Pleite-Kommune Löhnberg Landesrechnungshof wirft RP Gießen vor, Warnungen nicht ernst genommen zu haben
Eine Prüfung des Landesrechnungshofs beschäftigt sich mit den desaströsen Finanzen der Gemeinde Löhnberg. Der Vorwurf: Das RP Gießen habe schon 2019 eindeutige Hinweise erhalten - warum blieb ein Eingreifen aus? Eine grundlegende Klärung der Situation könnte noch Jahre dauern.
In einer routinemäßigen Prüfung hat der Landesrechnungshof kleine Gemeinden in Hessen geprüft.
Dabei kommt er zu der Einschätzung: Eine detaillierte Prüfung der von einer Finanzkrise gebeutelten und zeitweise zahlungsunfähigen Gemeinde Löhnberg (Limburg-Weilburg) ist aufgrund von unvollständigen und widersprüchlichen Unterlagen und Daten derzeit nicht möglich.
Der Bericht soll im November veröffentlicht werden. Die Gemeinden haben die Ergebnisse für ihre Kommune aber bereits erhalten. Der Schlussbericht Löhnberg liegt auch dem hr vor.
Auf hr-Anfrage teilt das unabhängige hessische Finanzkontroll-Organ außerdem mit: Das für die Finanzaufsicht zuständige Regierungspräsidium (RP) Gießen hätte aus Sicht des Rechnungshofs bereits vor Jahren ausreichend Hinweise dafür gehabt, um die Probleme der Kommune früher zu erkennen und ihnen entgegenzuwirken.
Die mittelhessische Gemeinde Löhnberg (Limburg-Weilburg) ist aufgrund ihrer desolaten Finanzlage und vieler Unklarheiten seit Monaten in den Schlagzeilen.
Die Gemeinde legte offenbar jahrelang keine vollständigen Jahresabschlüsse vor, wozu sie aber verpflichtet gewesen wäre. Gleichzeitig häufte sie über Jahre hinweg Schulden an, bis im Mai öffentlich bekannt wurde, dass sie nicht mehr alle ihre Rechnungen zahlen kann.
Der damalige Bürgermeister war zunächst lange krankgeschrieben und ging dann in den vorzeitigen Ruhestand. Inzwischen ermittelt die Frankfurter Staatsanwaltschaft gegen ihn wegen des Verdachts der Untreue.
Zwischenzeitlich wurde die Kommune übergangsweise von einem staatsbeauftragten Bürgermeister geführt. Die Aufklärung gestaltet sich jedoch als schwierig. Denn: Auch Akten sollen aus dem Rathaus verschwunden sein.
Finanziell gibt es in Löhnberg wohl in Zukunft wenig Gestaltungsspielraum: Die Gemeinde hat Sparauflagen bekommen und muss Gebühren und Steuern deutlich erhöhen.
Im Februar 2025 ist ein neuer Bürgermeister gewählt worden. Reiner Greve (parteilos) setzte sich im ersten Wahlgang gegen zwei Mitbewerber durch. Greve hatte dem hr gesagt, er wolle im Falle seiner Wahl einen Beschluss herbeiführen, die Aufarbeitung des finanziellen Desasters in neutrale Hände zu geben sowie mit einer unabhängigen Kämmerei alte Haushalte abschließen und neue aufstellen.
Der Fall Löhnberg: Was bisher geschah
Die mittelhessische Gemeinde Löhnberg (Limburg-Weilburg) ist aufgrund ihrer desolaten Finanzlage und vieler Unklarheiten seit Monaten in den Schlagzeilen.
Die Gemeinde legte offenbar jahrelang keine vollständigen Jahresabschlüsse vor, wozu sie aber verpflichtet gewesen wäre. Gleichzeitig häufte sie über Jahre hinweg Schulden an, bis im Mai öffentlich bekannt wurde, dass sie nicht mehr alle ihre Rechnungen zahlen kann.
Der damalige Bürgermeister war zunächst lange krankgeschrieben und ging dann in den vorzeitigen Ruhestand. Inzwischen ermittelt die Frankfurter Staatsanwaltschaft gegen ihn wegen des Verdachts der Untreue.
Zwischenzeitlich wurde die Kommune übergangsweise von einem staatsbeauftragten Bürgermeister geführt. Die Aufklärung gestaltet sich jedoch als schwierig. Denn: Auch Akten sollen aus dem Rathaus verschwunden sein.
Finanziell gibt es in Löhnberg wohl in Zukunft wenig Gestaltungsspielraum: Die Gemeinde hat Sparauflagen bekommen und muss Gebühren und Steuern deutlich erhöhen.
Im Februar 2025 ist ein neuer Bürgermeister gewählt worden. Reiner Greve (parteilos) setzte sich im ersten Wahlgang gegen zwei Mitbewerber durch. Greve hatte dem hr gesagt, er wolle im Falle seiner Wahl einen Beschluss herbeiführen, die Aufarbeitung des finanziellen Desasters in neutrale Hände zu geben sowie mit einer unabhängigen Kämmerei alte Haushalte abschließen und neue aufstellen.
"Man hätte genauer hinschauen müssen"
Walter Wallmann, Präsident des Landesrechnungshofs, äußerte im Gespräch mit dem hr deutliche Kritik an der Rolle des RP Gießen.
