Wenn Kinder unheilbar und lebensverkürzend erkrankt sind, brauchen Familien viel Hilfe - etwa vom Kinderhospizverein. Dort mangelt es in Hessen aber massiv an Ehrenamtlichen. Eine Familie aus Lahnau hatte Glück.

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Kinderhospizarbeit – Hilfe für Familien

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Heute geht es bei Familie Kinzenbach aus Lahnau (Lahn-Dill) mal wieder rund. Die Schwestern Linnja und Eliana wirbeln mit ihrem kleinen Bruder Enjo durchs Wohnzimmer. Trotzdem kann sich Mama Lena Kinzenbach im Nebenraum ganz in Ruhe um ihr viertes Kind kümmern: den schwerstbehinderten Bela. Denn die 37-Jährige weiß: Ihre Rasselbande ist in besten Händen.

Die Kinzenbachs haben nämlich Besuch von Elke Groß aus Wetzlar. Die pensionierte Arzthelferin engagiert sich ehrenamtlich beim Ambulanten Kinder- und Jugendhospizdienst in Gießen. Dieser hat die 64-Jährige und die Familie aus dem Nachbarort vor acht Jahren zusammengebracht. Seither verschafft Groß den Kinzenbachs einmal in der Woche eine Verschnaufpause, indem sie mit Belas Geschwistern spielt, malt und Spaziergänge macht.

Wertvolles Ehrenamt in der Kinderhospizarbeit

"Für uns ist das sehr wertvoll", sagt Mutter Lena Kinzenbach, selbst gelernte Kinderkrankenpflegerin. "Die Kinder bekommen Exklusivzeit mit jemanden, der sich nur um sie kümmert." Und auch sie selbst könne die Zeit dann für den Haushalt oder einfach mal für eine Verschnaufpause auf dem Sofa nutzen. Sohn Bela geht zwar vormittags auf eine Förderschule in Wetzlar, nachmittags braucht er aber intensive Pflege.

Der Zehnjährige hat das 18q-Deletionssyndrom. Er sitzt im Rollstuhl, kann nicht sprechen und wird per Sonde ernährt. Bundesweit gibt es Schätzungen zufolge rund 50.000 Kinder und junge Erwachsene wie ihn: unheilbar krank und mit verkürzter Lebenserwartung. Familien, die diese Kinder zu Hause pflegen, werden oft von ambulanten Kinderhospizdiensten unterstützt. Neben dem Kinderhospizverein gibt es etwa die Malteser oder die Bärenherz-Stiftung.

Ehrenamtliche betreuen 138 Familien

Mit sieben Standorten ist der Kinderhospizverein der größte Anbieter in Hessen. 2022 zählte er in Hanau, Frankfurt, Bad Homburg, Kassel, Fritzlar, Marburg und Gießen insgesamt 255 ehrenamtliche Mitarbeiter für 138 betroffene Familien.

In der Praxis sei die Helferzahl aber deutlich geringer, beklagen die Verantwortlichen. Viele ließen ihr Ehrenamt pausieren oder ganz ruhen. Der Verein verliert nach eigenen Angaben jedes Jahr ein Zehntel der Ehrenamtlichen, die sich in der ambulanten Kinderhospizarbeit engagieren.

Vielerorts akuter Helfermangel

Während Frankfurt trotzdem gut über die Runden komme, herrsche vor allem in Kassel, Marburg und Gießen akuter Helfermangel. In Gießen wurde zuletzt sogar ein Vorbereitungskurs abgesagt: Statt der erforderlichen acht meldeten sich nur drei Teilnehmer.

"Die Lage hier ist angespannt", sagt Dominika Ludwig vom Kinder- und Jugendhospizdienst in Gießen. "Wir suchen händeringend Leute, die Lust haben, ihre Zeit den Kindern und Familien zu spenden." In Gießen stünden acht Familien auf der Warteliste für eine Begleitung, an anderen Standorten in Mittel- und Nordhessen sehe es ähnlich aus. Hessenweit seien mindestens 40 Ehrenamtsstellen unbesetzt.

Spielen, begleiten - oder einfach mal die Wäsche waschen

"Das Ziel der Hospizarbeit ist immer die Begleitung und die Versorgung zu Hause", erklärt Geschäftsführer Benno Bolze vom Deutschen Hospiz- und Palliativverband. "Wenn der Pflegeaufwand für die Betroffenen aber zu groß wird, können die schwerkranken Menschen auf eigenen Wunsch in einem stationären Hospiz aufgenommen werden." Laut dem Fachmann tragen die Ehrenamtlichen mit ihrem Einsatz dazu bei, dass auch schwer kranke Kinder weiter zu Hause versorgt werden können.

Elke Groß sitzt mit den drei Kindern am Tisch, sie spielen gemeinsam Memory.

Wie die Ehrenamtlichen helfen, richtet sich nach individuellen Bedürfnissen: Spielen mit Geschwisterkindern, Wäsche waschen oder einfach nur ein offenes Ohr für Kummer und Leid haben - alles ist denkbar und willkommen. Im Schnitt müssen die Freiwilligen nach Angaben des Kinderhospizvereins drei bis vier Stunden pro Woche für diesen "Job" aufbringen. Außerdem gibt es einen 100-stündigen Vorbereitungskurs, in dem es unter anderem um Tod, Trauer und Pflege geht. Für die Familien ist die Begleitung kostenlos.

"Besser kann man Zeit nicht nutzen"

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Kinderhospizverein: Ehrenamt mit Verantwortung und Spaß

Zwei Frauen und vier Kinder haben sich in einem Kinderzimmer zusammengesetellt und lachen in die Kamera.
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"Für mich ist das kein Aufwand. Es ist schön, dass die Eltern mir das Vertrauen schenken", sagt Ehrenamtlerin Elke Groß aus Wetzlar, die Belas Familie entlastet. "Es ist mir eine Herzensangelegenheit, besser kann man seine Zeit nicht nutzen."

Angefangen habe sie einst, weil auch ihr eigenes Enkelkind lebensverkürzend erkrankt war. Sie sagt, sie wisse, wie wichtig die Unterstützung für die Familien sei - und wie viel man zurückbekomme. Bei den Kinzenbachs werde keine Geburtstagsparty mehr ohne sie gefeiert. Die Kinder nennen sie "eine Freundin".

Eigentlich, sagt Lena Kinzenbach, bräuchte sie sogar noch eine zweite ehrenamtliche Kraft. Jemanden, der sich auch um den schwerkranken Bela kümmern kann, "damit ich mit den anderen Kindern auch mal ins Schwimmbad gehen kann". Derjenige bräuchte allerdings eine Extra-Pflegeweiterbildung. Aktuell leider ein aussichtsloser Wunsch.

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Tag der Kinderhospizarbeit

Seit 2006 ist der 10. Februar der Tag der Kinderhospizarbeit. Ins Leben gerufen hat ihn der Deutsche Kinderhospizverein selbst. Ziel war es, das Thema "Tod von Kindern" zu enttabuisieren. Neben der ehrenamtlichen Begleitung hält der Verein Seminare für Lehrkräfte und Pädagogen ab und bietet Beratungen für betroffene Familien an. Wer die Kinderhospizarbeit ehrenamtlich unterstützen will, findet alle Informationen und Kontaktdaten auf der Website des Kinderhospizvereines.

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