Zu sehr auf Mitarbeiter verlassen Fall sexueller Belästigung: Kommission sieht Versäumnisse bei Bischof Bätzing

Ein mehrere Jahre zurückliegender Fall sexueller Belästigung beschäftigt das Bistum Limburg noch immer. Eine Kommission zur Aufarbeitung bescheinigt Bischof Bätzing zwar aufrichtige Anteilnahme, aber auch eine zu lasche Aufsicht.

Die Gebäude des Bischofssitz in Limburg - Dom und umliegende Gebäude.
Dom und Bischofssitz im Bistum Limburg Bild © picture-alliance/dpa
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Eine Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs hat dem Limburger Bischof Georg Bätzing Versäumnisse vorgeworfen. Zwar habe er sich mit dem Anliegen einer von sexueller Belästigung Betroffenen zügig "ernsthaft und konsequent" auseinandergesetzt, er habe sich aber bei der Beförderung des mutmaßlichen Täters zu sehr auf seine Mitarbeiter verlassen, teilte die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexueller Gewalt im Bistum Limburg (UKO) am Donnerstag mit.

Die Betroffene werfe Bätzing vor, bei der Entscheidung nicht selbst alle Akten eingesehen, sondern dies seinen Mitarbeitern überlassen zu haben, die sich letztlich für die Beförderung aussprachen. Zwar müsse sich Bätzing bei Entscheidungen auf seine Mitarbeiter verlassen können, die UKO wünsche sich jedoch, dass Bätzing bei künftigen brisanten Fällen persönlich in die Akten schaut.

Juristisch nicht strafbar - moralisch verwerflich

Konkret geht es in diesem Fall um den Pfarrer Winfried Roth, der trotz Belästigungsvorwürfen, die dem Bistum damals schon bekannt waren, 2020 zum Bezirksdekan befördert wurde. Im Mai 2022 veröffentlichte "Christ und Welt" einen Bericht über eine Gemeindereferentin in Ausbildung, die er 2006 und 2007 sexuell belästigt haben soll. Nur wenige Tage später trat Roth von seinem Amt zurück.

Die UKO arbeitete daraufhin seit Juni die Vorgänge rund um den Fall auf. Laut ihrem Bericht waren die Vorfälle zum damaligen Zeitpunkt juristisch nicht strafbar. Die Betroffene habe zu Roth in einem Abhängigkeitsverhältnis gestanden, weil er als Ausbildungsverantwortlicher darüber zu entscheiden hatte, ob sie dauerhaft als Gemeindereferentin arbeiten darf. Damit widersprach die UKO der Ansicht des Bistums.

Bistum wies Betroffene an, nicht über Vorfälle zu sprechen

Die Betroffene sagte dem hr im Sommer diesen Jahres, die Zusammenarbeit mit ihrem Vorgesetzten sei irgendwann "unerträglich" gewesen: "Bei einem Treffen mit Kollegen im Herbst 2007 ist er mir dann von hinten mit seiner Hand unters T-Shirt und hat meine Brust angefasst." Diese Schilderung wies das Bistum später zurück. Kosenamen, Berührungen am Rücken und im Haar habe es seitens Roth allerdings gegeben.

Um nicht weiter mit dem Mann arbeiten zu müssen, hatte sich die junge Frau damals an den Personaldezernenten gewandt. Es folgten Gespräche und schließlich Versetzungen. Allerdings habe man sie angewiesen, nicht mit Dritten über die Gründe für den Stellenwechsel zu sprechen - hier wiederum sprach das Bistum lediglich von einer "Empfehlung" zu schweigen. Sie habe sich nie ernst genommen gefühlt. Fünf Jahre schwieg sie demnach auf Druck des Bistums.

Kommission kritisiert Täter-Opfer-Umkehr

Der Vorfall sei von Roth und dem Bistum bagatellisiert worden, erklärte die UKO nun. Es habe eine Täter-Opfer-Umkehr stattgefunden. Die Betroffene wurde versetzt. Zudem wurde ihr ein Schweigegebot auferlegt, wonach sie über die Gründe ihrer Versetzung nicht sprechen durfte. Die UKO warf dem Bistum vor, dass Täterschutz und Schutz der Institution Kirche die Beweggründe für diese Entscheidung gewesen seien.

In einem Gespräch mit Roth und der Betroffenen 2013 habe er keine Verantwortung übernommen. Sie habe selbst um ein klärendes Gespräch mit Roth kämpfen müssen. Im Februar 2016 wurde das Verhalten Roths bistumsintern bestraft. Er wurde ermahnt, "die notwendige Distanz zu Frauen einzuhalten" und musste 1.000 Euro an die Betroffene für therapeutische Hilfe zahlen. Einen "rückfallpräventiven Charakter" habe das Bistum missen lassen. 

Hochoffizieller Tadel und Beförderung im selben Jahr

Im August 2020 erteilte Bätzing nach Gesprächen mit zwei Betroffenen Roth im Zuge der Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs im Bistum einen kanonischen Tadel, der im Geheimarchiv der Kurie verzeichnet wurde. Darin wurde ein "distanzloses und unprofessionelles Verhalten" den Frauen gegenüber gerügt.

Im gleichen Jahr wurde Roth zum Bezirksdekan befördert. Die Entscheidung hatte die Personalkammer - und damit letztlich auch Bätzing - zu verantworten.

Roth war nach den Angaben Bätzings trotz der Vorwürfe auch deshalb zum Dekan ernannt worden, weil er sich einsichtig gezeigt habe. "Ich nehme aber wahr, dass meine Entscheidung für die Betroffenen nur schwer zu ertragen ist und darüber hinaus Irritation und Ärgernis auslöst", sagte Bätzing im Sommer 2022. "Dies hatte ich bei meiner Entscheidung vor zwei Jahren so nicht gesehen. Diese Entscheidung war falsch. Ich bitte die Betroffenen um Verzeihung."

Diese Worte rechnete die Kommission zur Aufarbeitung Bätzing hoch an.

Weitere Informationen

Sendung: hr4, 24.11.2022, 16.30 Uhr

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Quelle: AFP, hessenschau.de/Fabian Weidenhausen