Der Rechnungshof habe bereits im Kommunalbericht 2019 Löhnbergs Probleme deutlich beschrieben - etwa die fehlenden Jahresabschlüsse, die hohe Verschuldung und die Liquiditätsprobleme, so Wallmann. "Anstatt die Probleme zu beheben und offensiv anzugehen, wurde offenbar ein Weiter-So gemacht – und zwar leider Gottes in die falsche Richtung."
Von einem Aufsichtsversagen wolle er nicht sprechen. Aber: "Man hätte hier viel genauer hinschauen müssen." Das sei aus Sicht des Rechnungshofs aber nicht so passiert, wie man sich das gewünscht hätte.
Sogar ausdrücklich auf Schieflage hingewiesen
"Wenn man einfach mal die Berichte ordentlich analysiert hätte, die wir verfasst haben, dann hätte man das durchaus erkennen können", so Wallmann. Dass das nicht geschehen sei, sei aus Sicht des Rechnungshofs durchaus "ärgerlich und frustrierend".
Der Rechnungshof gebe viele Hinweise auf diverse Schieflagen - nicht nur bei Löhnberg. Hier habe man es aber "expressis verbis" gemacht – also ausdrücklich – und die Kommune sogar 2019 in einer Pressekonferenz offensiv thematisiert. Erfolgt sei offenbar wenig.
Löhnbergs Lage einzigartig
Der Rechnungshofs-Chef geht davon aus: Es werde wohl noch vier bis fünf Jahre dauern, bis die Löhnberger Datenlage überschaubar sei.
Diese Situation sei in Hessen einzigartig, so Wallmann. "Wir haben eine vergleichbare Situation mit so einer Ansammlung an selbstverschuldeten Problemen bisher in keiner anderen Gemeinde festgestellt."
RP weist Kritik von sich
Nach Einschätzung des Rechnungshofs waren bereits 2019 sowohl die Haushalte der Gemeinde Löhnberg aus den Vorjahren als auch die Genehmigung dieser durch das RP "nicht sachgerecht".
Das RP bekräftige auf Anfrage erneut, dass man diese Einschätzung des Rechnungshofs nicht teile. "Das RP Gießen ist seiner Aufsichtsfunktion nachgekommen", heißt es.
Aus Sicht des RP habe der Rechnungshof damals im Wesentlichen auf zwei verbesserungsbedürftige Punkte hingewiesen: Zum einen, dass der Vorbericht - eine Anlage zum Haushaltsplan über den Stand der Haushaltswirtschaft – nicht die Mindestanforderungen der Gemeindehaushaltsverordnung erfüllt habe.
Zum anderen sei die mittelfristige Finanzplanung als unzureichend bewertet worden. Beides habe die Kommune im Haushalt 2020 aufgegriffen.
Weder aus dem Vorbericht noch aus der mittelfristigen Finanzplanung habe das RP zum damaligen Zeitpunkt Rückschlüsse auf die Jahre später offenbar gewordenen Finanzprobleme ziehen können, so das RP.
Bericht von 2019 offenbart Mängel
Tatsächlich hatte der Rechnungshof 2019 in seinem öffentlich zugänglichen Bericht verschiedene Kritikpunkte geäußert und dabei auch sehr konkrete Punkte angesprochen, etwa Mängel im Haushaltssicherungskonzept, fehlende Jahresabschlüsse und eine zu geringe Informationsgrundlage für Entscheidungen.
Auch die Rolle des RP Gießen wurde kritisch angesprochen: RP und Landkreis hätten Haushalte genehmigt, die den Vorgaben des Landes nicht vollständig entsprachen. Das RP habe Kreditaufnahmen auf Basis fehlerhafter Angaben genehmigt.
Bürgermeister stolpert regelmäßig über Neues
Reiner Greve (parteilos) ist seit rund drei Monaten neuer Bürgermeister in Löhnberg. Trotz allem, was bereits bekannt ist, habe ihn die Beurteilung des Rechnungshofs überrascht, wonach die Gemeinde derzeit unprüfbar ist. "Hier geht es ja nicht nur darum, dass keine Unterlagen vorgelegen haben, sondern zum Teil auch um Unterlagen, die da waren und dann nachgefordert wurden, aber unterschiedliche Zahlen beinhaltet haben."
Er selbst stolpere weiterhin regelmäßig über neue Dinge in den Finanzen, die ihn den Kopf schütteln lassen. "Das wird vermutlich auch noch ein paar Jahre so bleiben." Immer wieder denke er: Wie konnte so etwas in dieser Art und Weise passieren? Wie konnte das durchgehen?
Greve muss aufräumen
Welche Folgen es gehabt hätte, wäre das RP Gießen früher oder anders eingeschritten, könne er nicht beurteilen. "Aber ich hätte mir natürlich schon gewünscht, dass man dem genauer nachgeht, wenn man über so eine vergleichende Prüfung mitgeteilt bekommt, dass da irgendwo sichtbar was im Argen liegt."
Konkret sei man im Rathaus weiterhin mit der Aufarbeitung und den nächsten Haushalten beschäftigt. Geplant sei, dass Löhnberg sich dazu auch fachliche Unterstützung von außen holt.
Ziel des Bürgermeisters sei nun, dass man in Löhnberg trotz der Unklarheiten einen Neuanfang findet und dafür sorgt, dass man zumindest in Zukunft belastbare Zahlen hat.