltag und leichte Sprache. Er möchte wissen, was die Stadt für Menschen mit Beeinträchtigungen unternimmt. "Geh mal zum Arzt oder ins Bürgerbüro und lass dir dann den Kram erklären. Da verstehst du nur Bahnhof", sagt er.  

Selbstbewusstsein durch Social Media  

Katharina Volz nimmt von dem Projekt viel für sich selbst mit. Sie ist stolz. Auch darauf, dass ihre Videos teilweise mehr als 10.000 Mal aufgerufen werden. "Ich habe jede Menge positive Rückmeldungen bekommen. Das hat mir auch viel Selbstbewusstsein gegeben."  

Die Ideen gehen ihr jedenfalls nicht aus. "Ich wollte immer etwas Kreatives machen, dafür brenne ich." Sie beschäftigt sich deshalb gerade auch mit dem Arbeitsmarkt. Der könnte sich noch mehr für Menschen mit Behinderung öffnen, sagt sie. Die 32-Jährige hofft, dass sie bald ein Praktikum in einer anderen Redaktion machen kann.  

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Aktion Mensch fördert Projekt

Die Kosten für ihre Social Media-Redaktion trägt die Lebenshilfe nicht alleine. Die Aktion Mensch fördert das Projekt mit rund 276.000 Euro, verteilt auf drei Jahre. Davon wurden zum Beispiel die Ausrüstung der Inklusiv-Reporter oder andere Sach- und Personalkosten bezahlt. 

Das Geld ist auch nicht an eine bestimmte Reichweite geknüpft, also unabhängig von der Anzahl an Followern. "Die digitale Teilhabe ist ein Grundrecht für alle", teilt eine Sprecherin mit. Nur wer sich in der digitalen Welt auskenne, könne sich aktiv und gleichberechtigt einbringen.  

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